tikerscherk ist bzw. war eine Kunstfigur, die meine Züge trägt und die mich das vergangene Jahrzehnt begleitet hat. Doch während tiker noch immer rudert und hadert, in vertrauter Weise aus den Unbillen der Vergangenheit und der Gegenwart kleine und selbstähnliche (häufig larmoyante) Geschichtchen strickt und sich in Schwermut ergeht, habe ich, die tikerfrau, einen anderen Weg gewählt und entferne mich mehr und mehr von der tikerscherk´schen Scholle und ihren Bewohnern.
Die Kluft zwischen unser beider Leben ist in den pandemischen Monaten so groß geworden, dass ich, wenn ich nicht wieder und wieder die oft genug und in Variationen zu Gehör gebrachten Anekdoten herunterbeten möchte, kaum noch etwas zu schreiben weiß, weil das was tiker fühlt und betrauert inzwischen abseits meines eigenen (aktuellen) Empfindungsstranges liegt, und ich für meine diesseitige neue Welt bisher weder Ausdrucksform noch – drang entwickelt habe.
Die neue real life tikerfrau ist beinahe so etwas wie der Negativabdruck der tikerscherk´schen Existenz geworden. Wo die Eine unablässig ihren Verletzungen und Verlusten nachspürt, unfähig das schwere Segel aus dem dunklen Nass zu ziehen, und dieses beständige Scheitern detailgenau und mit sturmdräuernder Sprache in die Welt pathetisieren muss, genießt die Andere im allgegenwärtigen Schatten des Todes jeden Sonnenstrahl, jedes Lüftchen, jeden Laut und ummantelt sich mit Schweigen, (über das was sich ohnehin nicht ändern lässt, und dem Worte nur noch mehr Raum und ein Denkmal schaffen würden, anstatt es in der Sphäre des Flüchtigen zu belassen).
Man sagt Menschen änderten sich nicht, doch ich sage: wrong. Denn während tiker, das zurückgelassene Kunstselbst, unverdrossen weiter (und zu Recht) über die Grausamkeit der Welt und das Drama der vergehenden Zeit lamentiert, ist die coronageläuterte tikerfrau zur achselzuckenden Pragmatikerin geworden, deren vornehmlichster Wunsch es ist, soviel Glück wie möglich in ihr stetig versickerndes Dasein laufen zu lassen, anstatt weiterhin die Meilensteine des Schmerzes zu vergolden und zu betrauern was vergangen ist oder niemals war.
Ob bzw. über was die tikerfrau künftig schreiben wird, steht in den Sternen.