Erst nach und nach richten sich die Fasern in die neue Richtung aus. Die Trägheit der Seele, der Gewohnheit, das Phlegma des Vertrauens in die Zuverlässigkeit der Welt, in das So-Sein. Treu und Glauben. Die Seegurke am Meeresboden, die dort zugrunde geht wo sie immer schon war. (Jemanden abholen wo er liegt)
Ein Jahr hat es gebraucht, um auch die letzte Ungewissheit, das ungläubige Das-kann-nicht-wahr-sein zur spröden Gewissheit werden zu lassen. Wir sind nicht einfach sterblich, wir sterben schon zu Lebzeiten und es ist kein schnelles Herunterspülen – kaum bemerkt schon vorbei – es ist eine Echse, ein Varan, ein Raubtier mit giftigen Reißzähnen, das dich ungerührt häppchenweise und bei lebendigem Leibe von den Beinen aufwärts zermalmt derweil du schreist.
Bald schon nimmt der Jäger die nächste Witterung auf.
Viversum bietet an, meine Zukunft zu deuten. Eine interessante Offerte. Man scheint dort mehr zu wissen als ich. (Sie werden sterben und Ihre Angehörigen werden trauern. Zumindest einige davon. Ausgenommen vielleicht Ihr Bruder. Auch für Sie wird es eine eher unangenehme sowie existenzielle Erfahrung werden.
– Oh, danke vielmals, Viversum! Ich konnte die künftigen Ereignisse bisher nicht einordnen.)
Die Zukunft zu deuten ist wie bei voller Fahrt mit dem Finger auf den Busfahrplan zu zeigen: Sie befinden sich hier.
Lieber schaue ich aus dem Fenster, die Landschaft zieht an mir vorbei, die Menschen, die Geschehnisse, die Zeit. Nichts bleibt. Türme stürzen ein, neue werden errichtet um wieder zerstört zu werden. Der Wind nimmt die Klage von den Lippen und trägt sie davon.
Die eigene Bedeutungslosigkeit zu verstehen, zu begreifen, dass schon ein Schatten auf der Wand viel ist, wenn er bleibt, dass das Einzige was wir haben, unser Selbst, ohne Bedeutung ist für den Weltenlauf. Das ist das Schwerste, das Traurigste, das Niederschmetterndste und zugleich das Einzig Wichtige. Der Schlüssel.
(Nein, ich bin nicht unglücklich. Ich wache gerade in fremder Umgebung auf).