Der Görlitzer Park ist ein Ort, dem ich mich auf eine besondere, fast familiäre Art zugehörig fühle.
Ungezählte Sommer war er für mich das Herz der Luisenstadt, und noch immer zieht es mich hierher.
Viel seltener allerdings, denn es ist voll und anstrengend geworden.
Laue Nächte sind lauten Massen-Besäufnissen gewichen. Tempo statt Romantik.
Und doch ist der Görli ein besonderer Ort, weil es gelungen ist, Reste eines alten Bahnhofes zu erhalten, und das unwirtliche, schlauchartige Gelände in einen, wenn nicht schönen, so doch ungewöhnlichen Park zu integrieren.
Seine Geschichte:
Vor 150 Jahren schütteten Arbeiter tonnenweise Sand auf den Ackerboden des Köpenicker Feldes und verlegten anschließend Schienen.
Es entstand der Görlitzer Bahnhof, über den bis zum Mauerbau am 13. August 1961 der Personen- wie auch Güterverkehr mit den süd-östlichen Gebieten Brandenburgs und Sachsens abgewickelt wurde.
Danach war der Görlitzer Bahnhof nur noch vom nahegelegenen Güterbahnhof Treptow (im Ostteil der Stadt) zu erreichen.
Bis 1985 pendelten hier noch Güterzüge (über einen kleinen Grenzübergang an der Landwehrkanalbrücke) zu einer ansässigen Spedition, einem Schrottplatz und Kieslager.
Der Rest des Geländes wurde zum Niemandsland zwischen Ost und West.
Ungepflegt und unbeaufsichtigt verkam das 14 Hektar große Areal nach und nach zu einer Brache mit Autowracks, Chemieabfällen und anderem Großstadtmüll.
Nachdem die im Krieg beschädigten Gebäude abgerissen waren, wurde 1980 mit der Freiräumung begonnen, bis man im Grundwasser große Mengen Öl fand.
Eine Anwohner-Initiative hatte die sowohl die gewerbliche Bebauung des Geländes, als auch eine geplante Schnellstraße verhindert, und 1984 begann man, nach bodenverbessernden Maßnahmen, die Brache mit anspruchslosen, heimischen Gewächsen zu bepflanzen, Hügel aufzuschütten, einen kleinen See anzulegen, Spielgeräte aufzustellen, ein Fußballfeld zu schaffen und eine Wassertreppe zu bauen.
So entstand der Görlitzer Park, der zusammen mit Schlesischem Busch, Treptower Park, Königsheide und Plänterwald einen grünen Keil bildet, und ausgedehnte Spaziergänge von Kreuzberg nach Treptow erlaubt.
Vom ehemaligen Bahnhof sind heute nur zwei Güterschuppen übrig, in denen sich das Café Edelweiss und eine bunt beleuchtete Minigolfbahn befinden.
Außerdem existiert noch ein kurzes Gleisstück östlich der Kanalbrücke, sowie Reste des, inzwischen verschlossenen, 180m langen Fußgängertunnels (der „Harnröhre“). Die Mauer an der Längsseite des Parks, ist ebenso ein Relikt. Dort wo der Tunnel war, befindet sich heute die große Mulde, das Kernstück der Anlage.
Der Blick von hier Richtung Norden ist umwerfend: im Vordergrund die Skulptur „Schreitender Mensch“ von Rüdiger Preisler, dahinter die Emmaus-Kirche auf dem Lausitzer Platz, und in der Ferne der Ostberliner Fernsehturm.
Seit einigen Jahren gesellen sich zu den grillenden türkischen Großfamilien, den Kiezgrößen vom Trinkergewerbe, den Alteingesessenen, Hundebesitzern und den Dealern auch noch Unmengen an Karawanenfolgern, die den Park von März bis Ende September zu einem oktoberfestartigen Moloch werden lassen.
Im Herbst wird es dann wieder ruhig und vertraut hier. Mit Ende der Grillsaison reduziert sich auch der Müll erheblich.
Die Dealer bleiben. An Spitzentagen sind ein Dutzend Verkaufs-Offerten Teil des routinierten Vergnügens. Man kennt sich, ein kurzes Lächeln und Nicken genügen.Töle rangepfiffen, weiterspaziert.
Wenn der Görli erst einmal so aufgeräumt sein wird, dass süddeutsche Besserverdiener, selbstgestrickte und -gefilzte Prenzlmütter, erfolgreiche Kosmopoliten, aerodynamische Künstler und anders Arrivierte sich hier heimelig, sicher und sauber fühlen:
wenn die Händler weg bleiben, weil das Neue Berlin einschreitet, dann werden viele, die sich eben noch die Mieten hier leisten können, zusammen mit den Unerwünschten an den Stadtrand ziehen müssen, um das Feld ganz und gar dem Kleinen Adel zu überlassen.
Die Karawane wird weiter ziehen, und die zerstörerische Spur einer Nacktschnecke hinterlassen.