Zentralmassiv

Eine von mir betriebene Bar nennte ich Zentralmassiv, alternativ dazu bar bar* in neonblauer Schrift.

Namen für ungeborene Kinder und nicht existente Firmen sind ebenso meine Spezialität wie Alliterationen aller Art.

Auch Tiernamen vergebe ich mit großem Erfolg. Nur die kleine Woki heißt im „richtigen Leben“ so unspektakulär und gewöhnlich, dass das verwöhnte Publikum amüsiert die Nase kräuselt, in den Annahme es könne sich dabei nur um eine Art double reverse, eine ironische Wendung nämlich, unter Zuhilfenahme einer verbalen Tarnkappe handeln. Sozusagen um Adiletten im Gewand dunkler Halbschuhe.

Dem ist nicht so.

* (Zutritt nur nackt, Bezahlung bargeldlos)

Trösterlein


Die Zuneigung anderer beschämt mich wie ein unverdienter Preis für ein nie gelaufenes Rennen und einen nie errungenen Sieg.

Nach unserem Gespräch schaut die Ärztin mich erschöpft und mit roten Augen an. Ich schäme mich.

Von weit entfernt erreichen mich Worte, dunkel und schwer wie ein nasser Vorhang.

Das Fatschenkind schließt seine gütigen Augen.
Auch das wird vorübergehen.

Ein Antidepressivum möchte ich nicht. Reaktive Depression, sagt die Ärztin. Loslassen was nicht zu ändern ist, ändern, was schadet.

Schwimmen, einfach schwimmen, haben sie gesagt.

(Das Blog zu diesem Zitat ist bedauerlicherweise nicht mehr auffindbar. weiß wer was darüber?)





Was ich so schreibe wenn ich schreibe, fragt die Griechin und ich weiß nicht was ich sagen soll, um nicht Autobiographisches sagen zu müssen und den Eindruck zu erwecken ich hielte mein mediokres Katatstrophenleben für interessant genug, um schon jetzt, quasi mittendrin, meine Memoiren verfassen zu müssen.
Ich schreibe auf, was um mich herum geschieht, könnte ich antworten, als wäre ich eine veritable Chronistin und nicht bloß ein um sich selbst kreisendes Kind, für immer gefangen in einem posttraumatischen Universum aus Gewalt, Verwahrlosung, Dünkel und Dunkel.


Und während ich überlege, wie sich Kern und Inhalt meiner Texte beschreiben ließen, fällt mir wieder der Bursche ein, dem ich einst von dem Überfall im Park erzählte und dessen Mundwinkel angewidert zuckten, während ich sprach. Als ich fertig war schaute er mich eine Weile eindringlich an, schien nach den passenden Worten zu suchen, um mir schließlich in sebstbesoffener Großzügigkeit seinen alles verzeihenden Segen zu geben. Die meisten Männer würden sich jetzt von mir abwenden, sagte er mit langem Hals und redlichem Gesichtsauadruck, er aber hielte mir trotz meiner Beflecktheit die Treue.


Es gibt aber auch nette Männer
, scherzen die Griechin und ich, nachdem wir uns über keuchende Jogger unterhalten haben, die ramboartig über Gehwege und durch Parks pflügen,
aber die bleiben Zuhause. Allein.

Der Zahnarzt ist mit meinen Zähnen zufrieden und ich möchte ihn duzen vor Freude über unser komplikationsloses Wiedersehen.
Außer superkleinen Kastanien sammle ich gute Nachrichten. Dazu gehören zwei Neugeborene, ein Mädchen und ein Junge (Ylva und Caspar).

Parademie steht auf der Hauswand und die Hündin der sorbischen Nachbarin schleppt sich von Tür zu Tür. Der Tumor ist längst aufgebrochen, ein Mantel bedeckt das Grauen, doch sie soll nicht gehen. Noch nicht.
Sechzehn sei sie, sagt die Nachbarin mit den spitzen Eckzähnen. Dreizehn wie mein Tölchen, denke ich. Beide kamen im gleichen Jahr zu uns. Mein Tölchen von Lanzarote, die Bemäntelte vom grenznahen Züchter.

Herbst ist Blues, ist Abschied, leuchtendes Laub, glitzernde Weben, lange Schatten.
Der Kanzler stürzt und stolpert und stürzt weiter. Bricht sich ein Bein, schlägt sich den Kopf auf, bleibt bewusstlos unter dem Tisch liegen und pocht auf seine Selbstbestimmung. Wie Recht er hat.

Ich bin wieder bei Kleidergröße xs und löse mich auf.
Dieser einsame Kampf. Das Leben. So grausam und so schön.

Religion: ledig

wie ich das Verstreichen des Sommers mithilfe von Nagellack messe und welche Privatsprache ich im Laufe der Jahre entwickelt habe, müsste ich hier auch mal niederschreiben.
Für die Nachwelt.

Religion, ledig, sagt Wilhelmine beim Überfliegen des Personalbogens. Meine auch, sagt die Griechin, der vielversprechende Stern an unserem Kolleginnenhimmel.

feilschen

Unter den Zweigen der Trauerweide stehen kleine Fischlein im Wasser.
Herbstluft kräuselt das Nass.
Der Kondensstreifen zerfasert zu einem langen Wolkenband.

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Zwei Stunden im Wald sind wie ein Tag Urlaub.

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Die Tischlerin pendelt zwischen Jobs und der sterbenden Mutter hin und her. Ihr Freund weist sie per sms darauf hin, wie ihre Hündin unter der Situation leide und wie bedauerlich auch er es finde, dass sie ständig unterwegs sei.
Gemeinsam fragen wir uns, ob es wirklich so schwer ist, einfach mal seine Meinung für sich zu behalten und unterstützend zu sein, ganz ohne Erwartung, Wertung oder Gegenleistung.

10 Schekel für diese Flasche? Sie müssen verrückt sein!

Die Kilos fallen und aus schlank wird dünn, dann dürr.
Ich esse, doch mein Körper will nur wenig davon aufnehmen. Stress höhlt, beruhige ich mich.
Unterdessen hat die düstere Besucherin ihren Platz im Lehnstuhl eingenommen, bereit, dort zu überwintern.


Der Kanzler, der kaum noch die Füße heben kann, ist erneut auf den Kopf gefallen. Am Telefon erzählt er, wie fröhlich die eigenmächtig verdoppelte Dosis Antidepressivum ihn mache. Wegen der seit Tagen blutenden Kopfwunde (Blutverdünner) allerdings werde er vielleicht doch mal seine Ärztin (= meine Schwester) konsultieren.


Nachdem das Sorgenfeuer ordentlich angeheizt ist, muss der Kanzler, getrieben von irgendeiner selbst auferlegten Pflicht, dringend auflegen.
Ganz allein lebt er in dem großen Haus.