Der Bekannte (so much no)

37467613156_e7d3b57125_b

Der Bekannte ist, um nicht das hässliche Korinthenwort zu gebrauchen, das, was man gemeinhin einen Erbsenzähler nennt. Mache ich eine beliebige Äußerung, so spüre ich schon beim Reden den ungeduldigen Atem seiner Verbesseritis im Nacken und kaum ist die letzte Silbe verklungen, verbeißen sich bereits seine seziermesserscharfen Philosophenzähne in meine Aussage und zerlegen sie nach allen Regeln der Kunst. Eingeleitet werden diese, seine, kritischen Anmerkungen gerne mit Falsch, Aber! oder einem großen Nein. Selbst dort, wo man vernünftiger- oder loyalerweise nur ein Ja erwarten könnte (Falsch! Erwarten kann man zwar grundsätzlich alles. Bekommen muss man es deswegen noch lange nicht) weht mir ein eisernes Nein entgegen. Nein aus Prinzip, Nein weil Nein und Nein, nicht so, oder Ja aber nein.

He has so much no to say to the world

Er klaubt und ordnet, rechnet und rechtet, er schält die Wörter mit den Lippen, spreizt und buchstabiert sie, ordnet sie ein, geistesgeschichtlich, wie auch historisch. Nur mit Etymologie hat er nix am Hut, das ist eher mein Steckenpferd, was soll das bringen. Nein, asiatisches Essen ess ich nicht, auf gar keinen Fall.

Zwar ist der Bekannte nicht gerade das, was man einen mansplainer nennt, nein, er praktiziert sein Besserwissertum gleichermaßen Männern wie Frauen gegenüber, glaube ich zumindest, genau wissen tue ich es freilich nicht, denn ich erlebe ihn eigentlich fast nur in unserer Zweisamkeit, weil Menschen dem Bekannten generell nicht so liegen, weil er den Weg Erwin Hapkes gehen möchte (die perfekte Synthese zwischen Luhmann und Blumberg, in der Höhle lebend und Evolution als Prinzip gedacht, gebaut aus dem Kontinuum des Papiers, aus nur einer einzigen Grundform) weil ich sozusagen eine Ausnahme, ein Fensterchen in seiner Weltverschlossenheit bin, weil Bücher die besseren Gespächspartner sind, je toter deren Autoren umso besser, und weil Wittgenstein vielleicht am Klügsten war, oder Kant oder Nietzsche oder doch eher Luhmann? Hegel und Heidegger sowieso.

Dem Bekannten braucht man mit Worten wie immer und nie erst gar nicht zu kommen, nicht mal sonntags, wo man glaubt sich ausnahmsweise und aus Gründen der Bequemlichkeit die linguistischen Filzpantoffeln überstreifen, und in salopper Kleidung auf dem Sofa herumfläzen (schlimmes Wort) zu dürfen, statt mit Maßschuhen und Stützkorsett kerzengerade auf dem harten Holzstuhl bei Tische zu sitzen. Mitnichten!

Immer und nie, das lernten wir schon als Kinder, ist stets falsch, doch was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Falsch, höre ich den Bekannten sagen, der sich gerade wieder sein Marschgepäck, 30 Kilo Bücher, schnürt, um auf Exkursion zu gehen, und etwas über das Leben zu erfahren.

Gib´s auf, Gib´s auf, möchte ich ihm hinterherrufen, was das Leben ist, das steht nicht in Büchern, das lebt sich und das zeigt sich durch dich und in dir!
Doch was weiß ich schon.

 

 

 

 

 

Bild: Untitled, Rafael M. Milani, flickr
Lizenz: all rights reserved! (usage with the artist´s kindly permission. thanks a lot Rafael!)

https://help.yahoo.com/kb/flickr/SLN25525.html?impressions=true

Kleine Taschenlampe

20150804_085340

Wir liegen auf dem Rücken, schauen ins Weltall und lassen den Tag ausklingen.
Die kleine Taschenlampe beleuchtet den alten Teewagen, sonst ist es dunkel im Raum.
Du erzählst mir von einer Notiz in Kafkas Tagebüchern von der Bedeutungsverschiebung, die ein von Brod der Notiz hinzugefügtes Komma macht.

Zitiert man heute eigentlich noch Brod?,
frage ich dich.

Nein, das machen nur Leute, die auch Nietzsche in der Ausgabe von Elisabeth Förster lesen
: Amerikaner und Analphabeten.

Ich lache und freue mich über deinen klugen Kopf.

Wovon man nichts versteht, darüber muss man schweigen.

 

 

 

 

 

Bläuliche Flammen

 FlammenfärbungAsVier Uhr nachts. Mit offenen Augen liege ich im Bett. Erwartungsvoll. Der Kopf so leer.

In dieser Nacht sah ich ein Kind,
Das lachte mich an.

Das Hirn gebettet in knöcherner Schale, sachte umspült vom Liquor. Wasser des Lebens. Alles ist weiß und ruhig. Ein lautloses Schneetreiben im Hochgebirge.
Ich schalte den Fernseher an. Ohne Ton. Den Blick an die Zimmerdecke geheftet.
Starren. Der Fernseher flickert.
Über die Heide wogten große bläuliche Flammen. Die haben den Himmel ganz hell gemacht.
Es wird Zeit zu schlafen. Ich bin hellwach.
Zu müde, um schlafen zu geh’n
Vielleicht sollte ich aufstehen. Mir ein Glas Rotwein einschenken, lesen, die Zehen in Töles Pelz stecken und ihren Bauch durchwalken. Ich höre sie tief atmen, und ohne zu schauen, weiss ich dass sie jetzt auf dem Rücken liegt, die Beine noch oben gestreckt und von dem gleichen Sirren umfangen ist, wie ich.
Dazu hat das Kind noch viel mehr gelacht.
Ich bleibe liegen.
Dieses Mal suche ich mir gleich 2 Wortendungen aus.
-sam und-los. Von A-Z.
aufmerksam-angstlos
betriebsam- belanglos
duldsam——– Mist—– muss ich später ergänzen
ehrsam- ehrlos
folgsam-folgenlos
gehorsam-gottlos
heilsam-heillos
—————-ideenlos
-sam ist die Tugend, -los der Mangel.
Ein Arbeitsloser ist auch ein Arbeitssuchender, ein Archäologe unsere Zeit.
arbeitsam-arbeitslos-arbeitssuchend
Und:
heilsam-heillos-heilsuchend-heilversprechend-heilbringend  -yeah!
Vielversprechend. Spaßsuchend, spaßbringend.
Wir lachten beide zusammen
über die bläulichen Flammen.
Ehrsuchend, gottsuchend, heilsuchend.
Klingt nach Katharina Blum. Verloren. Böllstoff.
Gottlos erscheint mir weniger einsam und ausgeliefert zu sein als gottsuchend.
Nicht so haltlos; merkwürdigerweise. Das Spiel läuft aus dem Ruder, meine Beine werden unruhig. Die Füße zucken. Die Glotze macht mich nervös. Ich schalte sie aus.
Schlaflos-schlafsuchend.
Das Mondschaf liegt am Morgen tot
Sinnsuchend, sinnstiftend, sinnlos.
Gib´s auf, gib´s auf!
Der Wecker zeigt 5.30 h.
a cinq heures cinquante-cinq
ante meridiem
too late to end it now
too early to start again
In einer halben Stunde kommt das erste BSR Terrorkommando. Es lohnt nicht mehr nach Schlaf zu suchen. Ich stehe auf. Gerädert. Steif.
Grab my shaft, blow my horn, when it´s hard in the early morn´

In der Küche wartet koffeinfreier Espresso auf mich.

(Photo credit: Wikipedia )