Die Tigerin steckt nach Monaten der Ruhe wieder in einer Krise mit Appetitlosigkeit und Erbrechen. Ich gebe ihr einen Krümel Mirtazapin, bald darauf geht sie an den Napf.
Der Bekannte weilt im Norden. Nachts liege ich mit ausgebreiteten Armen im Bett, ziehe mir auf dem Tablet Abenteuer Diagnose rein und freue mich, nicht auch noch an all diesen anderen seltenen Krankheiten zu leiden. Immerhin sind die vorgestellten Malaisen alle behandelbar und den vorgestellten Patienten geht es inzwischen wieder gut. Die Folgen in denen Parasiten vorkommen, überspringe ich.
Nach dem langen Winter trägt das liebe Tölchen eine nicht zu entfilzende Matte am Leib. Es wird Zeit für einen Haarschnitt. Bald.
Die spanische Miezekatze umarmt die Heizungsrippen, um sich zu wärmen. Erst im Hochsommer hört sie damit auf.
Die frisch geputzten Fensterscheiben halten die Sonnenstrahlen nicht mehr ab. Ich drehe die Lamellen ein wenig zu und blinzle in einen Streifen weissen Lichtes.
Am Nachmittag gehe ich eine Runde über den Platz. Der traurige Fünzigjährige mit den halblangen grauen Haaren und der speckigen Jeansjacke steht unberaten vor dem Eingang des Bethanien, sein frustrierter Retriever zieht feste an der Leine und will zu Tölchen. Entschuldigend lächelt der traurige Mann und ich lächle zurück und spüre einen kleinen Schmerz, ein wehes Bedauern, doch ehe das Gefühl Besitz von mir ergreift, schnappe ich meinen Hund, deren Hinterbeine schon wieder steif werden vor Schwäche und mache mich mit Tölchen auf dem Arm auf zum Baumarkt.
Bei der ehemaligen Galeria Kaufhof am Ostbahnhof klaffen riesige Löcher in der Mosaikfassade. Ein modernes Bürogbäude soll aus dem alten Kasten werden. Im Moment aber sieht er genau so aus, wie man sich drinnen immer gefühlt hat.
In Erinnerung an die guten alten selbstinduzierten Verstimmungen, setze ich mich in der Küchenabteilung von Hellweg probehalber auf einen viel zu hohen Barhocker, dem ein viel zu niedriger Tisch gegenüber steht und schaue mir das Plastikfurnier ringsum an. So ein Leben könnte man auch haben.
Die Klodeckelabteilung mit den originellen Motiven überspringe ich dieses Mal.
Draußen auf dem Freigelände stehen die ersten Primeln, Stiefmütterchen, Hyazinthen und Narzissen zum Verkauf und ich weiß nicht genau, ob mich die Pflanzenklone bedrücken, oder ob sie mich als Boten des Frühlings beglücken sollen.
Mit leeren Händen gehe ich später durch die Kasse, wo die gleiche Verkäuferin von immer die Stellung hält. Wir nicken uns zu und registrieren im Vorbeigehen, wie jede sich über den Winter verändert hat. Bei mir sind es ein paar graue Haare mehr, länger sind sie auch und die Wellen kommen zurück. Ihre Haare sind inzwischen wieder schwarz und zu einem dicken Seitenzopf geflochten. Ich trage dieselbe schwarze Jacke, sie ihren roten Kittel. Ich kein Makeup, sie ziemlich viel davon.
Im Eingangsbereich des Marktes wird umgebaut. Der Bäcker ist verschwunden und mit ihm die Frau mit dem schütteren magentaroten Haar und der verlässlich schlechten Laune. Die Ware war eher mau, doch die Laugenecken mochte ich, wie ich überhaupt Fettiges liebe, obwohl es mir nicht bekommt.
Auf dem sonnenbeschienenen, gleißend hellen Parkplatz tippelt ein Obdachloser im Rollstuhl mit zerrupftem Bart und zerschlissener Kleidung die Autoreihen entlang und schaut ob dem Ein oder Anderen beim Aussteigen vielleicht ein wenig Kleingeld aus der Hosentasche gefallen ist. Ich würde ihm gerne etwas geben.
An der Ampel vor der Schillingbrücke stehen frische Blumen und ein verwittertes Kreuz für den hier verunglückten Radfahrer Jakob.
Das Pimmelhaus gegenüber ist verschwunden. Dort, wo es war, klafft jetzt eine Baugrube. Im Yaam gleich nebenan ist nichts los, die Stadt schläft noch und die Spree fließt gemächlich zwischen den Ufernmauern entlang.
Bald werden die Menschen zurück kehren auf die Plätze.