es läuft

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ein Loch ist im Eimer lalala lalala
ein Loch ist im Eimer lalala ein Loch

 

 

Es geschieht mir nicht anders. Nie mache ich das sonst. Nie, nie, nie. Also NIE. Nur jetzte, wo ich krank bin und Antibiotika in Bananenmatsch stecke damit die undragierten extrabitteren und damit kindersicheren Riesenpillen mir nicht quer im Schlund kleben bleiben, glaube ich und vertraue auch noch darauf und Entspannung macht sich angenehm sutsche in meinem überrelaxten Körper breit, während aus der Toilette Wischgeäusche kommen, so albern und vergnügt bin ich. Ein bisschen dübeln, ein wenig lesen, dazwischen schreiben und auch mal dösen. Als hätte man alle Zeit der Welt.
Dabei weiss ich doch, dass mein Browser seit dem Russenhack und der anschließend installierten Antivirensoftware alle naslang abstürzt und ich Texte niemals ungesichert einfach mal so. Der Hack geschah übrigens während des Onlinebankings. Auf einmal wurde ich gewahr, dass das Kreditlimit von 1000 auf 999.999 € hinaufschnellte, riss wie elektrifiziert die Hände von der Tastatur und wählte die Notfallnummer. Ruhig Blut, sperren lassen, aufatmen usw. (Ich rede mit herablassenden Männern in Hotlines übrigens gerne ganz dolle unbeholfen. Sie mögen das und fangen an laut zu schnurren ob ihrer Überlegenheit).

Der Text den ich heute geschrieben habe und der aus Unbedachtheit und ohne adieu oder au revoir ans Ende des Schachtes, gleich neben den Rattenkönig geschleudert wurde, beschäftigte sich mit Lob in Form der entsolidarisierenden Hervorhebung eines Einzelnen. Öffentliches Bauchpinseln. Positivpranger. Ich hatte nämlich jemanden ganz besonders und in Gegenwart seiner Peergroup gewürdigt und ihn damit aus seiner Gruppe herausgelöst ohne es zu wollen. Zusätzlich hatte ich die Person damit offenbar auch noch beschämt und also alles gründlich falsch gemacht. (Jetzt ist es aber wieder gut zwischen uns).

In dem verschollenen (verschollen leitet sich ab von verschallen und stets höre ich eine leise ausklingende Stimme, einen verhallenden Ruf, wenn ich verschollen denke, sage oder schreibe und werde davon jedes Mal ein wenig traurig, wie es eben meinem Gemüte entspricht) in dem verschollenen (→seufz) Text also schrieb ich außerdem über die Notwendigkeit Hände wie Schaufeln an schwurbelnden Armen sein eigen zu nennen, die schwindelnd im Turbo rotieren, um all das Wasser in den Eimer oder aus dem Kahn zu bringen, damit ersterer gefüllt und letzterer vor dem Kentern bewahrt wird. Wer mir bis hierher geduldig gefolgt ist, fühle sich im Stillen gelobt, anerkannt und gewürdigt für das erstaunliche Durchhaltevermögen und die ungeheure Konzentrationsfähigkeit.
It´s the antibiotics, dahlink!
Ich hatte in meinem Text außerdem  den neuesten Katastrophenrapport geliefert, die Gründe also, warum der Eimer nicht voll läuft, das Boot hingegen umso mehr. Diesen Teil lasse ich jetzt weg, eh langweilig oder verstörend.

Der verlustig gegangene Text handelte zudem von den sprachlichen Schaffenskraft des Unterfranken, die diesem allerdings gar nicht bewusst ist und die ihn ganz selbstverständlich Worte wie „Bärwurz“ aus dem Ärmel schütteln bzw. aus dem Mund plumpsen lässt oder Sätzen wie „Des Einen Freud des Andern Feind“ die Freiheit schenkt. Ich höre ihm gerne zu, dem Unterfranken und folge ihm mit Freude in den Dschungel seiner ungekannten Assoziationen und Formulierungen.

Der liebeliebe Unterfranke redet aber nicht nur ungewöhnlich originell, er ist auch ein besonders guter Freund. Erst gestern hat er sich ein paar Tage frei genommen und ist extra meinetwegen nach Mittelfranken gefahren, um dort meinen alten Bus wieder flott zu machen. Ein 30 Jahre alter Mercedes-Siebentonner mit einem 2 x 2 m Futonbett und allem, was man zum Leben braucht darinnen. Sogar Leselämpchen hat´s und einen Cassettenrecorder mit einer Trini-Lopez-Cassette, die die Vorbesitzer mir großzügigerweise beim Kauf überlassen haben. Untergebracht ist das Spielmobil seit Jahren in einer Scheune, die der Bewohner (des 3 Seiten-Hofes aus dem 17. Jahrhundert) gerne wieder selbst befüllen würde. Der geliebte Blechkasten wird also jetzt verhökert, was mir in etwa die Warmmiete eines ganzen Jahres einbringen dürfte. Ich frohlocke schon jetzt ein wenig, denn das gäbe mir vielviel Luft, auch wenn ich das Spielmobil mit den gesammelten Waldranderinnerungen schmerzlich vermissen werde.
Alles ist im Fluss, selbst meine Nase, und das mit den hintergründigen Texten läuft auch bald wieder.

 

 

 

 

 

Bild: uknaus, Tegernsee, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Zeitraupe

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Die Raupe krümmt sich zu einem Omega. Unter ihr, auf weißer Pappe, wölben sich matte Braillezeichen. Die Raupe streckt den vorderen Teil ihres Leibes und zieht den hinteren Teil nach. Durch ihrem gebogenen Körper hindurch sehe ich unterschiedlich vergrößerte Buchstaben.
Cefurox Basics
steht dort.
Vor Jahren erschien mir diese Lupenraupe schon einmal. Damals nahm ich die gleichen Tabletten und war in ähnlicher Verfassung wie heute.

Es war eine anstrengende Woche voller Euphorie und Strapazen. Kranksein muss man sich leisten können. Ich tue es. Free your mind

Eine Menge Leute hab ich getroffen und nicht alle Begegnungen waren erfreulich. Manche dafür umso mehr. Ein nachmittägliches Vorstellungsgespräch zum Beispiel endete in quirlig überdrehter Sektstimmung, ganz ohne Alkohol. Zu dritt lachten wir ausgelassen und plauderten und beim Abschied waren wir alle drei verliebt ineinander, für diesen Moment. Während des Treffen kugelte das Tölchen sich auf dem Rücken und ließ sich am Bauch kraulen. Entzücken allerseits, ach!  Und natürlich haben wir sie angeheuert, wie wir auch die Lebensfrohe, die zu halten scheint, was sie in der Bewerbung versprach, ins Boot geholt haben. Das Team ist damit voll. Schön bunt ist es geworden. Es wird, es wird. Doch Obacht, nicht zu früh aufatmen, sonst schnürt der Sado-Python nach und die Luft geht mir am Ende doch noch aus.
Was mir allmorgendlich, wenn ich die Augen aufschlage und mich in den Tag blinzele, gerade am meisten Zuversicht gibt, ist der Countdown zum 8.8. hin, dem internationalen Katzentag, an dem ich meinen Felinen Au revoir sagen und mich mit wehenden Haaren und glühenden Reifen auf den Weg nach Oberbayern machen werde um dort, beinahe 4 Wochen lang, die ewigen Alpen zu betrachten und den silbernen See und dabei wieder zu Kräften und damit zu mir zu kommen. Ich freu mich so, ich freu mich so, auch wenn´s noch lange hin ist.

Diese Woche kam außerdem noch die Niederländerin zu Besuch. Ein Jahr ist es her seit wir uns das letzte Mal sahen. Traurige Geschichten weiss sie zu erzählen, und lustige. Obgleich die Lustigen meist die Traurigsten sind. Sie spricht so, wie Vonnegut schrieb und nicht nur deswegen höre ich ihr gerne zu. Bei allem, was an ihr zehrt, sind immerhin ihre Sofatage und -wochen endlich vorbei. Zurück gekehrt in die gemeinsame Wohnung muss sie jetzt nur noch die Liebste überreden, nach der Ausbildung nach Berlin zurück zu kehren. Wie schön das wäre!

Ein weiterer Quell der Freude ist der Frühling mit seinen Blüten und den flötenden Amselgesängen.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass irgendetwas noch schief gehen soll, solange es Schneeflocken und Blütenblätter zugleich durch den Garten weht und über allem die eisige Sonne aus tiefblauen Himmel strahlt.

 

 

 

 

Herrenwinker

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Kuzzi höre ich, als ich am Nachmittag mit geschlossenen Augen im Bett liege und Erschöpfung mich in die Laken drückt. Von irgendwo kommt das Wort und ich kann nicht sagen ob von innen oder von außen, doch ich erinnere mich: Kuzzi, das war einmal ich. Zwei Sommer lang. Gegen Ende unserer Zeit hatte A. mir sogar einen silbernen Anhänger geschmiedet, ein liegender Halbmond, dessen gebogene Enden einen arabischen Schriftzug umfassten. Kuzzi.

Nachdem ich meine Wohnung verlassen, die Katze eingepackt und mich auf den Weg nach Berlin gemacht hatte, war A. ins Haus zurück gegangen und S. berichtete mir später von arabischen Schriftzeichen an der Wand, an der einmal das Bett gestanden hatte. Erst beim dritten Streichen ließ sich die schwarze Farbe übertünchen.

Berlin indes war heiss und trocken. Die Platanen warfen ihre Rinde ab. Ich schnitt meine Haare einen halben Meter kürzer und kaufte einen Lippenstift von Chanel.

Carol

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Manchmal, wenn ich an dich denke, erinnere ich mich auch an die stark geschminkte Mittfünfzigerin, die rauchend auf dem Balkon der Station N2 sitzt. Die abgehalfterte femme fatale, mit langen blondierten Haaren, dem aus der Form gelaufenen Körper, gehüllt in einen Satinkaftan mit Leopardenprint, schwarze Stoppeln an den trockenen Schienbeinen, die Füße in glitzernde Riemchensandalen gesteckt.
Den Blick in die Ferne gerichtet, hält sie eine Zigarette in der Hand, Rauch sickert nachlässig aus ihren Nasenlöchern. Neben ihr ein junger Mann mit unverhältnismäßig großem Adamsapfel, der ihm ein geierhaftes und irgendwie verklemmtes Aussehen verleiht und mich an John-Boy Walton, den Tugendhaften erinnert. Der Mann betrachtet das Profil der Frau und greift nach ihrer freien Hand, die sie ihm teilnahmslos überlässt. Etwas Unterwürfiges und zugleich Aufdringliches liegt in seinem Blick und in dieser Geste der verzweifelten Zugewandtheit.

Ich sitze auf der Bank neben den beiden, rauche und zähle zum wiederholten Male die Türme der Stadt. Das Krematorium in Steinwurfnähe zähle ich mit.
Ob sich die Jahre, die vor mir liegen, ebenso in mein Gesicht fressen und dort eine Spur der Angst, der Leidenschaft und des Nikotins hinterlassen werden. Und werden auch wir eines Tages gemeinsam auf diesem oder einem anderen Balkon sitzen, eine tödliche Diagnose auf unseren Schultern, du meine Hand haltend und in mir immer noch die Blüte sehend, die ich einmal war. Und werde ich dich dafür verachten oder lieben und brauchen, oder alles zusammen.
Seit 24 Wochen bin ich in dieser Klinik, die ich in den gleichen Kleidern verlassen werde, mit denen ich sie betreten habe. Du wirst mich abholen und nach Hause bringen in mein neues Leben, von dem du schon jetzt ein Teil geworden bist.

Heute ist dein Geburtstag. Ich denke an dich.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: b.s.wise, flickr jean cocteau
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

in des Lebens Dunkel

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Die Tage sind voller Arbeit und ich sammle die Sonnenstrahlen und das Licht, die den Weg in meine Räume finden.
Wenn alles gut geht, wird mein Leben in den nächsten Monaten eine große Veränderung erfahren, die mir sehr viel mehr Verantwortung überträgt, die aber gleichzeitig auch mehr Schaffensfreiheit und zugleich größere Sicherheit bedeutet. Bis dahin allerdings wird es ein schwerer, arbeitsamer Weg. Zurzeit habe ich nur wenige freie Minuten und die Tage sind lang.

Fristgerecht wurde heute ein Antrag bei Gericht eingereicht, dessen Gestaltung das gesamte Wochenende in Anspruch nahm.

Meine sozialen Kontakte muss ich ruhen  lassen und auch ans Schreiben komme ich nicht so richtig. Deswegen hier derzeit mehr Bilder als Text.

Spätestens Anfang August kann ich erstmal verschnaufen. Was sind schon knappe 4 Monate Stress, wenn´s danach ins Blaue Land geht.

Anfang nächsten Jahres sollte der Wechsel vollzogen sein. Bis dahin kämpfe ich mich durch Rechtliches und Organisatorisches und trage meinen Hund 5 Mal am Tag vor die Tür.

 

in den Birkenwald

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Der Unterfranke ruft an. Ich erkenne ihn am Klingeln.

Was gibt’s!, rufe ich herausfordernd in den Hörer.

Wo bist du?
, fragt er.

Wo könnte ich sein?

Weiss nicht.

Rate mal.

Woher soll ich das wissen.

Du hast mich auf Festnetz angerufen.

Sag das doch gleich.

Du Fuchs.

Was machst du?

Ich geh jetzt in den Birkenwald.

In welchen Birkenwald?

…denn meine Pillen wirken bald.

Verstehe.

Und wo bist du?

Das musst du doch wissen, du Fuchs. du hast mich angerufen.

Falsch. Du rufst mich gerade von deinem Handy an.

Verstehe.

Bist du auf der Insel?

Logisch.

Ich komm vorbei.

Na also. Mach hin.

 

 

Es gibt kaum etwas Beruhigenderes, als jahrein, jahraus das gleiche Gespräch zu führen.

 

 

 

Bild: flickr, (Ausschnitt , spiegelverkehrt,aus) Birkenwald gleich hinter der Stadtgrenze, Chris Heidenreich
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/