Der Anblick meines greisen Tölchens mit den dünnen Beinen, den eingefallenen Lenden und dem unberatenen Blick aus großen Augen lässt mich an den Kanzler in seinen letzten Wochen denken. An die blauen Windelhosen, den Zimmernachbarn Herrn H, die Hitze in dem kleinen Bad, den flirrenden Spätsommertag, die Schwestern-Pizza auf dem verwilderten Parkplatz.

Wie der Kanzler im Rollstuhl sitzt ohne Fußstützen und in ausgetretenen Schuhen und wie die Malerin dem klapperdürren großen Mann zuvor in die Hosen hilft auf mein Drängen hin, gemeinsam ins Freie zu gehen, wo er doch nur schlafen will und sich wundert ob ich mit der Alpenbahn gekommen bin und wieso ich in Berlin und nicht länger in Murnau lebe.
Was die Mama dazu sagt, fragt er mehr sich als uns und ich gehe hinaus in den Gang, die Tür seines Zimmers steht offen, und in lockerem Plauderton frage ich dort meine verstorbene Mutter ob es in Ordnung sei, wenn wir Schwestern eine kleine Runde mit unserem Vater drehen. Sie sagt ja.
Und draußen vor der Klinik, das inzwischen lauwarme Grapefruit-Getränk in der Hand, lehnt der Kanzler sich zu meiner Schwester hin und raunt ihr ins Ohr, er sei jetzt Teil des Klinikteams und auf ihr gespieltes Erstaunen lächelt er verschwörerisch und sagt: ich mache nicht mehr viel, ich berate nur.

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