(Tod und Trotz, oder Trotzdem tot)

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Von einem gefährlichen Druiden lese ich in der Zeitung und denke: Hallo, wo leben wir denn (wobei ich natürlich niemals Hallo! denke, geschweige denn es je in dieser Weise sage). Einen Absatz weiter geht es dann um die Reichsbürger. Auch das etwas, was ich einen längst ausgestandenen Wahn zugehörig wähnte. Das Reich mit seinen Bürgern. Sind das eigentlich Leute, die auch auf Mittelaltermärkte gehen oder Schlachten nachspielen, weil die Kostümierung sie größer oder besonders macht und weil früher sowieso alles besser war?
Atavistische Scheiße, sagst du (deine wüste Wortwahl der frühen Stunde geschuldet) und wir schauen uns ratlos an ob des Schleudergangs in den die Welt geraten ist oder scheint. Schein, Sein, empfinden und wissen, Fakten und Lüge, alles löst sich auf. Man weiss es nicht, man behauptet es nur. Mir schwindelt.

Auf der Kinderonkologie sterben mehr Kinder als üblicherweise, sagt die Psychologin, (streben schrieb ich zuerst, statt sterben und sah die kleinen Engelein schon gen Himmel aufsteigen ins güldene Licht, aber dann starben sie doch und wurden begraben unter nasser, schwerer Erde, wie morgen die arme G). Bereits am Jahresende, erzählt die Psychologin weiter, waren es so viele tote Kinder, dass selbst die Sterbehelfer es kaum mehr ertrugen.
Hoffentlich finden sie alle einen schönen Platz dort oben und erfrieren nicht vor geschlossenen Toren
, denke ich und der Himmel verdunkelt sich und ich mache das Licht an.

German Angst, so las ich kürzlich in einem  Interview mit einem Soziologen, is over, Geschichte sozusagen. Und Geschichte ist ja irgendwie alles, sogar ich. L´histoire c´est moi, könnte man sagen. Ich reite auf der Welle, die ich bin. Eine tödliche Schlammlawine ist Geschichte, sind wir, und ich sowieso. Over ist hier gar nix, es geht doch gerade erst richtig los.

Locker machen für die Hölle.

Der Kanzler ist voller Trauer. Erst starb die Schwester, jetzt die G.
Der kleine Junge möchte seiner toten Mutter die Wohnungsschlüssel in den Sarg legen, damit sie zurück kommen kann, nach Hause.

Jeden Tag geht die Welt unter, für so viele, und darüber stehen Mond und Sonne und Milliarden Sterne.

Die O2-Arena heisst jetzt Mercedes-Benz-Arena, aus Raider wurde Twix, aus Haider schließlich Wix und geändert hat das nix. Der Verkehr tost vorbei an dem architektonischen Halbrund, eine heulende Sirene nähert sich, ihre Klage hin und her geworfen zwischen den Mauerresten am Ufer und der gläsernen Arena, dolby surround und ich mittendrin und oben am bleigrauen Himmel ein Schwarm Krähen auf der Jagd nach einem jungen Täublein. Flieg um dein Leben, schnellschnell!, denke ich und schaue rasch weg, weil ich sie nicht sterben sehen kann, wie damals den Spatz auf dem Mauerstreifen, mitten im Flug von zwei Krähen zerrissen, gellend der Schrei, mit dem er diese Welt verließ. Den Ringfinger der linken Hand hätte ich für sein Leben gegeben, oder zwei Zehen oder ein Ohr, am liebsten etwas, was doppelt vorkommt in meiner Arche, oder was sonst geholfen hätte. Aber er hilft ja nichts, da kann man sich ausdenken und anbieten, was man will. Leben gegen Leben gegen Leben. Der Tod bleibt mein Feind und die Natur sein schamloser Handlanger.

Musik zum Text:

(youtube-Direktlink,  The Smashing Pumpkins, Bullet With Butterfly Wings)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: wikimedia, Repronegatief. Varanus komodoensis, ± 8 jaar en 5 weken,
Lizenz: CC BY-SA, 3.0

Glamouröse Ohrläppchen

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Vor dem Einschlafen schaue ich mir zur Beruhigung Filmaufnahmen von Gebäudesprengungen an. Am besten gefällt mir, wenn erst die Fassade eines Hauses einstürzt, der Kern aber noch einen Moment stehen bleibt, wie ein Geist, und dann mit Verzögerung zu Boden geht. Gut finde ich auch, wenn langgezogene, mehrstöckige Gebäuderiegel von links nach rechts, wie eine auslaufene Welle zusammenbrechen. Überhaupt ist es beeindruckend, dass man riesige Gebäude durch gezielte Sprengungen einfach so in sich zusammensacken lassen kann. Wie eine Wasserfontäne, der man den Hahn zudreht.

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In meinem Reader lese ich etwas über die Fruchtfliege, merke aber schnell, dass ich mich verlesen habe und von Flüchtlingen die Rede ist. Wenig später stoße ich auf einen Text über glamouröse Ohrläppchen und stelle mir sogleich barocke Klunker an schillernder Persönlichkeit mit Brokat und Spitze und so weiter vor. Zu meiner Enttäuschung  entdecke ich, dass in dem Beitrag von glamourösen Oberflächen die Rede ist und verliere augenblicklich das Interesse.

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Da Ordnung schaffen mir Struktur gibt und Struktur ein guter Seelenhalt ist, nehme ich mir heute endlich die übervolle Kiste mit Medikamenten vor, kippe beherzt den ganzen Plunder auf den Tisch, sortiere abgelaufene oder nicht benötigte Medikamente aus, trenne bei dem  Ausschuss Blister und Pappe voneinander, um das Zeug später abgeben zu können, und staune nicht schlecht, was ich alles an Drogen zutage fördere. Mittel gegen nie gehabte Malaisen,  wie z.B. Niereninsuffizienz, tauchen dabei genau so auf wie Valium, Valoron und Viagra. O làlà.
Auf einer Ampullenschachtel, die bereits seit 2008 abgelaufen ist, finde ich einen Aufkleber mit dem unglaublichen Preis von 758 € für 15 Einheiten. Gut die Hälfte der Fläschchen ist noch übrig,  nützt aber nix, das Mittel ist überfällig und ich habe gerade keinen Bedarf dafür, also weg damit.

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Die Nahrungsergänzungspillen und den homöopathischen Kram entsorge ich im Hausmüll, der unbrauchbare Rest geht später zurück in die Apotheke (die übrigens, wie man mir am Telefon mitteilt, nicht mehr verpflichtet ist das Zeug zurück zu nehmen, sich aber freundlicherweise trotzdem dazu bereit erklärt. Geht doch).

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Auf dem Weg zur Apotheke begegne ich den drei Jakobs, die von den Autodächern herab souverän den Gehweg überwachen. Abwartend beäugen sie den Hund und mich und fangen erst an sich zu beschweren, als wir schon ein paar Meter entfernt sind.
Nur Geduld, rufe ich ihnen über die Schulter hinweg zu, später!

Hat alles nicht gewirkt, sage ich, als ich kurz darauf der Apothekerin den prallvollen Beutel über den Tresen reiche. Wir lächeln beide müde.
Nach einem kurzen Abstecher zu Aldi will ich auf dem Heimweg mein Versprechen einlösen, doch die drei Freunde sind längst davon geflogen in Richtung Potsdamer Platz, wo sie am ehemaligen Mauerstreifen ihre Schlafbäume haben. Auf den Pflastersteinen vor mir finde ich statt ihrer einen Elfenring.
Die Nüsse für die Jakobs nehme ich mit nach Hause. Der Bekannte wird sich darüber freuen, wenn er morgen mit seinem Rollköfferchen anreist.

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1.Bild: CrazyBoyLP, AfE-Turm-Sprengung, youtube, screenshot, Ausschnitt

Adieu les belles choses

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Der Bierpinsel wird Denkmal

Familie ist Sorge

Das Leben geht weiter

Erst wenn der Meteorit ins eigene Haus einschlägt, nennen wir ihn Katastrophe. Davor Naturschauspiel.

Die Sonne scheint. Kein Trost für nichts.

Der Kanzler ist beim Kardiologen. Weil ihm das Herz weh tut. Wie sollte es nicht. Nichts mehr essen kann er und die Kanzlerfrau rennt im Hamsterrad der Beerdigungsvorbereitungen.
21 Monate nach Diagnose ist die Tochter gestorben und der kleine Junge steht am Totenbett seiner Mutter und fragt wann der Leichenwagen kommt.

Überall wo ich bin, ist sie nicht, sagt der Kanzler und weint.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: Bierpinsel, wikimedia
Lizenz: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40185

Totraum

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In der Apotheke frage ich nach einer 1 ml Spritze, mit der ich der Katze den Magenschutz einflößen kann. Zur Anschauung bringe ich eine bereits gebrauchte und inzwischen ziemlich zugerichtete Spritze mit. So eine hätte ich gerne wieder, sage ich.
Die Apothekerin nimmt die Spritze entgegen und betrachtet das kleine Wunderwerk von allen Seiten. Neugierig und mit hochgezogenen Augenbrauen sieht sie mich schließlich an und fragt: Wo haben Sie die denn her?
Ich weiss es nicht mehr. Vielleicht vom Tierarzt, irgendwann mal.
Sowas habe ich ja noch  n i e  gesehen!, behauptet die Apothekerin jetzt und beäugt das kleine Spritzchen wie ein schillerndes, exotisches Insekt.
Es fällt mir schwer, ihr das Erstaunen und den übertrieben aufgeregten Tonfall abzunehmen und ich frage mich, ob sie entweder schon am frühen Morgen einen im Kahn hat, oder ob sie gerade für den ersten großen Auftritt ihrer Laiendarstellergruppe übt.
Könnten Sie bitte nachschauen, ob irgendwer solche Spritzen führt, übergehe ich ihre miserable Darbietung.
Das kann sie. Geschwind und mit hochkonzentriertem Blick tippt sie etwas in die Tastatur ihres Computers und wird wider Erwarten nach kurzer Zeit fündig.
Hier haben wir´s, sagt sie, und fügt, als ich mich gerade freuen will, erhältlich nur in einem Gebinde von 800 Stück, dazu.
Ich hatte eher so an maximal 5 Stück gedacht, sage ich zögernd.
Schulterzuckend und kopfschüttelnd zugleich (doppelte entschiedene Verneinung darstellend), gibt sie mir zu verstehen, dass sie meinen Wunsch nicht erfüllen kann.
800 Stück, wiederholt sie, eine kleinere Verpackungseinheit gibt es nicht.
Jetzt ist es an mir, den Kopf zu schütteln und mit den Schultern zu zucken (kann man nix machen darstellend). Als ich damit fertig bin, verlasse ich mit einem kurzen Gruß die Apotheke, die kleine, kostbare Spritze liegt in meiner Hand.
Das glaubst Du ja wohl selbst nicht. 800 Stück als kleinste Packungsgröße. Pfft. Was ist das überhaupt für eine Mengeneinheit, das ist ja noch bescheuerter, als 1,46 Liter Waschmittel oder als der haarscharf kalkulierte Immobilienpreis von 525,326 € für 4 Zimmer. Alles muss immer irgendwie schwierig sein.
So, oder so ähnlich murmele ich vor mich hin, den Blick fest auf den Boden geheftet, um in dieser Gemütslage bloß niemanden sehen, und im blödesten Fall auch noch grüßen zu müssen.
Als ich durchgefroren Zuhause ankomme, mache ich mir zur Stärkung einen Cappuccino und setze mich damit an den Rechner. In das Suchfeld gebe ich alsdann: Spritze, 1 ml, Stift ein. Und  –  palim palim –   gleich der vierte Eintrag zeigt mir meine superungewöhnliche, nie-zuvor-dagewesene Rarität, die der Händler in Packungsgrößen zwischen 10 und 200 Stück anbietet. Als ich dann noch die Produktbeschreibung durchlese, lacht mein eben noch grambeladenes Herz aus vollem Herzen (doppelte Tautologie :/) auf, und ganz besonders erfreue ich mich an einer Formulierung, von der ich augenblicklich weiss, dass sie mich bis auf mein (1,97 m x  1,53 m großes) Sterbebett begleiten wird:

  •  mit Spardorn ohne Totraum

steht dort.

 

 

 

 

 

 

Bildrechte: weeß ick nich, screenshot irgendwo

Morgenrituale

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Morgens zanken der Bekannte und ich öfter mal, wobei zanken eigentlich übertrieben ist. Wir maulen uns an. Das liegt daran, dass der Bekannte das ist, was man einen Morgenmuffel nennt. Sobald er sich aus dem Bett erhebt, hat er schlechte Laune. Aus dem Stand quasi. Dann torkelt er schlaftrunken durch das vollkommen abgedunkelte Zimmer, tastet nach seiner Hose und sagt: Scheiße. Einfach so.
Hauptsache erstmal Scheiße gesagt, sage ich dann und mein Herz klopft schnell ob des rüden Weckerlebnisses. Wenn mein Bekannter dann noch irgendetwas Freches entgegnet, und das tut er fast immer, überfauche ich ihn einfach, wie ein angriffslustiger Schwan: Schhhhhhh! Das ärgert dann wieder meinen Bekannten so sehr, dass er erst richtig ins Meckern kommt und schon haben wir den schönsten Krach. Eine Minute lang. Bis nämlich einer von uns beiden sagt: Lass mich in Ruhe, und der andere sagt: Sehr gerne, das musst du mir nicht zwei Mal sagen, ich kann dich auch ganz und gar in Ruhe lassen, kein Problem.
Daraufhin gibt es erstmal eine Gefechtspause, der Bekannte stapft übellaunig in die Küche und klappert dort extra laut herum, während ich innerlich vor mich hinzetere. Zu meiner seelischen Entlastung stelle ich mir dann gerne vor wie ich ihm gleich in die Küche folgen und ihm dort gegen das Schienbein treten werde. Der Gedanke erheitert mich und bessert meine Laune derart, dass ich aufstehen und mich zu ihm gesellen kann, ohne die nächste Eskalationsstufe einläuten zu müssen.

In der Küche sitzen wir zwei dann ostentativ missmutig nebeneinander am Tisch, vermeiden Blickkontakt und trinken schweigend Kaffee. Sobald der Bekannte endlich den ersten Liter davon intus und (vor der Türe) eine Morgenzigarette geraucht hat, bessert sich auch seine Laune. An manchen Tagen schlägt sie sogar beinahe in Euphorie um, er wird fröhlich und mitunter fast schon redselig. Meist erzählt er mir dann vom Wetter, dessen Verlauf er stets genau im Blick hat. In der halben Stunde des Schweigens hat mein Bekannter sich außerdem via Internet über die aktuellsten Geschehnisse kundig gemacht und gibt mir nun einen kurzen Abriss seines neu erworbenen Wissens. Die schönsten Tage sind die, an denen er sagt: Nix passiert in der Welt. Dann atmen wir beide auf und freuen uns.
Nach dem morgendlichen Nachrichtenrapport drängt es den Bekannten alsbald ins Bad, wo er seit Jahr und Tag vorgibt kalt zu duschen. Das ist natürlich Unsinn, denn auch wenn er jedes Mal nach dem Duschen die Mischbatterie wieder auf blau stellt, glaube ich ihm kein Wort. Wer so wetterfühlig und derart gebeutelt ist von den Berliner Wintern wird sich gewiss nicht auch noch freiwillig eiskalt abbrausen. Doch die Ausdauer und die Konsequenz, mit der er seine Täuschungsversuche betreibt, rühren mich. Tatsächlich hat er nicht ein einziges Mal, in all der Zeit, vergessen die Mischbatterie zu manipulieren und immer wieder erzählt er mir, wie wahnsinnig erfrischend so eine kalte Dusche am Morgen sei. Ohne würde er überhaupt nicht richtig wach werden. Ich könnte das gar nicht aushalten, ich würde glatt erfrieren,  sage ich dann anerkennend.
Kürzlich allerdings hat sich mein Bekannter dann doch mal ein bisschen verplappert, als er nämlich völlig selbstvergessen erzählte, welchen Trick er anwendet, damit der Spiegel in dem fensterlosen Bad beim Duschen nicht beschlägt.
Aha, dachte ich, der Spiegel beschlägt also beim Kaltduschen?
Gesagt habe ich aber nichts. Das hebe ich mir für morgens, nach dem Aufstehen auf.

Heute ist er abgereist, der Bekannte, mit Rollkoffer, schniefender Nase und Fieber.
Leider bin ich jetzt ein bisschen traurig. Und das nicht nur, weil ich niemanden mehr zum Streiten habe.

 

 

 

 

 

 

Bild: Lock yourself in the bathroom, Jens Cramer, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Ein Tag mit dem Bekannten

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Im Vordergrund: verräterische Tüte; im Hintergrund: Mitsouko

Heute fuhren der Bekannte und ich mit Tölchen zum Potsdamer Platz, wo ich in den Arkaden auf die Schnelle einen BH kaufte. Gleiches Modell, gleiche Größe wie (fast) immer. Danach rutschten und schlitterten wir gemeinsam durch den nahegelegenen Tiergarten, der in weißer Ruhe beinahe menschenleer dalag. Nicht einmal Radfahrer waren unterwegs und so konnte Töle hakenschlagend und schnaubend ihre Runden drehen, während wir über die Kälte jammerten und über den eiskalten Wind und dabei die Nasen hochzogen und froh miteinander waren. Ein fahles Grün, wie ein allerletzter Rest des Sommers,  glomm auf den kahlen Zweigen der Sträucher, hier und da schimmerte ein wenig rostrote Rinde hervor. In der Abwesenheit aller Farben und allen Lärms strahlte friedlich und weiß der Park. Ein kleines Glück, und wir mittendrin.

Auf dem Rückweg holte ich mir einen Cappuccino, besorgte bei Lindner unser Abendessen und anschließend setzten wir uns zum Aufwärmen in das Einkaufszentrum. Seit die Mall of Berlin schräg gegenüber ihre Pforten geöffnet hat, ist es ruhig geworden hier. Das jugendliche Publikum lungert inzwischen lieber drüben rum, wo es die richtigen Marken gibt, und die Arkaden gehören nun den Rentnern, die mit ihren Enkeln unterwegs sind. Eigens für diese Klientel wurde ein Lehrpfad in Form von gleißend erleuchteten Terrarien eingerichtet, in denen Bartagamen, Skorpione, Spinnen, Schlangen, Salamander usw. ausgestellt werden. Neben jeder Glaskiste steht eine Tafel, auf der die wesentlichen Merkmale und Besonderheiten der Tiere zusammen gefasst sind. Ich kann mir kaum etwas tristeres, verloreneres vorstellen, als Tiere hinter Glas in Einkaufszentren.

Um die schöne Stimmung des Nachmittags zu retten, und weil die Riesenvogelspinne beunruhigenderweise nicht in ihrem Terrarium sitzt, obwohl sie das sollte, dränge ich zum Aufbruch.
Der Bekannte macht noch einen Abstecher in die Bibliothek. Ich fahre unterdessen nach Hause. Vor der Haustür begegnet mir der Nachbar mit den großen blauen Augen. Hey, spricht er mich an, hast du neulich dein Paket noch bekommen? Der Bote wollte es einfach vor deiner Türe abstellen.
Ja, ist angekommen
, sage ich und sehe, wie der Blauäugige auf meine Tüte starrt, die ich mit beiden Händen vor dem Oberkörper trage. Kurz überlege ich, ob ich ihm auch gleich noch den BH zeigen soll, der in der Tüte steckt, verwerfe den Gedanken aber sogleich und verabschiede mich. Er lächelt überfreundlich.

Zuhause sauge und wische ich und als der Bekannte zurück kommt essen wir zusammen. Zum Nachtisch gibt es Schokokuchen, gebacken aus Mandelmehl.

 

(So schlicht und schön geht´s mitunter zu im Hause tikerscherk)

Einschlafen, aufwachen

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Obama hat Chelsea Manning begnadigt, lese ich dir vor, als wir schon m Bett liegen. Wir sind beide erstmal sprachlos. Was für eine schöne Überraschung. Lange hätte sie bestimmt nicht mehr durchgehalten.

Man wird Obama vermissen, sagst Du. Ein besonders starker Präsident war er ja nicht. Aber wenn man das Vorher und das Nachher bedenkt. Relativ halt.

Chelsea Manning kommt frei. Das ist mal eine gute Meldung.

Und was passiert jetzt mit Assange? Der hatte sich doch zum Tausch angeboten.
Ist der eigentlich paranoid oder hat er tatsächlich etwas von den USA zu befürchten? Und wenn ja was? Was würde ihn in Schweden erwarten? Und ist es klug sein Leben auf unbestimmte Zeit in einer Botschaft zu verbringen, bloß um nicht anderswo eingesperrt zu werden.
So reden wir und spekulieren und während wir plaudern, wird erst Deine Zunge schwer und dann meine und wir schlafen ein. Wahrscheinlich mitten im Satz. Chelsea Manning kommt frei, denke ich noch, während mein Boot schon übersetzt.

Beim Erwachen sieht die Welt dann wieder aus wie man sie kennt. Harte Schatten.
Holm wurde abgesägt, hier wie dort.
Witzfiguren wie Don Alphonso fahren mit teuren Autos und Filzhut um den See, um den See und haben Meinungen.
Die Grünen treten mit Özdemir und Göring-E. an.
Die AfD will den totalen Sieg.

Was soll man sagen.

Ich esse jetzt Nüsse. Das wärmt und macht fett und lenkt das Bewusstsein auf andere Problemzonen.

Guten Abend.

 

 

 

 

 

Bild: Marc Nadal, Ciudadanos, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/