Endlosschleife

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Ich erwache von den schweren Schritten der Rettungssanitäter im Flur. Eine stampfende Rinderherde. Soviel Kraft.
Dann die Stimme des Unterfranken. Obwohl sie laut sprechen, kann ich nicht verstehen was sie sagen.
Es ist dunkel im Schlafzimmer, die Holzrolläden sind herunter gelassen, nur das kleine rote Lämpchen neben der Türe brennt.
Die Männer kommen in den Raum und stellen ihre Taschen ab. Sogleich treten zwei von ihnen an mich heran, heben mich aus dem Bett und legen mich auf den Boden. Mit schnellem Griff schieben sie mein Hemd hoch, kleben mir Elektroden auf den Brustkorb und beginnen mit der Herzmassage. Ein splitterndes, berstendes Geräusch, als durchtrennte eine Heckenschere Knochen und Knorpel. Ich schreie vor Schmerz, da setzen sie mir eine Sauerstoffmaske auf Nase und Mund. Einer fixiert meinen Kopf zwischen seinen Knien. Ein weiterer hält meine Arme fest. Die Massage geht weiter. 100-120 Kompressionen pro Minute.

Another one bites the dust

Ich schließe die Augen, als sie mir einen Venenkatheter legen und Adrenalin injizieren. Mir wird heiß, mein Herz rast wie wild. Ich habe Angst. Jetzt kleben sie die beiden Paddles auf. Rechte Brust, linke Seite. Ein ansteigender, elektronischer Ton, das Gerät lädt. Im Hintergrund das rasendlaute Piepen meines Pulses auf dem Monitor.
Als der Ton verstummt unterbrechen sie die Herzmassage.
Achtung! Zurücktreten!
Ich versuche mich zu wehren. Nein, bitte nicht, mir geht es gut! Die Maske verschluckt meine Worte.
Du brauchst das, sonst stirbst du, höre ich den Unterfranken sagen, da durchblitzt es meinen Körper mit unvorstellbarer Wucht.
Weißes Licht scheint hinter meinen Lidern auf. Ein Schlag, brennender Schmerz. Mein Rumpf wird nach oben gerissen.
4000 Volt.
Ein lang gezogenes Piepen. Schwindel, alles wird schwarz, ich stürze nach hinten, ins Dunkle, kein Halt.

Stille. Wasser, Schilf, Sonne

Als ich erwache, sehe ich einen Mann, der sich über mich beugt und im Takt von Staying alive auf mein gebrochenes Sternum drückt.
Ich schaue in seine Augen und weine.

So geht das jeden Morgen, Tag für Tag.

 

 

(Bild: J.H. Füssli, Nachtmahr, Quelle: Wikipedia)

Vergrämen

image_531401110004504569548(Foto: wallpapers-de.ru)

Vergrämen/

Tauben mit Spikes

Junkies mit klassischer Musik

Flüchtlinge mit Zäunen

Waschbären mit Ultraschall

Marder mit Stromschlägen

Obdachlose mit Anti-Homeless-Architektur

Einheimische durch Geld

Voll süß! Mini-Bürgerkrieg in Deutschland.

Bildschirmfoto 2014-10-29 um 09.18.50(screenshot gmx vom 29.10.2014)

Der Zugang zu meinem gmx-Konto ist seit heute nicht mehr möglich. Ein neues Passwort zu erstellen funktioniert auch nicht, weil das Captcha, das ich wiedergeben soll erst gar nicht angezeigt wird.
Bei der kostenpflichtigen Hotline für 3,99€ soll ich anrufen. Danke schön.

Inzwischen blättere ich ein bißchen auf den reißerischen Nachrichtenseiten des Anbieters herum und erschrecke beinahe zu Tode, als ich die Überschrift vom Mini-Bürgerkrieg lese. Das ist ja schrecklich! Hoffentlich hat der Verfassungsschutz das im Blick, und wie ist das überhaupt möglich?
Schnell die Seite angeklickt. Gott sei Dank, der Konflikt scheint gelöst, die entsprechende Nachricht gibt es nicht mehr.
War halt auch nur ein ganz kleiner Konflikt. Mini, sozusagen. So einer, den man einfach löschen kann. Voll süß, gmx!

 

Das Vorstellungsgespräch

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Bewerberin beim Vorstellungsgespräch

 

Da bin ich aber froh, dass der Job nicht so früh morgens losgeht. Das liegt mir nämlich nicht. Da komm ich gar nicht aus dem Bett.

Aha.

Ja, das schaffe ich einfach nicht. Ich guck nämlich gerne Fernsehen abends. Vor allem Fußball. (lacht und zwinkert in die Runde) Super! Das andere krieg ich hin. Nur Mittwochs, da gehe ich den ganzen Tag in die Sauna, da kann ich nicht.

Macht nichts, geht ja um einen Wochenendjob.

Das ist gut. Dann kann ich unter der Woche alles machen was ich will.

Ja, das könnten Sie dann.

Darf man hier eigentlich rauchen?

Nein, leider nicht.

Hab ich mir gedacht. Gehe ich halt raus zum Rauchen und ansonsten werfe ich einfach meine E-Zigarette an, kein Problem.

Gut. Soll ich Ihnen jetzt etwas über die Arbeit erzählen, die Abläufe?

Ne, das seh´ ja dann.

Keine Fragen mehr?

Ne, erstmal nich.

Gut. Ich melde mich.

Toll! Also ich hätte den Job sehr gerne.

Ich melde mich bei Ihnen. Schönen Tag noch.

Ja, den mach ich mir. Ich gehe jetzt spazieren. Bin nämlich Frischluftfanatikerin.

Viel Spaß dann.

Ja, den werde ich haben, keine Sorge. Also, bis da-hann…

Geht noch weiter redend durch die Tür und ab.

Should lanterns shine

20120728163020!Dylan_Thomas_photo(photo credit: Wikipedia)

Should lanterns shine

Should lanterns shine, the holy face,
Caught in an octagon of unaccustomed light,
Would wither up, and any boy of love
Look twice before he fell from grace.
The features in their private dark
Are formed of flesh, but let the false day come
And from her lips the faded pigments fall,
The mummy cloths expose an ancient breast.

I have been told to reason by the heart,
But heart, like head, leads helplessly;
I have been told to reason by the pulse,
And, when it quickens, alter the actions‘ pace
Till field and roof lie level and the same
So fast I move defying time, the quiet gentleman
Whose beard wags in Egyptian wind.

I have heard many years of telling,
And many years should see some change.

The ball I threw while playing in the park
Has not yet reached the ground.

***

When I woke

When I woke, the town spoke.
Birds and clocks and cross bells
Dinned aside the coiling crowd,
The reptile profligates in a flame,
Spoilers and pokers of sleep,
The next-door sea dispelled
Frogs and satans and woman-luck,
While a man outside with a billhook,
Up to his head in his blood,
Cutting the morning off,
The warm-veined double of Time
And his scarving beard from a book,
Slashed down the last snake as though
It were a wand or subtle bough,
Its tongue peeled in the wrap of a leaf.

Every morning I make,
God in bed, good and bad,
After a water-face walk,
The death-stagged scatter-breath
Mammoth and sparrowfall
Everybody’s earth.
Where birds ride like leaves and boats like ducks
I heard, this morning, waking,
Crossly out of the town noises
A voice in the erected air,
No prophet-progeny of mine,
Cry my sea town was breaking.
No Time, spoke the clocks, no God, rang the bells,
I drew the white sheet over the islands
And the coins on my eyelids sang like shells.

***

And death shall have no dominion

And death shall have no dominion.
Dead man naked they shall be one
With the man in the wind and the west moon;
When their bones are picked clean and the clean bones gone,
They shall have stars at elbow and foot;
Though they go mad they shall be sane,
Though they sink through the sea they shall rise again;
Though lovers be lost love shall not;
And death shall have no dominion.

And death shall have no dominion.
Under the windings of the sea
They lying long shall not die windily;
Twisting on racks when sinews give way,
Strapped to a wheel, yet they shall not break;
Faith in their hands shall snap in two,
And the unicorn evils run them through;
Split all ends up they shan’t crack;
And death shall have no dominion.

And death shall have no dominion.
No more may gulls cry at their ears
Or waves break loud on the seashores;
Where blew a flower may a flower no more
Lift its head to the blows of the rain;
Though they be mad and dead as nails,
Heads of the characters hammer through daisies;
Break in the sun till the sun breaks down,
And death shall have no dominion.

Dem großen walisischen Dichter Dylan Thomas zum hundertsten Geburtstag.

Forever young, oder Vom Stolpern und vom Klopfen

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Nein, ich bin nicht krank, und mir fehlt auch nichts, nur jemand. Wenn es aber schon wieder so holpert und stolpert in meiner Brust, obwohl ich doch gerade erst diesen lästigen Nerv habe weg lasern lassen, dann werde ich trotzdem ein wenig nervös, um nicht zu sagen hysterisch.
Die Schwester anzurufen, würde nur wieder die gleiche und berechtigte Affirmation (Aktives, bzw. Aggressives Zuwarten) nach sich ziehen.

Türlich, türlich (sicher Digger)

Das Nachlesen in betroffenheitsspratzenden Internetforen indes treibt mich dem nächsten Apotheker in die Arme, der mir sogleich pflanzliche Wässerchen empfiehlt, statt mich zum Arzt, also zur Schwester zu schicken.
Nachdem Krankheiten und gesundheitliche Malaisen in letzter Zeit einigen Raum in diesem Blog einnahmen, ziehe ich in Erwägung es (vorübergehend) in Interims-Apothekenumschau umzubenennen und mir in vorauseilender Multimorbidität zum nächsten Geburtstag (remember the king) einen gut sortierten Fresskorb zu wünschen.
Bitte ohne Koffein, Nikotin, tierisches Eiweiß oder Alkohol, auch keine Kreuzberger Molle. Denn Jugend ist Rausch ohne Wein, wie schon mein Vater nicht müde wurde mir in meiner Adoleszenz hinterher zurufen, wenn ich des Nachts mit wild klopfendem Herzen aus dem Haus stolperte, um mein Leben zu feiern.

 

(Herz-gif Wikipedia)

Champagner kackt

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(Foto: Wikipedia,  Mosaik: Julien Bertrand)

Guck mal, Champagner kackt, sagt Freundin B. zu mir, und zeigt auf den kleinen Nachbarshund, der mit gekrümmtem Rücken auf dem Mariannenplatz steht und sich erleichtert.
Tatsächlich, Champagner kackt. So etwas wäre vor 100 Jahren noch nicht möglich gewesen.

 

Guadeloupe, oder Ein Jahresrückblick

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Silvester am 17. Juni
, steht auf den Plakaten, die für die alljährliche Jahresendparty am Brandenburger Tor werben, und wie in jedem Jahr entlocken mir die beiden Datumsnennungen für dieses besondere Ereignis ein kleines Lächeln.
Beide Daten spielen übrigens in meinem persönlichen Kalender, beziehungsweise für meine Freizeitplanung keinerlei Rolle: Silvester gibt mir grundsätzlich nichts, und seit der 3. Oktober den 17. Juni als Tag der Deutschen Einheit abgelöst hat, ist letzterer auch nichts mehr, als ein ganz normaler Arbeitstag, sowie der Ort (Location) für die größten Massenbesäufnisse Deutschlands.
Mein persönliches Jahresende wird dieses Jahr bereits am 4. November erreicht sein, wenn der Wind von Norden weht und mit der Kälte die Wärme kommt.
Dann bin ich durch mit 2014, dem Jahr, das mich so durchgeschüttelt hat, wie nur wenige zuvor in meinem Leben.
Mir reicht es. Ich habe genug.
Fing der Januar mit einer kleinen Erkältung an, in deren Verlauf mir die beiden Jahresmotti zufielen, denen ich bis heute treu geblieben bin und auch in Zukunft treu bleiben werde, so verliefen der Februar und März zwar nicht gerade ereignislos, ließen mich aber nicht einmal erahnen was noch auf mich zukommen sollte.
Im April nahm ich einen ganz besonderen und für mich sehr wertvollen Faden auf, der mich schon ein kleines Weilchen begleitet hatte, und begann ihn lose und ohne Vorsatz, aber mit großer Sorgfalt und Vorsicht in meinen Lebensteppich ein zu weben. Den Mai verbrachte ich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, brach zur Elbe auf, landete an der Oder, reiste ans Meer und lauschte der Tempelglocke, sprach in die Muschel und horchte auf das Echo. Diese Reisen und Ausflüge setzte ich bis zu einer Operation am 17. Juni (ausgerechnet) fort, die zwar mehrere Stunden dauerte, aber immerhin komplikationslos verlief und mir berauschende Erlebnisse zwischen Propofol und Diazepam bescherte.
Im Juli dann reiste ich ins Allgäu und später nach Franken, wo ich die Nächte mit Nietzsche verbrachte, und meine Wunden im Sommerglück und im Kreise meiner Freunde verheilen ließ.
Im August dann wurde es metaphysisch und physisch zugleich, und im September gingen wir zusammen auf den Dortheenstädtischen Friedhof und wurden beim Betreten mit einem sachten Windstoß empfangen, der das gelbe Laub eines Akazienzweiges auf uns herabwehen ließ, wie Blütenregen. Ich sagte dir welche Musik ihr zu meiner Beerdigung spielen möget, du zeigtest mir die Gräber von Hegel und Fichte. Wir entdeckten kleine Kaninchenfutterstellen unter verholzten Koniferen.
Die Spiegelungen gegen Monatsende zogen einen Eingriff nach sich, dessen schlamperte Durchführung mir die kommenden 2 Wochen zur Hölle machten, bis ich schließlich aus ganz anderem Grunde und völlig überraschend am 5. Oktober zu Boden ging aber glücklicherweise wieder auf die Füße gebracht wurde. Ewiger Dank der Berliner Feuerwehr!
Nun neigt auch dieser Monat sich seinem Ende zu, und die dunkle Zeit beginnt.
Ich bin noch immer schwach und sehr erschöpft, aber auch glücklich und freue mich an dem besonderen Webmuster und der Beschaffenheit meines Lebensteppichs.
Für 2014 habe ich sämtliche Energie verbraucht. Die verbleibende Zeit bis zum Jahreswechsel werde ich im Interim verbringen, von wo ich der geneigten Leserschaft weiter berichten werde.
Das Jahresmotto für 2015 indes, steht schon heute fest. Es wird zugleich die Inschrift auf meinem Grabstein sein. Irgendwann.

Vertragt Euch.

 

Der Schlachter

20141008_080159Die schwarze Limousine, in die ich steige, ist ein englisches Taxi.
Der Innenraum des Wagens ist überraschend groß. Wie ein Schulbus.
Wir sind 40 Frauen, die auf den langen Bänken sitzen, die in Fahrtrichtung vor den Fenstern montiert sind. Von der Fahrerkabine sind wir durch eine Glasscheibe getrennt.
Es ist Nacht, und wir fahren durch einsame Vorstadtstraßen.
Der Fahrer hält an und kommt in den Fahrgastraum. Er beginnt die Frauen mit einem Küchenmesser abzuschlachten, eine nach der anderen. Sie wehren sich nicht, Alles ist voller Blut, und ich merke erst jetzt, dass der Bus innen vollkommen weiss gefliest ist, wie ein Schlachthaus.
Auf unerklärliche Weise gelingt es mir zu fliehen und mich unter dem Wagen zu verstecken, der am Straßenrand geparkt und hell erleuchtet ist. Jeder könnte sehen, was dort geschieht. Aber es ist niemand da.
Ich habe Todesangst.

Zuhause dann, stelle ich fest, dass ich mit dem Mann zusammen lebe. Er ist ein Neurologe und Psychiater.
Wir stehen in meiner Küche, als er eine Handvoll kleinerer Knochen und Knorpel neben die Spüle legt. Er hat kräftige, dicke Finger. An den Knochen hängen noch blutige Fleischreste. Die Knorpelstücke entpuppen sich als ein paar Ohren.
Ich halte den Atem an, weil ich weiß, dass er anhand der Knochen und der Ohren feststellen kann, dass ihm eine der Frauen entwischt ist, und dass ich das bin. Ich weiß, dass er mich dann töten wird.
Ich stehe hinter ihm und schaue ihm zu, wie er die Knochen in der Hand dreht, und von allen Seiten prüfend betrachtet. Dann legt er die Ohren nebeneinander auf die Arbeitsplatte. Ich erschrecke, als ich erkenne, dass es zwei linke Ohren sind, die nicht von einem Menschen stammen können. Gleich wird er merken, dass ich ihm entkommen bin.
Er schaut die Ohren an, lächelt, und nickt zufrieden.
Dieses Mal habe ich Glück gehabt.