
Der Unterfranke sammelt gerne und viel und er liebt die Ordnung. Im Prinzip. Heimisch wird sie bei so vielen Fundstücken allerdings nur schwer und da er nichts wegwerfen möchte, beschließt er einen Ebay-Account einzurichten und dort das ein oder andere zu verkaufen. Anfangen will er, versuchsweise, mit einem kleinen Schlumpf. Einem, den er doppelt, wahrscheinlich sogar drei-, möglicherweise auch vierfach besitzt, obwohl er nie vorhatte sowas zu sammeln. Es hat sich einfach so ergeben. Die Dinge liegen am Straßenrand und bitten regelrecht darum mitgenommen zu werden. Der Unterfranke hat ein großes Herz und gibt ihnen allen ein Zuhause. Dafür opfert er in seiner 3-Zimmer-Wohnung in bester Lage auch gerne einen ganzen Raum, der bis unter die Decke voll ist mit seinen Schutzbefohlenen. So voll, dass man nicht einmal eine Pritsche für einen Übernachtungsgast aufstellen könnte. Selbst sein braver Hund hat Mühe, sich zwischen all den Schätzen hindurch zu schlängeln, wenn er das Zimmer durchqueren will. Wer sich nicht zu dem Unterfranken ins Bett legen möchte, der kann leider nicht bleiben, falls er den letzten Bus verpasst hat und zu müde oder zu breit zum Laufen ist, denn in dem dritten Wohnraum stehen das Motorrad und jede Menge Werkzeug und Ersatzteile. Wer trotzdem bleibt, bekommt am nächsten Morgen einen starken Kaffee und kann diesen mit Blick auf Spree und Treptower Park genießen. Darüber hinaus kann der Besuch sich an dem Schwarz-weiß-Photo eines überaus wohlgeformten weiblichen Gesäßes in Netzstrumpfhosen erfreuen, der durch die knapp neben der Pofalte verlaufende Naht besonders raffiniert in Szene gesetzt ist.
Ein weiterer Blickfang sind der kleine Birnbaum, der aus einem alten Toaster herauswächst und der Apfelbaum, der aus einem Wasserkessel sprießt, den der Unterfranke gefunden hat.
Einmal hat der Unterfranke Flohmarkt gemacht. Das ist schon lange her. Unter anderem hat er damals ein Skelett verkauft, ein richtig teures, wie es zur Physiotherapieausbildung verwendet wird. Bis heute bedauert er, sich von einem solchen Prachtstück getrennt zu haben. Besser erstmal gar nichts weggeben, das wird ja alles immer wertvoller, Tag für Tag, und irgendwann braucht man dringend Geld und hat längst alles versilbert. Höchstens den Schlumpf könnte man mal verkaufen, bei Ebay. Sind ja noch 2 bis 3 gleiche übrig, falls sich auch hier der Wert überraschend steigern sollte, oder der Notfall eintritt.
Möööööööp
Ein Verkauf bei Ebay will gut vorbereitet sein, damit man sich hinterher nicht mit schlechten Bewertungen herumschlagen muss. Zuerst mal braucht man natürlich dringend gute Fotos und dafür wartet man am besten auf das richtige Licht. Im Winter wird das also nichts, verschieben wir es auf den Frühling. Der Unterfranke hat keine Eile, der Schlumpf sowieso nicht, er fühlt sich wohl unter seinesgleichen und in der Obhut seines Finders.
An einem Mittag im Frühjahr liegt der Unterfranke auf dem Bett, in der einen Hand den Schlumpf, über dessen Mütze er selbstvergessen mit dem Daumen streichelt, in der anderen ein Buch, und auf seinem Brustkorb die Tigerkatze.
– Wolltest du den Schlumpf nicht verkaufen?, frage ich ihn.
– Sicher.
– Wollen wir mal Fotos machen?
– Sicher.
– Wann denn?
– Sicher.
– Hörst du mir zu?
– Sicher.
So wird das nichts. Ich hole die Kamera und schieße ein paar Bilder von den Dreien.
Zu meiner Überraschung packt den Unterfranken, kaum, dass er die Fotos sieht, die Kaufmannslust. Mit frischem Mut legt er sein Buch beiseite, schält sich aus dem Bett, holt den Laptop aus dem Regal und öffnet die Ebay-Seite.
– Wie soll ich mich denn nennen?, fragt er mich in euphorischer Stimmung.
– Wie wär´s mit Unterfranke?
– Ne. Was hälst du von Schrauber?
– Auch gut.
– Oder vielleicht Stier, mein Sternzeichen.
– Ja.
– Ich glaube aber nicht an Astrologie.
– Macht ja nix, ist ja nur ein Name.
– Wieso nur. Das bin ja auch ich, und am Ende denkt noch jemand ich wäre ein Bulle.
– Wieso das denn?
– Wegen Stier.
– Ist doch egal, was irgendwer, den du nicht kennst, von dir bzw deinem Namen denkt.
– Mit Bullen will aber keiner Geschäfte machen. Das riecht nach Ärger. Ich hab´s, ich nenne mich Husaberg.
– Super.
– Das sagst du nur damit ich mich beeile.
– Damit du dich wenigstens mal anmeldest.
– Also gut, dann Husar.
– Dufte.
– Husar?
– Ja!
Die weitere Anmeldung verläuft komplikationslos und nach 10 Minuten steht der kleine Plastikschlumpf, zusammen mit der Tigerkatze und der Hand des Unterfranken online.
Die Auktion läuft 12 Tage und an jedem einzelnen schaut der Unterfranke mindestens 3 mal nach ob schon jemand auf den Schlumpf geboten hat. Fehlanzeige. Niemand interessiert sich für den kleinen Kerl.
Am letzten Tag der Auktion liegen wir zusammen auf dem Bett und gucken eine DVD.
Wenn niemand den Schlumpf ersteigert und diese Auktion der Testlauf ist, um endlich die Wohnung zu entrümpeln, denke ich, dann wird der Unterfranke nie wieder versuchen etwas bei Ebay zu versteigern und irgendwann unter all den Fundsachen verschütt gehen.
Unter einem Vorwand verabschiede ich mich ins Nebenzimmer, eröffne auf die Schnelle einen Ebay-Account unter einem Phantasienamen, und ersteigere den Schlumpf in letzter Minute. Er wird sich so freuen!
Nach dem Film geht der Unterfranke an den Computer. Kurz darauf höre ich einen Schrei von nebenan.
– Aaaaargghhh! Das gibt’s doch nicht!
– Was denn, frage ich scheinheilig.
– Der Schlumpf ist verkauft. Sauerei!
– Wieso Sauerei?
– Den kauft doch keiner, jetzt kauft den doch einer! Das gibt’s doch nicht!
– Aber du hast doch noch drei davon!
– Na und. Aber dieser hier ist trotzdem einmalig.
– Ich dachte du wolltest ihn loswerden.
– Aber doch nicht für einen Euro!
– Dann hättest du ein Mindestgebot verlangen müssen.
– Scheiße, echt! Ich verkauf nix mehr. Immer wird man über den Tisch gezogen.
– Guck mal, wer ihn gekauft hat, schlage ich vor, vielleicht lässt sich mit dem demjenigen verhandeln. Du schickst ihm oder ihr einfach `ne Mail und sagst Du hast dich geirrt.
– Dann gibt das Arschloch mir eine schlechte Bewertung.
– Versuchs doch mal.
– Ich hasse den jetzt schon. Ist bestimmt ein Arztsohn.
Tatsächlich schickt der Unterfranke mir noch am gleichen Abend eine zerknirschte Mail, mit der Bitte den Kauf rückgängig zu machen.
Später liegen wir zusammen im Bett, zwischen uns die Katze und der Schlumpf.
Es war eine bescheuerte Idee den Schlumpf bei Ebay einzustellen, sagt der Unterfranke und ich kann hören, wie schwer ihm um´s Herz ist.
Vielleicht wird doch noch alles gut, flüstere ich und streiche dem kleinen blauen Kerl über seine Mütze.