Sozialneid

Wort halten, ohne Wort gegeben zu haben. Eine Selbstverständlichkeit sollte man glauben.
Eine Kollegin erzählt mir von Freunden, die ihren Untervermieter, einen ALG-II-Bezieher, wegen nicht angemeldeter Untervermietung und entsprechenden Mieteinnahmen beim Amt angezeigt haben. Selbstredend erst nachdem sie bei ihm ausgezogen waren.
Die Kollegin findet das gut und richtig. Der Mann hätte ja arbeiten können. Schließlich müsse auch sie bei Eiseskälte am Gemüsestand stehen und schmutzige Erdäpfel verkaufen, um sich etwas dazu zu verdienen.

Eine Umfrage soll ergeben haben, dass ein hoher Prozentsatz der Deutschen, vor die Wahl gestellt ob man lieber 100 Euro erhalten will, und der Nachbar bekommt 300 Euro, oder ob man bevorzugt, nur 50 Euro zu erhalten während der Nachbar leer ausgeht, sich für die letztgenannte Option entschieden habe.
Ich weiss nicht, ob es diese Umfrage wirklich gab, aber ich halte ein solches Ergebnis durchaus für denkbar.

Eine frühere Kollegin, die wenn sie über andere redete, gerne von silbernen Löffeln und vergoldeten Wasserhähnen sprach und von dem was die anderen alles vorne und hinten hinein gestopft bzw. geblasen bekämen, gab in einem ehrlichen Moment unumwunden zu: Ich bin vom Sozialneid zerfressen.
Das war vor über 10 Jahren. Aus irgendwelchen nicht näher benannten Gründen war Hubertus Heil ihr Lieblingshassobjekt.
Sie trug gerne Lonsdale Klamotten und Springerstiefel, hatte einen feather cut und bestand darauf ein Redskin zu sein. Die Vereinnahmung der uralten Marke durch Rechte regte sie auf. Noch mehr allerdings empörte sie sich über Idioten, die rechte nicht von linken Skins unterscheiden konnten und sich vorsichtshalber zurückzogen, sobald sie mit vor Missgunst und Hass funkelnden Augen den Raum betrat. Ich habe keine Ahnung was aus der Frau geworden ist. Ich hoffe sie hat keinen Mord begangen. Hubertus Heil jedenfalls lebt noch und setzt alles daran, ALG- II-Empfängerinnen das Leben nach Kräften schwer zu machen.

1000 Fragen an mich selbst (691-750)

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Es sind immer noch Fragen offen.
Weiter geht es:

691. Wen fragst du, wenn du einen weisen Rat brauchst? Da frage ich NB oder einen Anwalt.
692. Was ist das Schönste am Nach-Hause-Kommen? Der schwanzwedelnde Hund und die gurrende Katze. Außerdem die Beleuchtung und der Blick in den Garten.
693. In welchem Unterrichtsfach warst du in der Schule gut? In fast allen. Am Besten in Deutsch, Französich und Englisch.
694. Wann hast du zuletzt ein Baby in den Armen gehalten? Vor wenigen Tagen. Es war ein sehr schönes, berührendes und beglückendes Gefühl.
695. Würdest du jemanden wie dich gern zur Freundin haben? Ja, glaub schon. Ich würde mich wahrscheinlich an der Exzentrik der Freundin und an ihren vielen Eigenarten und ihrer Sturheit stören. Aber ich würde gerne mit ihr spazieren gehen und mir alles zeigen lassen, was ich jetzt alleine erkunden und herausfinden muss.
696. Kannst du gut warten? Ja. Ich mag es nicht, wer wartet schon gern, aber ich kann mich fügen.
697. Welches Problem würde dich veranlassen, zum Psychologen zu gehen? Sucht.

698. Was möchtest du irgendwann noch lernen? Eine weitere Sprache, zum Beispiel hebräisch.
699. Worauf kannst du keinen einzigen Tag verzichten? Ich glaub ich kann auf alles verzichten, außer auf Wasser und auf Schlaf.
700. Wie oft beginnst du einen Satz mit: „Als ich so alt war wie du …“? Zu oft.
701. Wie zufrieden bist du mit deinem Körper? Ich finde ihn ziemlich in Ordnung. Etwas gesünder könnte er sein, aber ich mag ihn.
702. Wenn du für eine Wand in deiner Wohnung eine Farbe aussuchen solltest, für welche Farbe würdest du dich entscheiden? Ich nähme sturmgrau oder bleu mourant.
703. Was hast du gestern Schönes getan? Cappuccino getrunken und Krähen gefüttert, wie jeden Tag.
704. Was machst du, wenn dir etwas nicht gelingt? Dann versuch ich es noch einmal und vielleicht noch ein drittes Mal und dann gebe ich auf und suche mir ein neues Wirkungsfeld. Sollte es mal etwas sein, was ich unbedingt schaffen muss, mache ich eben so lang weiter, bis es klappt.
705. Was ist das Unheimlichste, das du jemals getan hast? Ich habe mich im Ginnheimer Spargel (Frankfurter Fernsehturm) verbotenerweise auf die Glasscheiben der Aussichtsplattform gelegt. Ich bin sehr froh, dass sie nicht herausgebrochen sind. Ist das gruselig oder einfach nur dumm?
706. Sind andere gern in deiner Nähe? Manche ja, andere wahrscheinlich nicht.
707. Was schwänzt du manchmal? Alles was ich kann. Schwänzen liegt mir im Blut. Ich schwänze Unterricht, Arzttermine, Hochzeiten, Beerdigungen und Geburtstage. Meist sucht mein Körper sich den Ausweg und Vorwand einer körperlichen Unbill. Immerhin habe ich es totzdem geschafft Trauzeugin zu werden. War knapp. Im Innersten bin ich eine gesellige Soziophobikerin. Jede intimere Begegnung mit Menschen kostet mich Überwindung. Hab ich mich aber erstmal durchgerungen fühle ich mich meistens sehr wohl. Schwierig.
708. Wann ist die Welt am schönsten? Darüber müsste ich nachdenken.
709. Was hast du erst vor Kurzem herausgefunden? Dass zwei Menschen mit denen ich befreundet bin eine Affäre haben und beide glauben ich wüsste es nicht. Hihi.
710. Magst du Kostümpartys? Glaub nicht. Früher fand ich so Motti wie „Neukölln, Hermannplatz“ ganz gut. Heute elendigt mich jede Form der Verkleidung.
711. Wie schnell weichst du vom vorgegebenen Pfad ab? Ich verstehe die Frage nicht. Welcher vorgegebene Pfad und wie schnell in Bezug auf was?
712. Was ist das beste Gefühl der Welt? Zufriedenheit.
713. Was machst du meistens um drei Uhr nachmittags? Cappuccino trinken
714. Mit welcher berühmten Persönlichkeit würdest du dich sehr gut verstehen? Ich hab keine Ahnung. Vielleicht würde ich mich mit Margarete Stokowski ganz gut verstehen. Oder (hoffentlich) mit Samira El Ouassil.
715. Was würdest du servieren, käme die Königin von England zum Tee? Grünen Tee und dazu Zitronen-Rosmarinküchlein.
716. Was kannst du einfach auf morgen verschieben? Was ich heute nicht besorgen konnte.
717. Was macht ein Spaziergang durch die Natur mit dir? Ein Spaziergang durch die Natur macht mich ruhig und zufrieden und er inspiriert mich.
718. Welches Lied passt am besten zu deiner Beziehung? Vielleicht Strong Enough von Sheryl Crow.
719. Wie sieht deine ideale Welt aus? Niemand frisst niemanden.
720. Was bedeutet für dich Geselligkeit? Was Geselligkeit für mich bedeutet i.S.v. wie wichtig sie mir ist? Ich bin kein Gruppenmensch und ich bin sehr gerne allein, aber ich mag auch Menschen und mit sehr vertrauten Freunden, verbringe ich auch gerne lange Tage unter Obstbäumen oder am See.
721. In welchem Beruf wärst du wahrscheinlich ebenfalls gut? Das weiss ich nicht. Mir fehlt jeder Ehrgeiz und so fällt es mir schwer, mir auszumalen in was ich gut sein könnte. Der Sohn einer Freundin möchte gerne Stadionsprecher bei der Eintracht Frankfurt werden. Sowas in der Art gefiele mir auch. Vielleicht sollte ich mal eine Saison lang ein Fahrgeschäft begleiten und die Ansagen machen. „Das macht Spaß! Das macht Freude! Das bringt immer wieder neues Vergnügen!“

722. Was waren die liebsten Worte, die du jemals zu einer Person gesagt hast? Das verrate ich nicht.
723. Was von der Einrichtung deiner Wohnung hast du selbst gemacht? Ich habe ein paar meiner Möbel entworfen aber nicht selbst gebaut. Gilt das als selbst gemacht?
724. Wie würden dich Leute beschreiben, die dich zum ersten Mal sehen? Groß, sehr schlank, lange, dunkle, gewellte Haare.
725. Was würdest du mit einer zusätzlichen Stunde pro Tag anfangen? Schlafen.

726. Welchen Film würdest du für einen Filmabend mit Freundinnen aussuchen? Ich schaue keine Filme und mit Freundinnen würde ich erst recht keine Filme angucken.
727. Fühlst du dich anders, wenn du ein Kleid trägst? Klaro. Kleider sind viel bequemer als Hosen und nach dem Essen drückt nichts am Bauch. Im Sommer trage ich fast ausschließlich Kleider und fühle mich natürlich unbeschreiblich weiblich.
728. Welcher Geruch erinnert dich sofort an früher? Patchouli. Da muss ich an den Frankfurter Flohmarkt, den Eisernen Steg, die Hare Krishnas und die Räucherstäbchen denken. Ich hab mir gerade erst ein Duschgel mit dezentem Patchouli-Geruch gekauft.
729. Was würdest du anders machen, wenn du auf niemanden Rücksicht nehmen müsstest? Nichts. Ich nehme nur soviel Rücksicht, wie es sich mit meinen Lebensvorstellungen verträgt. Es scheint, als wären alle recht zufrieden oder zumindest d´accord damit. Allerdings pflege ich auch keine Hobbies oder dergleichen, an denen man sich stören müsste. Ich bin nicht laut, ich schmutze nicht.
730. In welcher alten Kultur hättest du leben wollen? In keiner. Ich will in einer Kultur leben in der es Strom und Antibiotika gibt.
731. Denkst du lange über Entscheidungen nach? Nein, Entscheidungen treffen mich, nicht ich sie.
732. Hast du schon einmal vor dem Ende eines Films das Kino verlassen? Ja, bei Trainspotting musste ich den Saal verlassen. Erst beim zweiten Anlauf konnte ich den Film zuende sehen.
733. Über welche unangemessenen Witze lachst du insgeheim doch? Ist mit unangemessen rassistisch, sexistisch usw. gemeint? Mir machen solche Witze keinen Spaß und wenn ich doch einmal darüber lache, dann gequält und verzweifelt, so wie ich bei der Beerdigung geliebter Menschen lachen muss, weil die Tränen nicht fließen können.
734. Findest du, dass die schlechten Tage auch zum Leben gehören? Sicher. Licht, Schatten usw.
735. Was müsste in der Gebrauchsanweisung zu deiner Person stehen? Bitte folgen Sie den Anweisungen auf dem Display
736. Wie gross ist unsere Willensfreiheit? Zu großes Thema für ein plaudriges Fragestündchen.
737. An welchem Kurs würdest du gern teilnehmen? Vielleicht Alphornblasen oder ein Erste-Hilfe-Kurs für Haustiere. Ein Goldschmiedekurs wäre vielleicht auch ganz interessant.
738. Machst du manchmal Scherze auf deine eigenen Kosten? Klar. Allerdings mache ich mich nicht (mehr) selbst nieder und klein dabei.

739. Welche Blumen kauft du am liebsten für dich selbst? Ranunkeln, Tausendschönchen Dahlien oder Glockenblumen im Topf. Chrysantemen mag ich auch. Im Frühjahr Tulpen.
740. Welche Eigenschaft eines Tieres hättest du gern? Ich wäre gerne verspielt wie eine Krähe im Wind.
741. Darf man einer Freundin von einem Gespräch mit einer anderen Freundin erzählen? Ja, das darf man. Solange man dabei keine Geheimnisse verrät oder Indiskretionen begeht.
742. Wem erzählst du, was du geträumt hast? Aller Welt.
743. Ist Neues immer besser? Nein, natürlich nicht. Manche Fragen hier sind wirklich zu -ähm- beknackt.
744. Was machst du, wenn eine Party nicht so richtig in Schwung kommt? Ich ziehe mich bis auf BH und Slip aus, singe „Muss I denn zum Städele hinaus“ und tanze auf dem Tisch.
745. Was hast du in der Schule gelernt, wovon du immer noch profitierst? Sprache/ Fremdsprachen.
746. Sagst du immer die Wahrheit, auch wenn du eine Person damit verletzen könntest? Nein. Niemand tut das.
747. Was hast du in letzter Zeit jemandem gegeben, der die betreffende Sache dringender gebraucht hat als du? Ich verschenke ständig Dinge, die andere besser gebrauchen können als ich. Von dringend kann allerdings nicht die Rede sein. Was brauchen wir schon dringend außer Lebensmitteln und einen Platz zum Schlafen (und Strom und Medikamente)?
748. Bist du in der virtuellen Kommunikation anders als von Angesicht zu Angesicht? Ja, ich glaub schon.
749. Was machst du, wenn du dich irgendwo verlaufen hast? Dann frage ich mich durch oder versuche es mit Google Maps. Oder ich rufe den Unterfranken an und lasse mich lotsen.
750. Wann bist du zuletzt im Theater gewesen? Das ist so lang her, dass ich es nicht mehr weiss. Für den Theaterbesuch fehlt mir ein Erwachsenengen, welches mich ruhig und konzentriert auf meinem Stuhl sitzen ließe.

 

 

 

 

Bild siehe: https://kreuzbergsuedost.wordpress.com/2019/02/19/1000-fragen-an-dich-selbst-1-20/

Der Fremde liest sich weiterhin durch alle Seiten. Wahrscheinlich quer. Manch kluger Kopf erfasst Gedanken schon ehe man sie aufgeschrieben hat. Einer würfelt mit Buchstaben, ein anderer verflüssigt sie und gießt Glocken daraus. Großes Schädelgeläut as usual
Was Ihr schon lange könnt, kann ich jetzt auch.

Fragen zum Text werden nicht beantwortet.

Die Dinge entwickeln sich langsam und nach meinem Geschmack.
Geschäftigkeit leitet mich durch die dunklen Tage und färbt den Winter heller und freundlicher als in den Jahren zuvor. Ich weiss nicht, ob jemals ein Januar mir so erträglich erschien und die kurzen Tage so wenig an meinem Gemüt genagt haben wie dieses Mal.

Bei Annika lese ich von anzüglichen Kühlschrankverkäufern und bewundere sie ob ihrer Ruhe und Gelassenheit. Was hat diese Stadt bloß aus mir gemacht, frage ich mich und erinnere mich an einen Moment vor vielen Jahren, ich war gerade erst in Berlin gelandet, als ich einen üblen Rüpel auf der Straße im Beisein des Kanzlers Wichser nannte und alle Welt damit erstaunte, am meisten mich selbst. Tolle Erziehung! rief der Rowdy dem Kanzler zu, der hilflos und ergeben mit den Achseln zuckte.
Am Abend betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel, steckte mir eine Veilchenpastille in den Mund und zerlutschte sie mit eingesaugten Wangen.

Meine Jakobs haben inzwischen heraus gefunden wo ich wohne.
Auf dem Mäuerchen im Garten warten sie auf ihre tägliche Ration. Lege ich die Nüsse nicht rechtzeitig aus, krächzt es laut von den kahlen Ästen herunter.
Auch der Eichelhäher und die Elstern wissen wann Bescherung ist.

Dunkle Käfer

Eine Therapiedecke sollte man sich zulegen und darunter verschütt gehen wie unter tausend Tonnen Sand, denke ich. Eine Therapiedecke oder ein Liegeboard mit dem sich, ein Sack Mehl auf dem Rücken, bäuchlings durch weisse Räume manövrieren ließe.

Am Morgen erwache ich. Jemand sagt: Still, Jane! und ich greife nach dem schlaffen Kind als wäre es ein zu strangulierender Frosch. Greife es am Hals und lege es schweigend an meine Brust, der Aufforderung gleich in zweifacher Weise folgend. Sicher ist sicher.
Lange schon hat niemand mehr mich Jane genannt, wundere ich mich. Möglicherweise noch nie.

Seit Tagen tränen meine Augen, als wüssten sie mehr als ich. Unterdessen lache ich mich schwindelig und taste mich Träne für Träne an meine Hilflosigkeit heran.

Um mich abzulenken arbeite ich das Wochenende durch. Struktur hilft fast immer. Schlafentzug sowieso.

Die Freundinnen haben mir einen Quittenbaum zum Geburtstag geschenkt. Zittau denke ich und Emden (selbstredend in umgekehrter Reihenfolge) und erinnere mich an die G. mit den vielen Geschwistern und Cousinen und Cousins, allesamt weissblond wie die Kinderaliens aus Das Dorf der Verdammten. Am Tag der Beerdigung von G.s Vater verunglückte ihre Mutter tödlich und so saßen wir nur eine Woche nach der Beisetzung ein zweites Mal in der kleinen Kirche und blickten auf einen Elternschrein. Blechern und ungeduldig bimmelte die Glocke der kleinen Kappelle. Vor dem Gotteshaus warteten die Sargträger wie dunkle Käfer. Die Schwester aus erster Ehe trug einen tiefroten Poncho, die schwarzen Haare zu einem Dutt zusammen gebunden. Später im Haus kam ihr Mann, ein Internist, auf mich zu und sagte mit ernstem Blick:  Morbus Raynaud. Das sollten Sie ernst nehmen.
Ich nahm einen tiefen Zug an meiner Kippe und sagte: Ich weiss.

Der Kanzler hat alles gut überstanden.
Dem Unterfranken geht es langsam besser.
Die Tigerin hat sich erholt.
Meine Ausbildung hat begonnen.
Regen hat den Staub von den Straßen gespült.

Ich bin so müde.

Zur Stimmungsaufhellung und zum Mittanzen:

Youtube Direktlink: King Princess, Hit The Back

 

Sanskrit

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NB ist heute abgereist. Der Kanzler kommt am Freitag ins Krankenhaus. Die Katze ist nach nicht enden wollendem Erbrechen und sonntäglichem tierärztlichem Notdienst wieder auf Kortison. Nur zwei Monate hielt der Magen-Frieden an. Der Installateur, der zur Installation gekommen war, sagt, dass es einen Installateur zur Installation braucht und zieht unverrichteter Dinge wieder ab. Die zuständige Firma ignoriert meine Mails. Eine jage ich der anderen hinterher und sehe das imergleiche Auto gegen die immergleiche Wand krachen.

Der Ausbildungsbeginn ist auf Freitag verschoben. Wie soll ich mich konzentrieren, wenn mein alter, kranker Vater auf dem OP-Tisch liegt.

Der Unterfranke kämpft sich allein durch den Entzug, es geht ihm schlecht. Seit Tagen kann er nicht essen und findet keinen Schlaf. Am Telefon sagt er: Das ist meine letzte Chance. Ich hoffe er kann sie für sich nutzen.

Die Helferzellen des borealen Freundes nehmen sichtlich ab. Er möchte nicht reden darüber und handeln möchte er auch nicht. Niemand soll wissen, was ihm längst schon ins Gesicht geschrieben steht.

Ich halte die Fahne hoch und summe selbstvergewissernd vor mich hin.

Ich möchte einen Esperantokurs belegen.

 

 

 

 

 

Bild: public domain

selbst schuld kein Mitleid

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selbst schuld, kein Mitleid meint, sagt bzw schreibt man und kürzt es netztypisch lässig – I know that you know that I know- mit sskM ab.
SskM wenn einer seinen Arm beim Böllern verliert.
SskM wenn Australien brennt und die Regierung an Silvester-Feuerwerk und Kohleabbau festhält.

SskM wenn die Kuh aufs Eis geht und dem Esel zu wohl wird.
SskM bei sexuell übertragbaren Erkrankungen.
SskM wer unangeschnallt Auto fährt.
SskM wenn der Rock zu kurz und die Pumps zu hoch waren.

SskM wer sich beim Fixen infiziert, sSkM wer beim Risikosport verunglückt, sSkM wer ohne Einladung oder europäischen Pass übers Mittelmeer schippert und darin den Tod findet.

SskM wer auf seiner Terrasse erschossen wird, sSkM wer Kinder die falschen Lieder singen lässt.

SskM hier, sskM da, sskM in Amerika.
(Augen auf bei der Berufs- und bei der Partnerwahl)

(Einschub: im Wartezimmer mit den Flusen auf den Klamotten und den Katzenhaaren am Revers, fällt mir auf wie sauber all diese Menschen sind, wie gepflegt und wie schmuddelig ich im Vergleich. SskM wenn man nicht eben mal die Kleiderbürste herausholt ehe man das Haus verlässt und sich der Öffentlichkeit präsentiert. SskM wer keine Nackttiere sein eigen nennt, die Haut warm wie Blut und weich wie Velours)

SskM wenn Raucher an Lungenkrebs erkranken, sSkM wenn Frau ü 40 pränatale Diagnostik ablehnt und ein behindertes Kind gebiert, sskM bei Diabetes Typ I.

Wer nicht hören will muss fühlen.

Psychosebox

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Die Katze sitzt auf der Metallbox und schreit. Schreit, schreit und schreit.
Eine Lefze hängt herunter, hängt seit der Eckzahn gezogen werden musste,
den ich, zusammen mit dem Pferdezahn aus der Pampa, für das Pferdemädchen aufbewahre, welches, sollten die Dinge sich wunschgemäß entwickeln,
demnächst einen kleinen Bauernhof bewirtschaften wird.

Die Katze sitzt auf der Metallbox, vom hauseigenen Volksmund „Psychosebox“ genannt und schreit und schreit und kräht und jammert sich in den pupillenweiten, ortsüblichen Wahn hinein. Immer ist es die Kiste und nur die Kiste, die sie in diesen semihynotischen Zustand bringt, so wie mich das fensterlose Bad oder die rare nachmittägliche Rückenlage im Bett ins maß- und grundlos Heitere überschnappen lassen.

Wie ist dir, Kätzchen, denke ich und schaue sie, deren Mäulchen inzwischen weit aufsteht und den Blick auf schwarzes, goofyartiges Zahnfleisch freigibt, und die mich aus halb geschlossenen Lidern, mittlerweile nur noch kehlig gurrend und quengelnd anblinzelt, an. Und plötzlich muss ich an meine Mutter und ihre vorgebliche und mutmaßliche Umnachtung der letzten Lebensjahre denken (sofern nicht alles bloß gespielt und ihrem histrionischen Talent geschuldet war, was immerhin auch auf eine Art besonders, ungewöhnlich und meschugge wäre).
Und dann denke ich an den Kanzler und an das leider nicht so gute Untersuchungsergebnis und an die Stenose gleich neben dem Stent und an die Ödeme in den Händen und das Virus und das Kortison und die kanzlertypische, leichtsinnige, um nicht zu sagen fahrlässige Selbstmedikation.
Ich glaube sie haben beim Blutabnehmen meine Vene durch- und in die Arterie hinein gestochen, sagt der Kanzler am Telefon, mehr zu sich selbst, als zu mir, und natürlich werde ich hellhörig und hake nach. Es puckert, sagt er, ich kann es puckern sehen, und er überlegt ob nun möglicherweise die beiden Gefäßsysteme miteinander vebunden und zusammen gewachsen sein könnten.

Das wäre aber schlecht, Papa, antworte ich, nun hochgradig alarmiert und innerlich am Vibrieren und er sagt: Ach was!
Aber Papa- venöses und arterielles Blut zu mischen ist nicht gut.
Mach dir um mich bloß keine Sorgen! beendet er das Thema.
Und genau das mache ich selbstverständlich, weil er mein Vater ist und weil es mir in die Wiege gelegt, mir mit der Flasche eingeflößt, mir sozusagen intravenös verabreicht wurde und man mich vom ersten Atemzug an gelehrt hat, mir jederzeit möglichst viele möglichst seelenzermürbende Sorgen zu machen.

Und dann muss ich auf einmal an die arme G. denken, deren Todestag sich im Januar schon zum zweiten Mal jähren wird und deren Sohn, der Kanzlerenkel, inzwischen mit seinem Vater und dessen neuer Freundin in den Niederlanden lebt und seine Großeltern arg vermist, und dann fallen mir, wie jedes Jahr um diese Zeit, Elvis und David Bowie ein und ich denke: nur Eine ist von uns Vieren noch übrig geblieben, Eine nur.
Ein Wunder, dass ausgerechnet ich das bin.
Hallelujah.

 

 

Ein quicklebendiges und sorgenfreies Jahr wünsche ich allerseits!