Todo pasa y todo queda,
pero lo nuestro es pasar,
pasar haciendo caminos,
caminos sobre el mar.
Nunca persequí la gloria,
ni dejar en la memoria
de los hombres mi canción;
yo amo los mundos sutiles,
ingrávidos y gentiles,
como pompas de jabón.
Antonio Machado, Cantares
Nomaden! Pilger! Vagabunden!
Juchhuu!
Endlich sind auch die Letzten eingetroffen.
Wie die Zugvögel kommen sie angereist. Zuverlässig. Jahr um Jahr.
Sobald der Winter vorbei ist und es wieder warm wird in Berlin, besiedeln sie mit den ausgebauten Hanomags, LKW, Bullies, Wannen, Transportern und Pritschenwagen ihre angestammten Plätze auf dem Bethaniendamm vor dem Rauchhaus und dem Kreuzdorf.
Unter den Wagen dösen die mitgereisten großen und kleinen Hunde, ein Ohr müde auf die Klänge der Welt gerichtet, das andere in sich selbst gekehrt.
Zwischen den Bäumen des Carlo-Giuliani-Parkes sind Wäscheleinen gespannt und vereinzelte kleine Zelte schlafen im Schatten der Akazien und Kastanienbäume.
Schnell schließen sich die Pilgerhunde mit denen der Wagenburg zu einem losen, umher streunenden Rudel zusammen.
Hier und da wird einer von ihnen vermisst, und durch mehrsprachig verfasste Anschläge an Bäumen und Laternenmasten gesucht.
Die Zusammenkunft mit den Kreuzberger Hunden wird im Spätsommer plüschige Früchte tragen, so wie in jedem Jahr, und bis zur Auflösung der Karawane durch die schlagartig einbrechende, schneidende Herbstkälte, wird man die Welpen auf den Rasenflächen rund um die Thomaskirche im tapsig übermütigen Spiel heranwachsen sehen.
Viele von ihnen werden ein Zuhause in Kreuzberg finden. Die anderen dürfen mit in den Süden ziehen, Heimat der meisten Straßencamper hier.
Spanier, Italiener, Portugiesen, Griechen. Ein paar Niederländer, Polen, Engländer und Franzosen.
Und wieder werden wir zurück bleiben, uns durch den eisigen Winter mit dem gnadenlosen Ostwind zittern, das dreckige Moloch, das wir unsere Heimat nennen, verfluchen, vom Süden, der Wärme, der Sonne und der Freiheit träumen und auf die Rückkehr der Frühlingsboten warten, die sich Jahr für Jahr eine schöne, eigene kleine Welt am Luisenstädtischen Kanal schaffen und Kreuzberg bereichern und noch liebenswerter und bunter machen, als es ohnehin schon ist.
Abends sitzen sie dann biertrinkend auf dem Mäuerchen, das den Nachbarschaftsgarten einfasst, in dem sich die türkischen Frauen an einer großen Tafel zum Plausch treffen und Bohnen, Erdbeeren, meterhohen Sonnenblumen, Stockrosen, Tagetes und allerlei Kräutern beim Wachsen zuschauen.
Man unterhält sich, jongliert ein wenig, übt kleine Kunststückchen, mit denen sich tagsüber an den Ampeln der Hauptstadt ein paar Cent verdienen lassen. Die Stimmung ist entspannt. Friedlich.
Ab und an fährt eine Bullenwanne vor, Personenkontrolle, die üblichen Schikanen und Drohgebärden und dann wird weiter gechillt und gelacht, die eine oder andere Tüte geraucht, zum Klang der Lautsprecher des Freiluftkinos, das nur einen Steinwurf entfernt im Garten des Künstlerhauses Bethanien sehenswerte Filme auf einer meterhohen Leinwand zeigt.
Manchmal flattert eine Fledermaus vorbei.
Ihr Flügelschlag flüchtig wie das Glück dieser langen, blauen Sommernächte.
Kreuzberg, mein Kreuzberg.
Mein Zuhause.