Deuten

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Erst nach und nach richten sich die Fasern in die neue Richtung aus. Die Trägheit der Seele, der Gewohnheit, das Phlegma des Vertrauens in die Zuverlässigkeit der Welt, in das So-Sein. Treu und Glauben. Die Seegurke am Meeresboden, die dort zugrunde geht wo sie immer schon war. (Jemanden abholen wo er liegt)

Ein Jahr hat es gebraucht, um auch die letzte Ungewissheit, das ungläubige Das-kann-nicht-wahr-sein zur spröden Gewissheit werden zu lassen. Wir sind nicht einfach sterblich, wir sterben schon zu Lebzeiten und es ist kein schnelles Herunterspülen  – kaum bemerkt schon vorbei – es ist eine Echse, ein Varan, ein Raubtier mit giftigen Reißzähnen, das dich ungerührt häppchenweise und bei lebendigem Leibe von den Beinen aufwärts zermalmt derweil du schreist.
Bald schon nimmt der Jäger die nächste Witterung auf.

Viversum bietet an, meine Zukunft zu deuten. Eine interessante Offerte. Man scheint dort mehr zu wissen als ich. (Sie werden sterben und Ihre Angehörigen werden trauern. Zumindest einige davon. Ausgenommen vielleicht Ihr Bruder. Auch für Sie wird es eine eher unangenehme sowie existenzielle Erfahrung werden.
– Oh, danke vielmals, Viversum! Ich konnte die künftigen Ereignisse bisher nicht einordnen.)

Die Zukunft zu deuten ist wie bei voller Fahrt mit dem Finger auf den Busfahrplan zu zeigen: Sie befinden sich hier.

Lieber schaue ich aus dem Fenster, die Landschaft zieht an mir vorbei, die Menschen, die Geschehnisse, die Zeit. Nichts bleibt. Türme stürzen ein, neue werden errichtet um wieder zerstört zu werden. Der Wind nimmt die Klage von den Lippen und trägt sie davon.
Die eigene Bedeutungslosigkeit zu verstehen, zu begreifen, dass schon ein Schatten auf der Wand viel ist, wenn er bleibt, dass das Einzige was wir haben, unser Selbst, ohne Bedeutung ist für den Weltenlauf. Das ist das Schwerste, das Traurigste, das Niederschmetterndste und zugleich das Einzig Wichtige. Der Schlüssel.

 

 

 

 

(Nein, ich bin nicht unglücklich. Ich wache gerade in fremder Umgebung auf).

 

 

 

 

Bild: Mario Zorzi, flickr,   Homepage Mario Zorzi: http://www.mariozorzi.it/
Lizenz: All Rights reserved. with kind permission of the artist (thank you very much, Mario!)

Lamento

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Ich sitze am Tisch und schreibe Briefe an fremde Menschen, die keine Brieffreunde und keine Redakteure sind.
In meiner Kindheit pflegte ich Brieffreundschaften. Woher ich die Adressen hatte, weiß ich nicht mehr. Eine meiner Brieffreundinen lebte in Bonn, der Stadt mit dem Kussmund anstelle eines O. Heike hieß sie und als sie in die Pubertät kam benutzte sie gerne Bodylotion von Fenjal. Ich benutzte keine Creme, lebte in Frankfurt und hatte gerade Punkrock und Cannabis entdeckt. Ihr Fluss hieß Rhein, meiner Main.
Eine andere trug ein van der im Nachnamen. Wir hatten uns nichts zu schreiben und so versandete die Brieffreundschaft nach ein wenig unbeholfenem Geplänkel schnell wieder. Anders als heute fiel mir nicht ein, was ich fremden Menschen hätte erzählen können. Lieber sang ich laut im Garten meiner Großeltern, in der Hoffnung die alten Nachbarn würden mich hören und sich freuen und vielleicht ein wenig Mitgefühl verspüren, weil ich so einsam und traurig war. Später, als ich schon lange alleine lebte, setzte ich mich an solchen Tagen neben die Wasserrohre in meinem Badezimmer und weinte, damit meine Klage bis ganz hinunter in die Katakomben und hinauf in die Wohnung meiner schwulen Nachbarn dränge, die ich häufig beim Sex hörte. Einer der Beiden brach jedes Mal danach in lautes Schluchzen aus und so erschien es mir nur angemessen, sie auch an meinem Leben und Leiden teilhaben zu lassen. Mein Wimmern verfehlte seine Wirkung nicht: zu Weihnachten hängten die beiden mir ein Tütchen mit selbstgemachten Lebkuchen an die Wohnungstür.

Heute also schreibe ich wieder Briefe an fremde Menschen und erkläre ihnen nicht wer ich bin, sondern wie es ist und was mir daran falsch erscheint. Ich schluchze nicht, ich singe nicht, ich berichte.  Ist die Geschichte zuende erzählt, verwerfe ich sie ungelesen. Danach kann ich endlich weinen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: Юля Евдокимова j699_030s Калининград, сентябрь 2017, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Nur drei Wochen hielt der Frieden und nun geht es von vorne los.

Was will man einer Behörde entgegen setzen, die nicht einmal ein richterliches Urteil als Rechtsgrund anerkennt.

 

Blaues Band usw.

Die Tigerin steckt nach Monaten der Ruhe wieder in einer Krise mit Appetitlosigkeit und Erbrechen. Ich gebe ihr einen Krümel Mirtazapin, bald darauf geht sie an den Napf.

Der Bekannte weilt im Norden. Nachts liege ich mit ausgebreiteten Armen im Bett, ziehe mir auf dem Tablet Abenteuer Diagnose rein und freue mich, nicht auch noch an all diesen anderen seltenen Krankheiten zu leiden. Immerhin sind die vorgestellten Malaisen alle behandelbar und den vorgestellten Patienten geht es inzwischen wieder gut. Die Folgen in denen Parasiten vorkommen, überspringe ich.

Nach dem langen Winter trägt das liebe Tölchen eine nicht zu entfilzende Matte am Leib. Es wird Zeit für einen Haarschnitt. Bald.
Die spanische Miezekatze umarmt die Heizungsrippen, um sich zu wärmen. Erst im Hochsommer hört sie damit auf.

Die frisch geputzten Fensterscheiben halten die Sonnenstrahlen nicht mehr ab. Ich drehe die Lamellen ein wenig zu und blinzle in einen Streifen weissen Lichtes.

Am Nachmittag gehe ich eine Runde über den Platz. Der traurige Fünzigjährige mit den halblangen grauen Haaren und der speckigen Jeansjacke steht unberaten vor dem Eingang des Bethanien, sein frustrierter Retriever zieht feste an der Leine und will zu Tölchen. Entschuldigend lächelt der traurige Mann und ich lächle zurück und spüre einen kleinen Schmerz, ein wehes Bedauern, doch ehe das Gefühl Besitz von mir ergreift, schnappe ich meinen Hund, deren Hinterbeine schon wieder steif werden vor Schwäche und mache mich mit Tölchen auf dem Arm auf zum Baumarkt.

Bei der ehemaligen Galeria Kaufhof am Ostbahnhof klaffen riesige Löcher in der Mosaikfassade. Ein modernes Bürogbäude soll aus dem alten Kasten werden. Im Moment aber sieht er genau so aus, wie man sich drinnen immer gefühlt hat.
In Erinnerung an die guten alten selbstinduzierten Verstimmungen, setze ich mich in der Küchenabteilung von Hellweg probehalber auf einen viel zu hohen Barhocker, dem ein viel zu niedriger Tisch gegenüber steht und schaue mir das Plastikfurnier ringsum an. So ein Leben könnte man auch haben.
Die Klodeckelabteilung mit den originellen Motiven überspringe ich dieses Mal.

Draußen auf dem Freigelände stehen die ersten Primeln, Stiefmütterchen, Hyazinthen und Narzissen zum Verkauf und ich weiß nicht genau, ob mich die Pflanzenklone bedrücken, oder ob sie mich als Boten des Frühlings beglücken sollen.

Mit leeren Händen gehe ich später durch die Kasse, wo die gleiche Verkäuferin von immer die Stellung hält. Wir nicken uns zu und registrieren im Vorbeigehen, wie jede sich über den Winter verändert hat. Bei mir sind es ein paar graue Haare mehr, länger sind sie auch und die Wellen kommen zurück. Ihre Haare sind inzwischen wieder schwarz und zu einem dicken Seitenzopf geflochten. Ich trage dieselbe schwarze Jacke, sie ihren roten Kittel. Ich kein Makeup, sie ziemlich viel davon.

Im Eingangsbereich des Marktes wird umgebaut. Der Bäcker ist verschwunden und mit ihm die Frau mit dem schütteren magentaroten Haar und der verlässlich schlechten Laune. Die Ware war eher mau, doch die Laugenecken mochte ich, wie ich überhaupt Fettiges liebe, obwohl es mir nicht bekommt.

Auf dem sonnenbeschienenen, gleißend hellen Parkplatz tippelt ein Obdachloser im Rollstuhl mit zerrupftem Bart und zerschlissener Kleidung die Autoreihen entlang und schaut ob dem Ein oder Anderen beim Aussteigen vielleicht ein wenig Kleingeld aus der Hosentasche gefallen ist.  Ich würde ihm gerne etwas geben.

An der Ampel vor der Schillingbrücke stehen frische Blumen und ein verwittertes Kreuz für den hier verunglückten Radfahrer Jakob.
Das Pimmelhaus gegenüber ist verschwunden. Dort, wo es war, klafft jetzt eine Baugrube. Im Yaam gleich nebenan ist nichts los, die Stadt schläft noch und die Spree fließt gemächlich zwischen den Ufernmauern entlang.
Bald  werden die Menschen zurück kehren auf die Plätze.

teilnehmen

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Ein Haus bauen, um niemals dort einzuziehen. Die Kirschen am Baum belassen. Der geschenkte und (um ein Haar) nicht eingelöste Kuss. Geopferte Unsterblichkeit.

In meiner Kindheit gab es Bilderwitze ohne Worte. Oft handelten sie von Lawinenhunden mit kleinen Schnapsfässern um den Hals oder von Fakiren die spärlich bekleidet und im Schneidersitz auf Nagelbrettern oder fliegenden Teppichen saßen und mit einer Flöte Schlangen in Körben beschworen. Es war eine merkwürdige Welt, die sich mir zeigte und ich betrachtete sie aufmerksam.

Auch Nudelhölzer spielten in dieser Zeit eine Rolle und Worte wie frivol und vergewohltätigen wurden mit kokett gespitzten Lippen und connaisseurhaftem Zwinkern im Munde geführt. Gerne berief man sich auf Freud und dessen Versprecher.

Meine Spielbegabung war nur schwach ausgeprägt, Phantasie und Abstraktionsvermögen fehlten mir weitestgehend. Was man mir sagte nahm ich wörtlich (deine Rede sei ja, ja und nein, nein) was mir begegnete für bare Münze. So zu tun als ob gelang mir nicht. Ich konnte nicht Prinzessin spielen. Ich wusste, dass ich keine war. Gerne ging ich an der Hand der Erwachsenen. Ihnen johlend voraus zu rennen, um Tauben aufzuschrecken, oder mit langen Stöcken im Gebüsch herum zu stochern, kam mir nicht in den Sinn. Ich wollte den Dingen nicht auf den Grund gehen, ich ließ sie auf mich wirken. Das allein war tagfüllend und ist es bis heute.

Fast alles, was ich erlebte, spielte sich in meinem Inneren ab. Wenn ich nicht unter meinem Tisch saß und rechnete, hockte ich auf dem Bett und beobachtete meine Puppen, wie sie sich tot stellten.

Faul war und bin ich. Lieber verhob ich mich, statt einen Weg doppelt zu gehen.
Während eines Praktikums erzählte mir meine Vorgesetzte, ihr Vater habe nur deshalb der Demenz soviel entgegen zu setzen gehabt, weil sein akademisches Gehirn im Laufe des Lebens multiple Vernetzungen angelegt hatte. Ich fühlte mich bestätigt.
Jeden Tag einen anderen Weg nehmen, niemals umkehren, keine Strecke doppelt gehen und nichts zu Ende bringen. Losmarschieren, ins Schlendern kommen, stehen bleiben, Abkürzungen finden, das Ziel aus den Augen verlieren, sich verzetteln, neue Pfade anlegen, Dinge andenken, der Ablenkung nachgeben, halbfertige Gedanken am Wegesrand liegen lassen, den ein oder anderen mitnehmen, an einem dunklen Ort verwahren und dort für Jahre vergessen. Kosten, probieren, erkunden.

Alles ist und war gleichermaßen interessant wie unverständlich.  Doch erst mit dem Erwachsenwerden fing ich an zu staunen, dann und wann.

Ich will nichts erreichen, ich suche nicht nach Erkenntnis, nicht nach Ruhm oder Ansehen. Titel und Auszeichnungen beeindrucken mich nicht. Besitz ist mir gleich.
Wissen hingegen macht mich schwach, Witz ist Licht, Großzügigkeit ist Größe, Wärme Leben und Eleganz Luxus.
Das Maultier grast und weiß nicht was es vom Pferd unterscheidet.

 

 

 

 

 

 

Bild: flickr,  Юля Евдокимова
Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

täuschen

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Sich den Saure-Trauben-Effekt zunutze machen. Strategisch denken. Täuschen. Das Ziel nicht aus den Augen verlieren und Umwege in Kauf nehmen, um es zu erreichen. Sich zum Schein verbünden, sich vermeintlich offenbaren. Bedürfnisse maskieren. Falsche Wünsche äußern, um die eigentlichen wahr werden zu lassen. Eine Herausforderung für Jemanden der sein Herz auf der Zunge trägt und gewohnt ist mit weichen Lippen das Zuckerle von der warmen Hand zu klauben.
Viel musste ich lernen und manchmal stehe ich neben mir und wundere mich, was gerade aus mir wird. Die Füße stillhalten anstatt weit ausholend oder auskeulend durch die Welt zu galoppieren Bin ich das noch? Die Exzentrikerin in mir, die Stärkste von uns allen, dicht gefolgt von der Schüchternen und Ängstlichen, scharrt mit den Hufen und dreht die Augen auf links, dass das Weiße aufschäumt so sehr tourettet es inwendig. Aber ich schaff das, ich schaff das, über meinen Schatten zu springen, ein Pokerface, still wie ein Bergsee über das Bambigesicht zu klappen, mich nicht zu erkennen geben.

Die Heuchlerin schlurft die Treppe herunter, noch immer kein Stolperdraht und wahrscheinlich niemals, wenn nicht ich mich erbarmen sollte. In meiner Wohnung schaut sie sich um, reibt sich das Hexenkinn und späht umher. Ich kann sie nicht leiden, ich mag sie nicht und lächle sie an und nicke und sage, sie möge es einfach machen, wie sie es für richtig befindet. Im Prinzip wäre es mir nicht so wichtig, vielleicht bevorzugte ich die Variante A ein klein wenig und schon sehe ich wie ihr Mundwinkel verräterisch zuckt während sie noch versucht, so zu tun, als dächte sie nach, ehe sie endlich zuschlagen und mir gegen das bloße Schienbein treten kann. Die Variante B wird es sein, sagt sie schließlich mit schlecht gespieltem Bedauern und fabuliert sodann hanebüchene Begründungen für ihr mieses Verhalten zusammen, während ich ein wenig enttäuscht aber ergeben dreinblicke, was ihr nur noch größere Freude in die morschen Knochen jagt.
Sie kann die Siegeshymne nicht hören, die ich innerlich bereits angestimmt habe und die sich ob meines vortrefflich geglückten Schachzuges jauchzend und frohlockend in schwindelnde Walkürenhöhen emporschraubt.
Viel gelernt in den letzten Monaten.

 

 

 

 

 

 

 

Bild: diadà, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

so geht Tagebuchbloggen

Ironie versteh ich nicht, Pünktlichkeit steht mir nicht, nachts durchschlafen ist nicht.

Manchmal ist alles ganz schnell ganz falsch und dann wieder vollkommen in Ordnung. Stimmungen und Menschen, eine Gemengelage (das Wort schreib ich gerade zum ersten Mal in diesem Leben).

Bei der Fülle der Aufgaben und der Vollzeitbeschäftigung, die sich daraus entwickelt hat, tauchen die netten und bezaubernden Gesten all derer die in den vergangenen Wochen helfen wollten wo keine Hilfe möglich war, noch immer nur verschwommen und am Rande meines Gesichtsfeldes auf. Im Fokus stehen die schmierigen Reste des dicken Fettkloßes, den wegzuschaffen wir ohne Unterlass und voller Widerwillen beschäftigt waren. Manche, manches, manchen und manchem, ein Satz, den zuende zu formulieren den Rahmen

Eine interessante Begegnung mit einer blinden Frau hatte ich heute. Als ich ihr von den Katzen erzähle, fängt sie laut zu lachen an. Ich weiß nicht welches Bild sie sich macht, ob sie sich überhaupt eines macht. Meine Kindesblindheit war ja eine, die die Welt schon gesehen und für jedes Wort eine bildliche Entsprechung im Kopf hatte. Dem Blinden von den Farben reden, der Blinden von den Katzen. Ganz gleich, wie sie sich die Geschichte, die sie hört, vergegenwärtigt, die Vorstellung macht sie sehr fröhlich.

Aalräucherei – Zylinderstifte

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Endlich wieder die Muße haben, dem Läuten der Gocken am Morgen zu lauschen, sich die Handvoll Menschen vorzustellen, die diesem Ruf folgen, um sich gemeinsam an Gott zu wenden, selbst aber im Bett liegen zu bleiben und sich von dem vertrauten Dröhnen in den Schlaf zurück tragen zu lassen um irgendwann, ganz ohne Wecker und Druck, erholt zu erwachen und in der sonnigen Küche mit einem duftenden Cappucino begrüßt zu werden.

Die Ruhe des Wochenendes habe ich mit dem Sortieren von Papierkram verbracht und mich mit jedem Dokument, das ich aus den Tiefen meiner Ordner pflückte, mehr in meine zukünftige Rolle als Aufstockerin eingefunden. Die Kämpfe der vergangenen Monate haben nicht nur müde, sondern auch arm gemacht. Nix als Schulden sind geblieben; am Monatsneunten waren gerade mal 29 € auf dem Konto. Wer da nicht am Rad dreht, hat Nerven aus Stahl.  Was mich nicht umbringt usw.

Im Postfach finde ich eine Mail der Freundin. Sie wird mich mit einem Privatdarlehen unterstützen. Ich würde alles für Dich tun, schreibt sie und ich weiß, dass sie es ganz genau so meint. Ich fühle mich beschenkt, solche Menschen in meinem Leben zu haben.

Niemand würde alles für jemanden tun, sagt der Bekannte, seiner Pflicht des Zweiflers zuverlässig nachkommend. Doch, du schon, antworte ich, du würdest mir sogar eine Niere spenden… Der Bekannte überlegt ein wenig hin und her, wiegt dabei den Kopf, um den inneren Abwägungsprozess für mich anschaulich zu machen und ist gerade im Begriff zustimmend zu nicken, als ich blitzschnell nachschiebe: …wenn ich Hunger hätte.

Wir necken uns wieder und das ist so entspannend und tut so gut, nach der langen, langen und dunklen Zeit.

Bald schon wird der Bekannte sein Köfferchen packen, mich auf´s Haar küssen und mit aufrechtem Gang in Richtung Bahnhof davon spazieren. Fünf Monate war er nun hier, mich zu unterstützen, jetzt ruft der Norden mit den großen Schiffen.

Es ist schön jemanden bereits zu vermissen, der noch nicht einmal weg ist.

 

 

 

 

 

 

 

Bild: bswise, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/