Galapagos

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Ich bin indisponiert. Seelisch. Mir geht es nicht gut, um nicht zu sagen: mir geht es nicht gut. Alles ist mir fremd und das meiste zuviel. Nicht, weil ich besonders empfindlich wäre, sondern weil es einfach zuviel ist. Viel zuviel und das beständig. Kummercanyons.
Manchmal denke ich: Jedem da draußen in der großen weiten Welt wäre das zuviel; und um mich herum sagt schon kaum jemand mehr etwas anderes als: das hört wohl nie auf bei dir.

(Wer hier bereits länger mitliest, kann an dieser Stelle getrost zu lesen aufhören und gleich zur letzten Zeile springen.
Was davor steht ist hinreichend bekannt und lässt sich subsummieren unter:  Katastrophenchronik & saisonale Verstimmung & lästige Larmoyanz).

 

Tut es nicht (aufhören), niemals. Darauf ist Verlass.
Schon als Kind besaß ich analytische, wie auch seherische Fähigkeiten und malte beinahe täglich einen schwarzen Berg mit einem schwarzen Wimpel darauf, schwarze Wolken drüber.

Zugegeben, es ist Winter und die Tage sind kurz. Dazu dieses nahende Weihnachten und die wiederkehrende Frage, was ich eigentlich am Fest der Liebe zu tun gedenke.

Ich gedenke in die Kirche zu gehen, irgendwo in Mitte (schöner wäre Berkersheim), und mir die Seele aus dem Hals zu berserkern singen. Bei gnadenbringend wird sich meine Stimme hysterisch überschlagen und die bunt geschmückten Mütter werden in die Hocke gehen und ihre Kinder schützend in den Arm nehmen. Einen Rollkragenpullover aus Schurwolle werde ich tragen, einen der am Hals juckt. Zur Selbstkasteiung und zur Feier des Tages.

Nach der Kirche schlurfe ich dann mit hängendem Kopf nach Hause (overacting) um mich im Kreise derer, die um mich sind, alleine zu fühlen. Sie werden, am Rande meines Schlammloches stehend, ihre sauberen Hände nach mir ausstrecken und sagen: das wird schon wieder.
Nicht mal von der Klippe spingen kann man, wenn man schon unten steht bzw liegt, werde ich jammern und innerlich aufstampfen dabei. Besorgt werden sie die Stirn runzeln und mich mit ihrem nächstenliebenden Lächeln beschenken.

Launisch bist du, sagst du zu mir, als ich während eines unerwarteten Euphorieschubs zu singen beginne.
Launisch? frage ich, ich wechsele doch höchstens 3 bis 4 mal am Tag die Stimmung.
Eben
, sagst du.

Ich würd´ sagen: stabiles Tiefdruckgebiet mit gelegentlichen Auflockerungen. They call it winter, Dahlink, und im Winter soll ein Tief ja was Gutes sein. Da fürchtet man das Hoch, und die dadurch drohende russische Kältepeitsche, mehr als alles andere auf der Welt (mehr als der Teufel das Weihwasser/ als Dracula das Kruzifix / als Judas den morgendlichen Hahnenschrei uswusf.).

Der Schlamm ist eine verlässliche Größe. Selbst die Natur-Kitas schwören inzwischen darauf und kippen tonnenweise teuren Urschmutz in ihre Keller, damit die lieben Kleinen sich beizeiten daran gewöhnen. Manche Kitas halten auch non-allergene Fauchschaben als Streicheltiere vor.

 

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(fadeout)

 

 

 

 

 

Bild: pantxorama, Galapagos, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

Mondsucht

Deutsch: Jean-Baptiste-Siméon Chardin: Der Roc...

Deutsch: Jean-Baptiste-Siméon Chardin: Der Rochen, 1728 (Photo credit: Wikipedia)

Beim Zähneputzen schauen mich die dunklen Augen meiner Mutter an. In der Mundhöhle surrt ein wütender Hornissenschwarm. Müde sehe ich aus, und blass. Nicht krank werden.
Schwindel. Blutdruck. Mangelnder Schlaf. Nachts rätselhafte Nachrichten verfassen. Keine Erinnerung. Filmriss ohne Alk, nocturnes Sprachwandeln. Die andere Seite weiß es zu nehmen. (Flohr-Otis oder Jot Jot 1)
Meine Mutter wusste (ahnte) vielleicht mehr als alle. Ein Gedanke, wie ein Faustschlag.
Luft holen.
:Tierkinder, die totgebissen oder liegen gelassen werden. Verstoßen.
Vernachlässigung als instinkthafte Handlung.
Ich schalte die Ultraschallbürste aus. Der Schwarm schweigt.
Ihre Augen im Spiegel.

Damals wie heute

"Muss es nicht das Herz des Menschenfreundes auf das Tiefste betrüben, wenn
er die Kinder der Armen in Pfützen und Kothaufen nach Speiseresten wühlen
sieht, welche den Reichen für ihre Hunde und Katzen zu schlecht sind --
oder wenn er hören muss, dass ganze Scharen von Kindern morgens ohne
Frühstück in die Schulen getrieben werden -- oder wenn er von
verzweifelten Vätern oder Müttern lesen muss, welche sich und ihre Kinder
einem freiwilligen Tode opfern, um dem Tode durch Hunger oder Entbehrung
zu entgehen -- oder wenn er sehen muss, wie eine politische oder
geschäftliche Krisis ganze Scharen fleissiger Arbeiter ohne Nahrung für
sich selbst und für die Ihrigen auf das Pflaster wirft -- oder wenn er
beobachten muss, wie die Zunahme der Verbrechen gegen Leben und Eigentum
zumeist einem heimlich geführten Kriege der Besitzlosen gegen die
Besitzenden entspringt -- oder wenn er die Überzeugung gewinnen muss, dass
Egoismus und Selbstsucht die Grundsäulen sind, auf denen die menschliche
Gesellschaft aufgebaut ist,(...)?"


Ludwig Büchner, DARWINISMUS UND SOZIALISMUS oder 
Der Kampf um das Dasein und die Moderne Gesellschaft,
1894