Aus dem Nebenzimmer, vielleicht auch von vor dem Haus höre ich leises Murmeln. Ich erkenne die Stimmen meiner Eltern.
Sie wollen mich nicht wecken.
Später springe ich in riesigen Sätzen mit dem Hüpfball, an dessen beiden Griffen ich mich wie an einem weichen Euter festhalte, über den grob geschotterten Feldweg in Richtung See. An der Wegbiegung, gegenüber dem Flurkreuz (Marterl), die beiden Pferde, die mir mit langen Hälsen zunicken.
(Statt Hundeleine verwende ich ein Stück des rot-weißen Flatterbandes von der Parkplatzbegrenzung).
Der Zugang zur Kirche ist während des Infektionsgeschehens nur über die Leichenhalle möglich. Vor den Eingangsstufen ein Meer lilafarbener Glockenblumen. Im Biergarten nebenan sitzen die Gäste mit Blick auf den See. Unter ihren Füßen Kies.
In der kleinen Wildnis steht mit aufgekrempelten Hosenbeinen ein Mann im eiskalten Wasser, das aus einem Steinspalt hervorsprudelt, sich in einem Naturbecken sammelt und von dort weiter in den mit Holzplatten abgedeckten Feuerwehrbrunnen fließt, in dessen Tiefen es brodelt, gurgelt und gluckert. Im hohen Gras das Rad des Mannes, über mir die gefiederten Blätter einer Eberesche mit leuchtenden Beerenständen.
(Anstelle des selten gewordenen Speierlings kann dem Apfelwein auch Quitte oder Schlehe oder die Frucht der Eberesche hinzugefügt werden).
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Am Vorabend Großeinsatz der Feuerwehr. Ein Spaziergänger hat Kinderkleidung am Ufer des Sees gefunden. Mit Rettungswagen, Booten und Hubschrauber rücken die Freiweilligen aus und finden Vater und Kind unversehrt vor dem abendlichen Fernseher. Den Vater, erzählt die Vermieterin, als ich sie im Garten treffe, erwartet eine Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ich nicke und möchte sie fragen wohin meine Eltern am Nachmittag abgereist sind. Stattdessen rühme ich die schlichte Schönheit des argentinischen Eisenkrauts und seinen Nutzen für die Bienen.
Der Buchsbaum trotzt dem Zünsler. Der Kärcher hilft dabei.
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Der anhaltinische Hahn, bislang namenlos, heisst von nun an Coquebert. Die namensgebende Montbretien * mit den roten Blütenkämmen ist inzwischen verblüht und die Sonnenblume zu einem Baum herangereift. Auch das Topinambur, lose zur Garbe zusammengebunden, steht meterhoch.
Auf den Ästen der alten Bäume flauschiges Moos.
Den winzigen Apfel, dessen Ernte ich mir bis zum letzten Tag aufheben wollte, hat der Starkregen vom Zweig gefegt.
Nun liegt er zwischen Desinfektionsmittelflasche, Stiften und den drei Haselnüssen auf dem Küchentisch.
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Zum ersten Mal in fünf Jahren, sehe ich die Bewohner des Hauses mit den weinroten Kunststoffrolläden.
Schweigend sitzen sie neben dem Grundstückseingang bei Tisch und kauen sorgfältig Bissen für Bissen. Ein Mähroboter surrt über den gepflegten Rasen. Dahinter die Alpen.
Die Störche sind heuer ausgeblieben.
- (Ernest Coquebert de Montbret, französischer Botaniker, * 31. Januar 1780 in Hamburg; † 7. April 1801 in Kairo)