Als Kind sah ich einen schwarz-weiß Film über eine kranke (junge) Frau, die in einer Art Pavillon mit bodentiefen Fenstern im Bett lag und auf den Tod wartete.
Es war Herbst, die Bäume verloren ihr Laub. Sie wusste: mit dem Fall des letzten Blattes, würde sie ihr Leben aushauchen.
Doch ein kauziger älterer Mann, eine Art Schmuckeremit, den die wohlhabende Familie auf ihrem Anwesen leben ließen, und der nicht nur eine gute Seele, sondern auch ein verkappter und verkannter Künstler war, malte, während sie schlief, heimlich bunte Blätter an ihre Fensterscheibe und verhinderte mit diesem kleinen Betrug ihren Tod.
Wenn die Frau nur ein bisschen genauer hingeschaut hätte, dachte ich, hätte ihr auffallen müssen, dass die Äste des Baumes sich im Novemberwind wiegten, die aufgemalten Blätter jedoch starr blieben wie ein Glasauge. Außerdem: was sollte das für eine Krankheit sein, wenn sie allein durch die Hoffnung über das Verbleiben von ein wenig Laub am Baum geheilt werden konnte?
Eines der letzten Blätter am Baum war mein Vater. Ihm gegenüber empfand ich, ganz gleich wie schlecht es mir ging, immer eine Verpflichtung zum Leben.
Jetzt sind es das Tölchen, der Besuchshund und die Tigerin für die ich noch Verantwortung trage. Sind sie tot, bin ich frei.