do not pick up anything that you haven’t dropped yourself

Mehr erfahren, statt mehr zu erwarten. Den halben Tag schauen und driften; gondeln, um das fragile Gleichgewicht nicht zu erschüttern. Seelen-Mikado. .

Schwarzer Regen umkreist die Stadt, die seit Monaten vor verschlossener Vitrine verdurstet, wie auch die Bäume am Kanal die Blätter hängen lassen. Zuviel, zuwenig. Das Maß. Wie immer.

Abgebrochene Gespräche, lose Enden. Kaudern, um die Wundränder trocken zu halten. Ein großer Irrtum der Glaube sie würden heilen je. Nichts heilt. Staub legt sich auf Alles. Gemahlene Zeit. Ein Schritt nur und und was war liegt frei.

War children is just a shot away

Ich lese, dass die Oberflächentemperatur des Mondes dort, wo ein Menschenfuß sie betrat, signifikant gestiegen ist. Verwirbelter Sand hat die darunter liegende, dunklere Schicht zum Vorschein gebracht. Einfallendes Licht erwärmt diese schneller als den helleren Staub. Et voilà.
Ob etwas brennt ist oft eine Frage der Toleranz oder der Sturheit und selbst der Fakir sehnt sich im Stillen nach Flausch.

 
Vor den Briefkästen treffe ich den hageren Mann, den ich seit Tagen durch den Garten stiefeln sah. Lächelnd kommt er auf mich zu und ergreift mit beiden Händen meine fragend dargebotene Hand. Seine Lippen formen meinen Namen. Wir kennen und freuen uns. Der 17 Jahre verschlossen gehaltene Sarkophag fragloser Loayalität öffnet sich. Darin ein verblichenes Geheimnis. Erinnerung an das andere Ende der Welt, an Urwald, Tradition, Ahnen und tropfnasses, tiefes Grün. Regen.

Firnis, römisch

 

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Regen prasselt wie Applaus auf meine Bettdecke. Neben mir dein Atem. Ich lege die Hand auf deinen Rücken, du schüttelst sie ab. Ein Traum.

Der Kanzler ist zu Besuch. Er redet über die Evolution als eine Geschichte deren Ende jetzt gekommen sei, denn wir sind ja da. Das Großhirn übernimmt das Steuer und lenkt die Geschicke der Menschen zum Guten. Es braucht nur noch die Apostel für die Verkündung der alleinzigen Wahrheit: Gerechtigkeit. Der ungläubige Thomas.

Der Bekannte hört ihm zu. Wir sprechen über Endlichkeit, über den Tod, der unser gemeinsames Schicksal ist, der uns voneinander trennt und zugleich auf ewig miteinander verbindet. Immer wieder fängt der Kanzler damit an. Er bereitet sich vor und sucht nach abschließenden Antworten, nach Trost. Alles soll schön und rund und heil werden. Es macht mich traurig, ihn so zu hören. Der Tod wohnt im Nebenzimmer, immer schon, doch nun hat er sein Ohr an die Wand gelegt.

Derweil ist es Sommer geworden in der Stadt, auf den Frühling hat sich Staub gelegt und allem Glanz einen matten Firnis verliehen. Am Morgen scheint eine römische Sonne in die Häuserschlucht.

Ich liebe diese Stadt.

Auch der Cousin, der Prof. Dr. und seine Frau, die Frau Dr. sind zu Besuch. Gemeinsam mit dem Kanzler sitzen wir in der Abendsonne, der Kanzler erzählt von früher und in der familiären Vertrautheit alter Tage packt ihn die Kalaueritis. Hundermal gehörte Scherze gibt er zum Besten, Erbwitze in dritter Generation. Ich fühle mich geborgen.  Weh und schwer wird mein Herz als am Sonntag alle wieder abreisen.

 

 

 

 

 

Bild: october bay, flickr, Berlin (Kreuzberg), Oranienstrasse x Mariannenstrasse
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Blaues Band usw.

Die Tigerin steckt nach Monaten der Ruhe wieder in einer Krise mit Appetitlosigkeit und Erbrechen. Ich gebe ihr einen Krümel Mirtazapin, bald darauf geht sie an den Napf.

Der Bekannte weilt im Norden. Nachts liege ich mit ausgebreiteten Armen im Bett, ziehe mir auf dem Tablet Abenteuer Diagnose rein und freue mich, nicht auch noch an all diesen anderen seltenen Krankheiten zu leiden. Immerhin sind die vorgestellten Malaisen alle behandelbar und den vorgestellten Patienten geht es inzwischen wieder gut. Die Folgen in denen Parasiten vorkommen, überspringe ich.

Nach dem langen Winter trägt das liebe Tölchen eine nicht zu entfilzende Matte am Leib. Es wird Zeit für einen Haarschnitt. Bald.
Die spanische Miezekatze umarmt die Heizungsrippen, um sich zu wärmen. Erst im Hochsommer hört sie damit auf.

Die frisch geputzten Fensterscheiben halten die Sonnenstrahlen nicht mehr ab. Ich drehe die Lamellen ein wenig zu und blinzle in einen Streifen weissen Lichtes.

Am Nachmittag gehe ich eine Runde über den Platz. Der traurige Fünzigjährige mit den halblangen grauen Haaren und der speckigen Jeansjacke steht unberaten vor dem Eingang des Bethanien, sein frustrierter Retriever zieht feste an der Leine und will zu Tölchen. Entschuldigend lächelt der traurige Mann und ich lächle zurück und spüre einen kleinen Schmerz, ein wehes Bedauern, doch ehe das Gefühl Besitz von mir ergreift, schnappe ich meinen Hund, deren Hinterbeine schon wieder steif werden vor Schwäche und mache mich mit Tölchen auf dem Arm auf zum Baumarkt.

Bei der ehemaligen Galeria Kaufhof am Ostbahnhof klaffen riesige Löcher in der Mosaikfassade. Ein modernes Bürogbäude soll aus dem alten Kasten werden. Im Moment aber sieht er genau so aus, wie man sich drinnen immer gefühlt hat.
In Erinnerung an die guten alten selbstinduzierten Verstimmungen, setze ich mich in der Küchenabteilung von Hellweg probehalber auf einen viel zu hohen Barhocker, dem ein viel zu niedriger Tisch gegenüber steht und schaue mir das Plastikfurnier ringsum an. So ein Leben könnte man auch haben.
Die Klodeckelabteilung mit den originellen Motiven überspringe ich dieses Mal.

Draußen auf dem Freigelände stehen die ersten Primeln, Stiefmütterchen, Hyazinthen und Narzissen zum Verkauf und ich weiß nicht genau, ob mich die Pflanzenklone bedrücken, oder ob sie mich als Boten des Frühlings beglücken sollen.

Mit leeren Händen gehe ich später durch die Kasse, wo die gleiche Verkäuferin von immer die Stellung hält. Wir nicken uns zu und registrieren im Vorbeigehen, wie jede sich über den Winter verändert hat. Bei mir sind es ein paar graue Haare mehr, länger sind sie auch und die Wellen kommen zurück. Ihre Haare sind inzwischen wieder schwarz und zu einem dicken Seitenzopf geflochten. Ich trage dieselbe schwarze Jacke, sie ihren roten Kittel. Ich kein Makeup, sie ziemlich viel davon.

Im Eingangsbereich des Marktes wird umgebaut. Der Bäcker ist verschwunden und mit ihm die Frau mit dem schütteren magentaroten Haar und der verlässlich schlechten Laune. Die Ware war eher mau, doch die Laugenecken mochte ich, wie ich überhaupt Fettiges liebe, obwohl es mir nicht bekommt.

Auf dem sonnenbeschienenen, gleißend hellen Parkplatz tippelt ein Obdachloser im Rollstuhl mit zerrupftem Bart und zerschlissener Kleidung die Autoreihen entlang und schaut ob dem Ein oder Anderen beim Aussteigen vielleicht ein wenig Kleingeld aus der Hosentasche gefallen ist.  Ich würde ihm gerne etwas geben.

An der Ampel vor der Schillingbrücke stehen frische Blumen und ein verwittertes Kreuz für den hier verunglückten Radfahrer Jakob.
Das Pimmelhaus gegenüber ist verschwunden. Dort, wo es war, klafft jetzt eine Baugrube. Im Yaam gleich nebenan ist nichts los, die Stadt schläft noch und die Spree fließt gemächlich zwischen den Ufernmauern entlang.
Bald  werden die Menschen zurück kehren auf die Plätze.

Heimliche Riesen

Eigentlich, so denke ich, während ich durch die Stadt gehe und den kranken Hund, wie ein zu groß geratenes Accessoire unter dem Arm trage, eigentlich könnte ich, wenn ich sowieso jeden Tag unterwegs bin, auch gleich ein bisschen Geld mit meiner inneren Unruhe verdienen und Location Scout werden, wie zum Beispiel Kai von Kotze (oder war das der Filmemacher?)  dessen Namen ich immer schon mal in meinem Blog platzieren wollte, was hiermit gelungen wäre. Herrn von Kotzes Name klingt mir nämlich schon seit Jahrzehnten im Ohr, und manchmal, wenn wir uns, was eine dumme Marotte von mir ist, über merkwürdige Nachnamen und ihren möglichen Ursprung unterhalten, beraten wir uns auch über Kai von Kotzes Namen, bei dem wir noch immer unentschieden sind, ob das ihm vorangestellte von den Namen noch krasser macht, oder ob genau das Gegenteil der Fall ist, und die drastische Wirkung durch den Zusatz abgemildert wird. Ich habe darauf keine Antwort, weiß aber, dass ich das von in Verbindung mit dem oder der Kotze ziemlich gut und herrlich hemmungslos finde.

 

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Als ich gestern mal wieder durch die Kleine Kurstraße und an der wunderbar unproportionierten und plumpen Wendeltreppe vorbei gehe, die mein innerer Scout sofort in das Location-Verzeichnis unter dem Stichwort ulkige Orte aufnimmt, erinnere ich mich daran, wie ich mich, nicht weit von hier, einmal am menschenleeren Spreekanal entlang durch die schattenlose Mittagsglut quälte und dabei an einem Baucontainer vorbeikam, in dem zwei muskulöse Männer, beide nackt, hintereinander am Fenster standen und sich schweißgebadet ihrer Lust hingaben, ein Anblick, der mich derart faszinierte, insbesondere weil der eine der beiden einen Bauhelm trug, dass ich, um nicht als Voyeurin Wurzeln zu schlagen, einen Zahn zulegte und erst wieder in meinen kommoden Trott zurück fiel, als ich, einen Steinwurf entfernt, die üblichen Angler an der kleinen Wasserstufe stehen sah und dieser vertraute Anblick mein aufgewühltes Gemüt angenehm glättete. In den Scheiben des Auswärtigen Amtes, gegenüber der Wasserstufe, spiegelte sich das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR (heute Sitz einer Business School) dessen Hauptportal früher einmal das Portal IV des ehemaligen Berliner Stadtschlosses war, welches nun vis à vis, wo der inzwischen abgerissene Palast der Republik stand, neu gebaut wird.
Geschichte kann ganz schön ironisch, denke ich beim Überqueren der Straße und freue mich en passant an der langen, schlangenförmigen Verkehrsinsel, die ich ebenso für meine Location-Agentur vormerke.

 
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Bei dem großen Baum, an dessen Ästen wir in milden Sommernächten auf einer alten Holzschaukel über das Wasser zu schwingen pflegten, wartet jetzt ein ungeeignetes Fluchtfahrzeug auf ein neues Abenteuer. Ein Stückchen weiter schlürfen die Heimlichen Riesen mit ihren langen, blauen Trinkhalmen ihren täglichen Kanalcocktail,

 

 

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in einer Ufernische wächst unterdessen ganz unbemerkt ein kleines Biotop. Blässhühner ziehen rostig rufend durch das Wasser, die Humboldtbox steht immer noch und überall ist Samsung.

 

 

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Unbox it

Gegenüber der Bauakademie halte ich den völlig überhitzten Hund in die weich perlende Wasserblüte des Brunnens und bündele unter den strengen Blicken Schinkels allen Mut und alle Kraft, um die letzten Meter durch die sengende Hitze über die Schlossbrücke noch irgendwie zu bewältigen, ehe der Schatten des Zeughauses mich gnädig kühlt und ich mich, mit meinem nassen Hund auf den Armen, an den Hütchen-Spielern, dem Historischen Museum, dem Maxim Gorki, dem Collegium Hungaricum und schließlich den S-Bahnbögen vorbeischlängele, um, beim Grimm-Zentrum angekommen, endlich guiltfree goodness in Form des besten frozen yoghurt der Stadt zu genießen, dabei das Treiben vor dem Hotel zu beobachten, dem entfernten Soundcheck im Admiralspalast zu lauschen und auf die tägliche Nonne mit ihrem vollendeten Schwarz-Weiss-Look zu warten. Erst nachden sie von ihren Einkäufen auf der Friedrichstraße mit prall gefülltem Stoffbeutel zurück gekehrt und zum katholischen Militätbischofsamt gegangen ist, mache ich mich sehr zufrieden und gestärkt auf den langen, staubigen Heimweg.

 

 

 

 

 

 

keine Drogen

13922434024_de9dbccc93_z.jpgSamstags geht’s ins Jammertal, am Sonntag in die Grube

 

Im Treppenhaus hängt eine Einladung für die Hausbewohner. Alle sollen gemeinsam in den Heide-Park gehen. Der Gruppeneintritt kostet nur 7 statt 46 Euro pro Person.

Oh, das ist aber günstig, sagt die Rothaarige, während sich mir die Nackenhaare aufstellen.

Ja, aber hast du gelesen, was ganz unten steht?

Nein.

Keine Drogen!

Echt?

Ja.

Da fährt doch keiner mit.

Eben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: Neil Moralee, Knees up for Mother Brown, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Wimmelbild mit tsruwtarB

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Bei Frau Merkel um die Ecke geht es so zu: die Bratwurst ist spiegelverkehrt, die Krakauer lustig oder lustvoll und Senf & Ketchup gibt´s aus hängenden, euterartigen Melkflaschen. Leuchtmänner sitzen auf Bänken, Schilder warnen und Zäune verwehren. Obendrüber die Hochbahn mit geballter Faust und wolkigem Gekringel.
In unserem Rücken ist gerade Flohmarkt, dahinter steht das Bode-Museum wie ein dicker Knödel auf der Museumsinsel. Es handelt sich übrigens um jenes Museum, aus dem unlängst eine 100 kg-Goldmünze gestohlen und diese inzwischen wahrscheinlich zu Winke-Dildos umgeschmiedet wurde.
Vor dem Haus, in dem die Kanzlerin wohnt, vis à vis des Pergamon-Museums, fahren gerade wichtige Männer mit schwarzen Limousinen vor, derweil einer der wachhabenden Polizisten seinem Kollegen ganz selbstvergessen und ungeniert im Gesicht herum fummelt und die beiden kurz davor sind, sich zu küssen.
Ach, Berlin.

 

 

 

 

 

 

Bratwurst in Spiegelschrift liest sich auf den ersten Blick wie Brustwarze.

 

 

schrei wenn du brennst

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Dieser Text endet viel heiterer als der Titel vermuten ließe

Schrei wenn du brennst, steht auf der Betoneinfriedung am Eingang des Parks und ich gedenke des unbekannten Menschen, der dort (selmals) kauernderweise seinen Schmerz in die Welt gesprayt haben muss. Schrei, wenn du brennst.

Hätte er doch bloß ein Bündel Geldscheine zur Hand gehabt, es angezündet und in stummer Zufriedenheit über das kurze Aufscheinen einer ungeahnten, neuen, alten Freiheit oder Autonomie den hellgrauen Ascheflocken hinterhergeblickt während diese mottengleich aufstiegen in die nächtliche Luft und sich in der Dunkelheit verloren, hätte dieses Erlebnis möglicherweise alle Pein von seiner Seele genommen.
Unten das Feuer und oben Ihr.

Schrei wenn du brennst begleitet mich seit Jahren und manchmal betrete ich den Platz vorsätzlich von der anderen Seite, um den Schriftzug nicht sehen und nicht darüber nachdenken zu müssen. Doch der Fleck an der Wand macht das abgehängte Bild noch präsenter.

Es ist genau diese kleine, besprayte Betoneinfriedung, dieses unwirtliche Mäuerchen, zu der es mich an manchen Abenden als dem letzten warmen Fleckchen zieht, ehe die Sonne, die es eben noch mit ihren Strahlen bedacht hat, hinter den Türmen des Künstlerhauses Bethanien verschwindet und bald schon die Fledermäuse über die Wipfel der Platanen streifen.
In diesen vergoldeten Minuten ist schrei-wenn-du-brennst der Ort, an dem ich mit geschlossenen Lidern verweile, das Geflecht der roten Adern die hinter meiner Stirn aufleuchten betrachte und mich so lebendig fühle wie selten.

Der Sommer macht uns alle unsterblich, auch wenn der Brunnen tief und schwarz, sein Gluckern unheimlich und der Geruch modrig ist.
Jede Wirklichkeit ist saisonal.

 

 

 

 

 

 

(Musik zum Text: Nick Cave, Mercy Seat, https://www.youtube.com/watch?v=t6p5nw6zZig – youtube-Direktlink)