Bakunins Kugel

Heute musste ich entdecken, dass die Katzen Michail Alexandrowitschs Schneekugel herunter geworfen und dabei schwer beschädigt haben.

Bakunin sitzt jetzt auf dem Trockenen.

Ein Riss von links oben nach rechts unten geht quer über die Plexiglaskuppel.

SAMSUNGSAMSUNGSAMSUNGSAMSUNG

Ein Beweis für die Nicht-Existenz Gottes*, dessen Tod**, oder die Notwendigkeit ihn zu beseitigen***?

 

SAMSUNG

Ein Beweis dafür, dass Katzen Anarchisten sind.****

SAMSUNG

*„I cannot persuade myself that a beneficent & omnipotent God would have designedly created the Ichneumonidae with the express intention of their feeding within the living bodies of caterpillars, or that a cat should play with mice.“  Charles Darwin

**„Gott ist tot.“ Friedrich Nietzsche

**„Wenn Gott existiert, ist der Mensch ein Sklave; der Mensch kann und soll aber frei sein: folglich existiert Gott nicht.“ Michail Alexandrowitsch Bakunin

***„Wenn Gott wirklich existierte, müsste man ihn beseitigen.“  Michail Alexandrowitsch Bakunin

****„Die Lust der Zerstörung ist zugleich eine schaffende Lust!“ Michail Alexandrowitsch Bakunin

Kneipen mit Vintagemöbeln

24 - Valente, Caterina -  Popocatepetl Twist -...

24 – Valente, Caterina – Popocatepetl Twist – D – 1962 (Photo credit: Affendaddy)

In den Fotoalben meiner Eltern sind sie alle zu sehen.  Die gesamte Verwandtschaft. In schmalen Anzügen, lässigen Sakkos, spitzen Schuhen, Etuikleidern oder Petticoats, mit Bienenkorbfrisuren oder Pomade.
Coole Socken, Rock-a-Billy.

Von wegen.

Jedes bürgerliche Muttchen hatte eine Schmetterlingsbrille auf und trug dazu enge Kostüme mit Spitzbrust-BH. Vatti trug drunter ebenso Feinripp, wie der Dad von heute.

Man nippte seine Getränke an einem Nierentischchen, beschienen von Tütenlampen und beschallt von Rock´n`Roll, Catarina Valente oder Bill Ramsey. Peter Kraus war der deutsche Elvis.
Man wählte CDU, denn einen Führer gab es nicht mehr, und in der heimischen Stube spielten sich die gleichen Dramen ab, die sich auch heute im lichten Ikea-Haushalt vollziehen.
Da rollten noch Franken, Dollar, D-Mark und Peseten.

Schön war die Zeit.

Junge kosmopolitische und asien-erfahrene Töchter und Söhne, vor oder nach dem Coming-Out als Lohnsteuerkarteninhaber, huldigen ihr heute gerne in Souterrain-Retromöbel-Kneipen, und drücken ihr dabei einen ganz individuellen, modernen und witzigen Stempel auf.
Ist das
awesome hier! Da wird ja der Fuchs in der Elster verrückt!
Hier in Kreuzkölln mit seinem
Now Kölln Flow Market und den vielen kleinen fancy Galerien.
Androgyne Looks von
close, kombiniert mit Schnäppchen vom Mauerpark-Trödel. Dazu auch Selbstgebasteltes mit Rohstoffen vom Design-Kaufhaus Modulor am Moritzplatz. Im Gesicht ein Horngestell, das Modeschmucklädchen, wie Brigitte Bijou inzwischen als „Nerd-Brille“ verkaufen.
Drunter ultra-gepamperte BHs, die wie Implantate aussehen, weil Brustwarzen auch heute wieder ein No-Go sind, ebenso wie jedwede Körperbehaarung, ausgenommen der allgegenwärtige Jim-Morrisson-Bart.
Und der Soundtrack dazu läuft über das technisch ganz einfach nicht zu toppende
IPhone.

Ich muss an  „Vicky, Cristina, Barcelona“  von Woody Allen denken.

Ist das nicht einfach die Aufschrift auf dem Rücken eines akribisch bebilderten Selbsterfassungs-Fotoalbums, das man vorsorglich anlegt, damit die Kinder und Enkel später einmal sehen können, was man für eine coole Nummer war, ehe man sich den Gesetzen des Marktes beugen musste um Familie und Eigentum zu sichern?

Facebook bietet die Möglichkeit, das Ganze auch einer weltweiten prospektiven Fangemeinde zu präsentieren.

Aber es kommt noch toller. Man kann alles auf einmal haben: sowohl in einer der unzähligen Retromöbel-Kneipen sitzen, als auch mit der Welt da draußen in Kontakt bleiben;
ihr zeigen, wie lustig man es da auf dem Sofa der Großeltern im unverputzten Kellerraum hat,
-und an seiner Biografie von morgen arbeiten.

Cheers!

Ameise

Ein Flugzeug der Air Berlin in Stuttgart

Vor einigen Jahren flog ich von Barcelona zurück nach Hause.
Es war November und in Berlin wurde ich auf einer Geburtstagsfeier erwartet.
Während des gesamten Rückfluges versuchte ich mit Telekinese, mit Stoßgebeten, mit meinem ganzen Willen und meinem zerstörerischen Kummer das Flugzeug zum Abstürzen zu bringen.
Ich hoffte inständig dass es wie ein Stein nach unten fallen und dann am Boden zerschellen würde. Keine Überlebenden.
Trotz eines Herbststurmes landeten wir unversehrt in Tegel.
Der große seelenlose Vogel entließ uns Passagiere starr und unbeteiligt in unser trauriges Leben.
Wie aufgezogen bewegte ich mich durch die Stadt. Benommen, die Mimik eingefroren.
Als ich endlich dort ankam, war die Party bereits in vollem Gange.
Ich schlüpfte in eine fremde, leichtere Haut, die ich merkwürdigerweise für diesen Anlass überstreifen konnte. Unter dieser Plane, führte ich unbeschwerte Gespräche, war eloquent, lachte und trank viel.
Später, in meiner Wohnung, schlug das ganze Elend über mir zusammen.
Tagelang vermied ich es meine Reisetasche auszupacken, aus Furcht, dem vertrauten Geruch zu begegnen, den ich nie wieder einatmen würde.
In den nächsten Wochen ging ich nicht an den Briefkasten, schaltete Anrufbeantworter und Mailbox ab, checkte keine Mails und stellte das Telefon stumm.
Wenn ich nach Hause kam und das Mobilteil der Telefonanlage blinkte, klopfte mein Herz bis zum Hals. Mit geschlossenen Augen löschte ich die Anruferliste. Sms entfernte ich ungelesen.
Um auf andere Gedanken zu kommen, buchte ich eine Reise nach Ägypten. Tauchen.
Die Hotelanlage bestand aus vielen Bungalows, die in Fußnähe zum Strand mitten in den Sand gebaut waren. Man hatte Erde aufgeschüttet und eine blühende Oase in der Wüste geschaffen.
Jeden Abend um Punkt 18 h kamen Männer mit weissen Raumfahreranzügen und Tank auf dem Rücken und besprühten die Pflanzen mit Unmengen an Insektiziden. Ich schaute hinter der geschlossenen Terrassentür zu, wie sie mit steifen Schritten durch den tödlichen Nebel stapften. Bis ins Zimmer konnte man das Gift riechen, und ich hatte das Gefühl, dass es augenblicklich tief in meine Haut eindrang und im Inneren schwerwiegende, ireversible Schäden anrichtete.
Eines Abends im Bad, hörte ich die Männer, die im Hotel arbeiteten, streiten. Es klang gefährlich und hasserfüllt, so wie arabisch für meine Ohren oft aggressiv klingt, auch wenn die Sprechenden sich einen schönen Tag wünschen. Beunruhigt stieg ich in die Wanne, als ich eine Ameise entdeckte. Sie war fast durchscheinend, fadendünn, verformt und bewegte sich auf 3 Beinen, strauchelnd wie eine Sterbende, langsam über die Bodenfliesen.
Wie hatte sie es geschafft das Gift zu überleben und in mein Zimmer zu gelangen, oder war sie hier geboren?
Ihr Anblick machte mich traurig.
In der folgenden Nacht bekam ich Schüttelfrost und hohes Fieber, so dass ich den Rest der Reise mit Grippe im Bett lag. Ab und zu schaute ein Arzt nach mir.
Während des gesamten Aufenthaltes habe ich nicht eine einheimische Frau gesehen. Weder am Flughafen, noch im Hotel, ja nicht einmal bei der Fahrt mit dem Shuttlebus. Selbst die Handtuchschwäne auf dem Bett waren von Männerhänden gefaltet worden.
Auch der Rückflug an Silvester verlief komplikationslos. Kein Triebwerkschaden, kein Feuer, kein Absturz.
Die nächsten Monate verbrachte ich in einem Zustand der Abwesenheit. Alles war unwirklich, ich am allermeisten. Einsamer hatte ich mich nie gefühlt.
Noch oft dachte ich an die Ameise.
Irgendwann fing ich wieder an meine Mails zu lesen und das Telefon laut zu stellen.
Ich brauchte niemanden mehr, der den Briefkasten leerte und die Post für mich vorsortierte.
Eingehende oder ausbleibende Briefe erschütterten mich nicht länger.
Eines Morgens erwachte ich und der Spuk war vorbei.
Fünf Jahre später schlossen wir nachts auf einer Baustelle in Barcelona einen Bagger kurz und schaufelten Schutt beiseite.
Bis die Polizei kam und wir das Weite suchten.

Bagger

Bagger (Photo credit: Nico Kaiser

3 Farben Kreuzberg

Beim Verlassen des Hauses werfe ich einen Blick auf den Mariannenplatz. Unter grauem Winterhimmel erhebt sich dort das ehemalige Bethanien-Krankenhaus mit seinen beiden spitzen Türmen. Alte Platanen strecken ihre kahlen, gefleckten Äste in die nebligkalte Luft. Der Platz ist öd und leer. Keine Menschenseele unterwegs. Nicht einmal die Hunde von der Wagenburg.

Berlin-kreuzberg bethanien 20050420 p1020601

Mich schaudert. Ich stelle den Kragen hoch, wende mich ab und nehme mit Töle zügig Kurs Richtung Görlitzer Bahnhof.
Es ist 7 Tage vor Weihnachten. Ich bin planlos, ziellos, angespannt.
Wir gehen durch die Manteuffelstraße (mandevil). Rechterhand ein Block 80er-Jahre- Neubauten. Gesichtslos, düster, drückend.
Auf der Ecke zur Skalitzer Straße verursacht die vorgelagerte und eingezäunte Terrasse des Que Pasa einen Fußgängerstau auf dem Gehweg.
Früher befand sich in den gleichen Räumlichkeiten die
Linie 1. Ein verranzter Schuppen aus dessen klappernden Belüftungslamellen es stets nach altem Frittierfett, jauchigem Bier und kaltem Rauch stank und der nach einer Schießerei mit Todesfolge schließen musste.
Unser Weg führt, unter der taubenverdreckten Hochbahn an den hoffnungslosen Junkies und Alkis vorbei, die dort am Treppenaufgang herumlungern und sich gegenseitig anpöbeln oder versuchen den hastenden Passanten entwertete U-Bahntickets anzudrehen.
Jetzt sind wir auf der Wiener Straße. Töle hat verstanden. Direkt neben dem öden Hannibal hat anstelle des erfolglosen kleinen Reisebüros ein neuer, neonheller Imbiß eröffnet. Zum einfacheren Verständnis, und um erst gar keine Gemütlichkeit aufkommen zu lassen, zeigt eine Leuchttafel hinter dem Tresen aus Glas und Chrom, Abbildungen der dort erhältlichen veganen und vegetarischen Leibspeisen an. Auf dem Gehweg, zur Fahrbahn hin, befindet sich ein lang gezogenes, nacktes Beet. Früher wuchsen hier ein paar der üblichen zähen, stadtresistenten Sträucher und Koniferen. Ob sie an der Hundepisse, oder dem Lärm der ausfahrenden Leiterwagen von der Feuerwache nebenan zugrunde gegangen sind?
Mein Blick bleibt an einem seidigschimmernden, braunen Brokatkissen hängen, das dort plüschigprall auf der dunkelbraunen, nassen Erde liegt. Inmitten von großen, sich zersetzenden Hundehaufen. Ich bleibe stehen. Wenige Meter weiter befindet sich die Feuerwache aus den 70er Jahren, deren Außenfassade ebenso in braun gehalten ist. Und natürlich kommt mir Heino, mit seinem Lied der Deutschen in den Sinn:
„Schwarz-braun ist die Haselnuss“
Schwarz-braun bin auch ich.“ Was soll das bloß heißen? Geht es nicht weiter mit: „Schwarz-braun muss mein Mädel sein, gerade so wie ich“?
Ist das die Hymne zum Kameradentreffen?

Töle wittert den nahe gelegenen Park und drängt, derweil ich versuche das Volks-Lied wieder aus dem Kopf zu bekommen. Wieso fressen sich Textzeilen von besonders schlimmen Musikstücken, säureartig für immer, und immer tiefer ins Gehirn, um sich dann in einer Endlosschleife abzuspulen, sobald versehentlich der Auslöseknopf gedrückt wurde?
Mir gruselt vor meiner eigenen zukünftigen Demenz, wenn ich nur noch in Lage sein werde die Belanglosigkeiten aus dem Langzeitspeicher (Säurekammer) meines Hirnstüberls abzurufen, und damit meinen Lieben viel Scham und Verdruß zu bereiten. Um die unwillkommenen Phrasen loszuwerden, muss man ganz ähnlich wie bei Schluckauf vorgehen: mit konzentriertem inneren Tunnelblick entschlossen an etwas anderes denken.
Dieses Mal gelingt es und führt zu einer weiteren Textzeile, die mich bis in die Nacht verfolgen wird:

 „.. and though you hate this song. you’ll be humming it for weeks…“ *

Durch einen der Seiteneingänge zur Wiener Straße betreten wir jetzt lustlos den Park.
Im vergangenen Jahr wurde ein Teil der alten Wege asphaltiert. Dort wo noch ein Erde-Sand-Gemisch und Kopfsteinpflaster den Grund bedecken, haben sich tiefe, matschig- graubraune Pfützen gebildet, die die Passage unbenutzbar machen.
Im Slalom geht es über die lehmigen Rasenreste Richtung Senke. Ein grau-gestromter Windhund-Mischling kommt uns entgegen. Die beiden Hunde begrüßen sich mit Spielverbeugung, jagen über den abschüssigen Rasen, verlieren dann aber schnell das Interesse und wir setzen unseren Weg Richtung Treptow fort. Weiter durch den Park, auf der Trasse des alten Eisenbahndamms.
Es dämmert und die Temperatur zieht deutlich an, so dass ich davon absehe einen Abstecher ins freudlose Treptower Parkcenter zu machen. Es will einfach keine Stimmung aufkommen, an einem der kürzesten Tage des Jahres. Wir kehren um und marschieren schnellen Schrittes zurück.
Das Hühnerhaus am Ausgang zum Lausitzer Platz ist schon von weitem zu riechen. Wegen der herumliegenden Knochenreste muss Töle an die Leine.
Der penetrante, süßlich-würzige Geruch der goldbraunen Broiler lockt Mensch und Tier.  Ja, selbst die Kreuzberger Polizei kann dem nicht widerstehen und hält mit Mannschaftswagenverkehrswidrig in zweiter Reihe. Weil der Rubel rollt, hat das Hühnerhaus letzten Winter expandiert und zusätzlich zum Straßenverkauf die ehemaligen Räume des Restaurant Kattelbach, schräg gegenüber bezogen. Vor dem Eingang des Lokales, hängen die gleichen Trauben roter und gelber Luftballons, wie man sie sonst vor Matratzendiscountern und Döner-Buden findet. Nicht gerade einladend, aber wenigstens ein bisschen bunt, ohne dabei gleich weihnachtlich sein zu müssen.
Ich blicke zu Töle. Nase-auf-dem-Boden, völlig verdreckt, grauer Hund auf grauem Grund, trottet sie gleichmütig neben mir her, an diesem monochromen Wintertag in Kreuzberg Süd-Ost. Zuhause wird sie sich niesend auf dem Boden wälzen, ihre Schnauze am Mobiliar reiben und in Ermangelung eines anderen Hundes sich selbst genügen. Wie beispielhaft und tröstlich.

der hund wischt sich am hund den mund gern ab
nämlich am hund der er nicht selber ist
wenn aber er allein und hund nur selber ist
wischt gern an sich den mund er selber ab

so hält auch gelb sich lieber auf bei blau grau grün rot lila-
steht jedoch nur gelbes
korn vorn vor gelber villa, gelben himmel drüber
ist auch das gelb sich selbst am liebsten lieber.“
(ernst jandl. der gelbe hund)

ich liebe dieses gedicht, und es geht mir seit urzeiten nicht aus dem kopf.
hoffentlich befindet es sich in meiner säurekammer.

* *„Chicken Song“ der Band „Spitting Image“ aus den 80ern

 

 

 

Bild/ Lizenz: Georg Slickers [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)%5D, from Wikimedia Commons

 

frustfrei

Zum Weihnachtsfest bietet der Internet-Versand Amazon seinen Kunden an, statt der herkömmlichen Verpackung, die frustfreie zu wählen.

(frustfrei, nicht frostfrei)

Das interessiert mich wirklich.

Also lese ich nach:

frustfrei bedeutet, nicht mühselig Folien aufknibbeln, Plastikbinder zerschneiden oder sonstiges unnützes Verpackungsmaterial entfernen zu müssen.

Man braucht explizit keine Werkzeuge, wie Schere, Messer oder Brieföffner mehr, um die Pakete zu öffnen, und es fällt weniger Verpackungsmaterial an, weil alle anderen Umverpackungen, die üblicherweise das Gesamtvolumen der Warenlieferung deutlich imposanter machen, schon ab Hersteller, gar nicht erst verwendet werden.

Zu Lasten der Sicherheit geht das aber mitnichten, denn Amazon hat als frustfreie Verpackung eine besonders stabile Pappe gewählt, die auch in der Lage ist Fragiles zu schützen.

Gut dem Dinge.

Ich beschließe sogleich, eine Bestellung zu kuratieren.

Meine Auswahl wird dabei geleitet von dem Aspekt der Frustfreiheit, unter besonderer Berücksichtigung der damit verbundenen Lust(möglichkeiten).

Zugleich versuche ich das Spannungsfeld zwischen Innerem (Ware) und Äußerem (Verpackung) aufzulösen und zu einer harmonischen Einheit zusammen zu führen.

In meinem Warenkorb befinden sich 5 Artikel:

 „Zwischen Lust und Frust- Frauen in ehrenamtlichen kirchlichen Leitungsfunktionen: Symbolische, biographische und institutionell-strukturelle Eckpunkte“ von Ursula Schell

Bloß weg! Ihr zweites Standbein im Ausland: Wie Sie Krisen, Frust und Steuern entkommen“ von Günter Hannich

Die Glückskeksmethode: Lösungen statt Frust – Meetings und Workshops effektiv leiten“ von Christiane Schulz

 „Pilziges: Lust und Frust beim Sammeln von Speisepilzen“ von Urs Hirschi

und für das leibliche Wohlbefinden noch eine Doppelpackung (jeweils à 375 g) Kellogg´s Frusties.

Hundesalon Exquisit

English: Wolf, a White German Shepherd pup, re...

English: Wolf, a White German Shepherd pup, resting on a bench  (Photo credit: Wikipedia)

Die Betreiberin des Hundesalon Exquisit, Frau Christel Ballfanz, ist eine starke Raucherin. Man sieht und hört es ihr an. Auch der Laden riecht nach jahrzehntealtem Rauch, der sich als fettige Teerschicht über das gesamte Interieur gelegt und tief in das Gemäuer gefressen hat. Im Schaufenster stehen große Hundeskulpturen aus Hartplastik vor nikotinvergilbtem Vorhang. Boxer und Schäferhund. Die Figuren  scheinen gefragt zu sein, denn ein Schild im Schaufenster weist auf ihre Unverkäuflichkeit hin.
Wenn ich am Ballfanzschen Salon vorbei ging, fragte ich mich stets, wie es darin wohl zugeht: Wer brachte seinen Hund dorthin, und warum?
Die Antwort gab mir meine Hündin selbst, die aus einer spanischen Perrera kam, und durch die dort praktizierte Reinigung der Boxen, mittels eines harten Wasserstrahles in Anwesenheit der Insassen, panische Angst vor Nassem, ja selbst vor Trinknäpfen hatte. Die Furcht ging soweit, dass sie bereits bei leichtem Nieselregen unruhig wurde.
Nach ihrer Ankunft in Deutschland stank Töle so sehr, dass man sie nicht anfassen mochte. Ihr Fell war fettig verklebt, eine Dusche unumgänglich, und um nicht gleich zu Beginn unsere Beziehung zu strapazieren, machte ich telefonisch einen Waschtermin bei Frau Ballfanz aus.
Sie nahm Töle in Augenschein, und sagte sie müsse dringend gebürstet, geschnitten, getrimmt, gefönt werden.
„Nur waschen, bitte.“
Sie gab zu bedenken, dass zwischen den Zehen Haarbüschel wucherten, die irgendwann Probleme bereiten könnten.
„Ok, die können weg, sonst aber nichts. Keine Frisur und auch nicht bürsten oder fönen, bitte.“
Da ich merkte, wie schwer sie sich darauf einlassen konnte, wiederholte ich mein Anliegen noch einmal. Ein parfümfreies Shampoo hatte ich vorsorglich mitgebracht. Frau Ballfanz nahm Töle mit in die hinteren Räume ihres Salons und bot mir an zu warten. Ich blieb kurz, schaute mir den 70er Jahre Empfangstresen und die Vielzahl an gerahmten Porträts von frisierten Hunden an. Getrimmt und gefönt. Terrier. Allesamt Terrier. Boston, Airdale, Jacks, Parsons etc. Der gilbige Laden erschien mir, wie der raumausstatterische Wiedergänger des 70er Jahre Tatort- Kommissar Hans-Jörg Felmy. Ich fühlte mich unwohl und beschloss mir die Zeit auf dem türkischen Markt am Maybachufer zu vertreiben.
Nach den verabredeten 90 Minuten kam ich wieder zurück.
Die resolute Salonbetreiberin brachte mir meinen verstörten Hund: gewaschen, getrimmt, gefönt, verpudelt und verballfanzt. Zum Glück war sie nach wenigen Tagen fast wieder die Alte. Staubig, zottlig, lebensfroh aber nicht mehr so jämmerlich stinkend.
Inzwischen hat Töle keine Angst mehr vor Wasser und wird Zuhause geduscht. Das Erlebnis scheint sie vergessen zu haben. Völlig gleichmütig und ohne ihren Gang zu beschleunigen trottet sie mit mir am Ballfanzschen Salon vorbei, vor dem Touristen stehen bleiben und Fotos machen.

Enhanced by Zemanta

Thriller

Beim letzten Besuch in Frankfurt übernachteten wir in einem bekannten 4-Sterne-Etablissement im Bahnhofsviertel, das sich über 5 Etagen eines Gründerzeitaltbaus erstreckt.
Beim Betreten des Zimmers schlug uns der Gestank von kaltem Rauch entgegen. Dunkelbraune, abgescheuerte Möbel auf dunkelbraunem Teppichboden. Das Doppelbett 140 cm breit. Ein verklebter Wasserkocher, Instantkaffee, Dosenmilch. Bügeleisen. Minibar.
Verschimmelte Silikonfugen und 2 lagiges, raues Toilettenpapier im Bad.
Der Ausblick: Eurotower und andere Geldtürme. Das Euro-Denkmal, vor dem die letzten Occupy-Veteranen harren, um im Schatten der Glaspaläste die Banken in die Schranken zu weisen, beinahe in Wurfweite.
Das Frühstück wurde im benachbarten libanesischen Lokal aufgetischt, worauf wir allerdings verzichteten, nachdem wir am ersten Abend unseres Aufenthaltes dort so dürftig, wie auch überteuert gespeist hatten, und dabei von einer sehr jungen barfüßigen Blondine mit etwas unterhalten worden waren, was ihr irgendein Stümper als orientalischen Bauchtanz gelehrt haben mochte.
Sie bewegte sich ungelenk, unmotiviert und scheinbar ohne jeden Bezug zum Takt der orientalischen Musik, die aus billigen Boxen in voller Lautstärke auf uns herunter schepperte, während wir schweigend das Abendessen zu uns nahmen.
Dem Chef des Lokales schien ihr lärmender, arhythmischer Auftritt ebenso wenig zu gefallen wie uns, denn plötzlich stoppte die Musik und die Blondine zog ab, um allerdings kurze Zeit später in Bollywoodverkleidung, und mit einem hüfttiefen Münz-und Glöckchengürtel zurück zu kehren, und die Anwesenden mit klimperndem Torsowackeln zum Mitmachen aufzufordern. Zunächst leisteten nur ein paar männliche Gäste dieser Einladung Folge und ließen mit weingeröteten Wangen die steifen Hüften kreisen. Es dauerte nicht lange, da gesellten sich auch die Gattinnen hinzu und versuchten mit ihren Armen verführerisch anmutende Schlangenbewegungen zu vollführen, während die geschwollenen Füße, die in viel zu engen Schuhen steckten, von links nach rechts trippelten und die tunika-verhüllten Hüften alles gaben, was sie ihnen abverlangen konnten.
Wer jetzt noch saß, fing an in die Hände zu klatschen. Karnevalsstimmung Anfang September.
Zeit für uns zu gehen.

 

Im Zimmer warteten bereits die Hunde.
Wir versprühten das nach unserer Ankunft gekaufte Raumspray großzügig auf dem Teppich sowie den bodenlangen Vorhängen, öffneten wir das Fenster, und machten uns auf in Richtung Fluss.
Nach einem heißen Tag hatte sich eine milde Spätsommernacht über die Stadt gesenkt, und auf den Mainwiesen lagerten kleine Grüppchen junger Menschen. Es wurde gelacht, geraucht, getrunken. Pärchen lagen sich in den Armen und schauten auf den Main und das gegenüberliegende Ufer.
Die Hunde hefteten ihre Nasen an den Boden und trabten konzentriert neben uns her.
In der Nähe der Ufermauern kampierten Obdachlose, deren schmutzige Matratzen wir tagsüber schon in den Bäumen hatten hängen sehen. Sie lagen dicht beieinander, wie in einer dieser Notunterkünfte, die man aus dem Fernsehen kennt; ihre Habseligkeiten in abgeriebenen, löchrigen Discountertüten neben ihnen, wie altvertraute Komplizen.

 

Die Nacht war sternenlos, und so hatten wir sie erst bemerkt, als wir mit den Hunden direkt an ihren alkoholschweren, ruhenden Körpern vorbei liefen. Um niemanden zu wecken, stahlen wir uns mit angehaltenem Atem davon, sorgsam darauf achtend über keine der herumliegenden Schnapsflaschen zu stolpern. Wir verließen das Mainufer und traten zurück in das Licht des Untermainkai.
Auf dem Rückweg zum Hotel passierten wir die Gutleutstraße, im Mittelalter ein Rückzugsort für Leprakranke. Zwei Männer kauerten auf dem Gehweg. Beide ausgemergelt, beide hatten kleine nässende Wunden auf den Wangen. Schleppscheiße.
Mit fahlen Gesichtern und hohlem Blick kochten sie im Schein der Straßenlaternen ihren Stoff auf, banden die Arme ab und injizierten sich die Dosis, die sie über die nächsten Stunden bringen würde.Ich fühlte mich wie ein Voyeur.

Die Straße gehört denen, die auf ihr leben

Nur wenige Hauseingänge weiter, fanden wir das Lager aus Kartons und Planen, das wir tagsüber bereits gesehen hatten, besetzt. Jemand schlief in dieser spätsommerlichen Nische. Unweit davon lag ein Mann mit dem Gesicht auf den Gehwegplatten. Die nächtlichen Pilgerer liefen roboterhaft und mit fiebrigem Blick an ihm vorbei.
Es war lange nach Mitternacht, als wir die Münchener Straße kreuzten. Dort herrschte immer noch Hochbetrieb. Bars, Spielhallen, Bordelle, Imbissbuden, Trinker, Nutten, Junkies, Obdachlose und ein paar Touristen, so wie wir. Das Kottbusser Tor in Berlin ist eine Sonntagsschule dagegen.
Als wir in die Weserstraße abbiegen wollten, schnitt ein frisch gewachster weißer Hummer, mit rotierenden Hochglanzfelgen, uns den Weg ab. Hinter seinen getönten Scheiben wummerte sexistischer Westküstensound. Wir blieben stehen und schauten ihm hinterher, wie er im Schritttempo durch den Kiez rollte.
Schließlich erreichten wir das Hotel und fuhren mit dem Lift in den vierten Stock. Als wir die Zimmertüre öffneten, schlug uns eine Mischung aus Frischespray, Tabakgeruch und altem Mief entgegen.
Müde gingen wir zu Bett.
Ich lauschte den Stimmen der Nacht, die von der Straße zu unserem Fenster aufstiegen und fiel in einen tiefen Schlaf.