Als ich aus dem Haus trete, treffe ich auf den steinalten Mann, asiatische Gesichtszüge, kurzer Oberkörper, lange dünne Beine, eine Dose Tuborg-Bier in der Hand.
Die Ärmel seines leichten Bauwollhemdes lässig aufgekrempelt, gleitet er, ohne die Füße merklich zu heben, den Gehweg entlang in Richtung Platz. Es sind 34 Grad.
Morgen werde ich die Stadt verlassen.
Im Alpenstädtchen angekommen gehe ich zu Edeka Eyernschmalz.
Ganz gleich in welchem Abteilung ich mich umschaue, immer steht ein aisatisch aussehender älterer Mann mit tiefen Längsfurchen im schmalen Gesicht neben mir und wendet den Blick nicht von mir ab während seine Hand nach Waren greift. Unbesehen lässt er diese in den mitgeführten Baumwollbeutel gleiten, der doch immer leer zu bleiben scheint.
Nach unserer Begegnung am Seitenbacher-Regal (jenem Ort, an dem ich vor ein paar Jahren wegen Unterzuckerung beinahe ohnmächtig geworden wäre) breche ich den Einkauf ab und eile in Richtung Kasse.
Unten in der schmalen Lederergasse hängt ein papiernes ADAC-Fähnchen aus einem Toilettenfenster.
Wir fotografieren es und ich bemerke, wie eine Frau mit rosafarbenem Tirolerhut uns dabei zusieht. Als sie merkt, dass wir sie bemerkt haben, wendet sie sich ab und schießt ein paar wahllose Bilder von Garagentoren und Balkonen.
Hier nebenan praktiziert Gaby Schuldlos, sage ich jetzt zu Wilhelmine. Da dreht die Frau mit dem Tirolerhut und den asiatischen Gesichtszügen sich wieder zu mir um und lächelt.
(Die Geschichte von der Frau, die wir beim andächtig und von allen Seiten nur flüsternd kommentierten, goldsamtenen Sonnenuntergang am See treffen, die uns erzählt, den Motorradführerschein allein gemacht zu haben, weil ihre Hündin, mit der gleichen Frisur wie sie, so gerne im Beiwagen mitfährt und die uns zum Abschied herzlich zuwinkt, muss ebenso unerzählt bleiben wie die flüchtige Begegnung mit dem in die Jahre gekommenen Schlaks, der ein begehrliches Auge auf Wilhelmine geworfen hatte und zum Abschied mit einem Wheelie auf seinem grobstolligen Mountainbike grußlos an uns vorbeirauscht).
Später am Abend, es dunkelt schon, ziehen wir unseren neuen, im Dorf gefundenen, und freestyle zusammen gezimmerten Hundeanhänger (auch hier ist man inzwischen auf die Idee gekommen, nicht mehr benötigten Krempel mit einem Zu-verschenken-Schild zu versehen und vor das Haus zu stellen) an seiner langen Deichsel die steile Straße hoch, als ich kurz vor dem Bahnübergang ein metallenes Scheppern und anschließend Wilhelmines Stimme hinter mir höre. Alles ok, fragt sie, brauchen Sie Hilfe?
Keine Antwort.
Ohne mich umzudrehen stapfe ich, das müde Tölchen unter dem Arm, weiter. Kurz darauf schiebt die Frau mit dem Tirolerhut ihr weisses Fahrrad an mir vorbei, schaut das Tölchen an und sagt: Cute.
Dann steigt sie auf ihr Rad, schlingert beim Anfahren hin und her und verschwindet bald hinter der Kuppe beim Bahnübergang, die linke Hand mit dem Handy am Ohr.