Der Bekannte ist, um nicht das hässliche Korinthenwort zu gebrauchen, das, was man gemeinhin einen Erbsenzähler nennt. Mache ich eine beliebige Äußerung, so spüre ich schon beim Reden den ungeduldigen Atem seiner Verbesseritis im Nacken und kaum ist die letzte Silbe verklungen, verbeißen sich bereits seine seziermesserscharfen Philosophenzähne in meine Aussage und zerlegen sie nach allen Regeln der Kunst. Eingeleitet werden diese, seine, kritischen Anmerkungen gerne mit Falsch, Aber! oder einem großen Nein. Selbst dort, wo man vernünftiger- oder loyalerweise nur ein Ja erwarten könnte (Falsch! Erwarten kann man zwar grundsätzlich alles. Bekommen muss man es deswegen noch lange nicht) weht mir ein eisernes Nein entgegen. Nein aus Prinzip, Nein weil Nein und Nein, nicht so, oder Ja aber nein.
He has so much no to say to the world
Er klaubt und ordnet, rechnet und rechtet, er schält die Wörter mit den Lippen, spreizt und buchstabiert sie, ordnet sie ein, geistesgeschichtlich, wie auch historisch. Nur mit Etymologie hat er nix am Hut, das ist eher mein Steckenpferd, was soll das bringen. Nein, asiatisches Essen ess ich nicht, auf gar keinen Fall.
Zwar ist der Bekannte nicht gerade das, was man einen mansplainer nennt, nein, er praktiziert sein Besserwissertum gleichermaßen Männern wie Frauen gegenüber, glaube ich zumindest, genau wissen tue ich es freilich nicht, denn ich erlebe ihn eigentlich fast nur in unserer Zweisamkeit, weil Menschen dem Bekannten generell nicht so liegen, weil er den Weg Erwin Hapkes gehen möchte (die perfekte Synthese zwischen Luhmann und Blumberg, in der Höhle lebend und Evolution als Prinzip gedacht, gebaut aus dem Kontinuum des Papiers, aus nur einer einzigen Grundform) weil ich sozusagen eine Ausnahme, ein Fensterchen in seiner Weltverschlossenheit bin, weil Bücher die besseren Gespächspartner sind, je toter deren Autoren umso besser, und weil Wittgenstein vielleicht am Klügsten war, oder Kant oder Nietzsche oder doch eher Luhmann? Hegel und Heidegger sowieso.
Dem Bekannten braucht man mit Worten wie immer und nie erst gar nicht zu kommen, nicht mal sonntags, wo man glaubt sich ausnahmsweise und aus Gründen der Bequemlichkeit die linguistischen Filzpantoffeln überstreifen, und in salopper Kleidung auf dem Sofa herumfläzen (schlimmes Wort) zu dürfen, statt mit Maßschuhen und Stützkorsett kerzengerade auf dem harten Holzstuhl bei Tische zu sitzen. Mitnichten!
Immer und nie, das lernten wir schon als Kinder, ist stets falsch, doch was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Falsch, höre ich den Bekannten sagen, der sich gerade wieder sein Marschgepäck, 30 Kilo Bücher, schnürt, um auf Exkursion zu gehen, und etwas über das Leben zu erfahren.
Gib´s auf, Gib´s auf, möchte ich ihm hinterherrufen, was das Leben ist, das steht nicht in Büchern, das lebt sich und das zeigt sich durch dich und in dir!
Doch was weiß ich schon.
Bild: Untitled, Rafael M. Milani, flickr
Lizenz: all rights reserved! (usage with the artist´s kindly permission. thanks a lot Rafael!)
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