Das sind nicht wir, sagst du, nachdem ich eine hässliche Bemerkung gemacht habe und zu meiner Überraschung verfliegt mein Ärger sofort und etwas Heißes, Drängendes schiebt sich stattdessen nach oben, drückt gegen den Magen und die Lunge und mein Hals wird eng. Nein, das sind nicht wir, denke ich, doch wo sind wir geblieben, und schon steigt eine Melodie in mein Ohr und ich höre Marlenes monotone Stimme, unbeteiligt und traurig zugleich, und ich wundere mich darüber, wie auch über mein inneres Zittern und sehe mich am Rande eines Filmsets stehend auf die erlösende Klappe warten, um den Tränen ihren Lauf lassen zu können. Leise vibriert das Handy auf dem Tisch, doch das bist nicht du. Ich drehe es um und gehe aus dem Raum. Etwas Banales und Alltägliches ist der leise Schmerz in diesen Tagen zwischen uns, gegenständlich beinahe, wie die leere Papprolle mit den drei verbliebenen Blättern daran, mit der die Katzen nicht spielen mochten und die ich jetzt vom Boden aufhebe, um sie in den Müll zu werfen. Ich trete auf das Pedal des Eimers, die beiden Chromdreiecke klappen mir entgegen wie Flügel, ihre Unterseiten sind schmierig und verklebt. Die Rolle fällt hinein, es raschelt leise und ich erinnere mich an die Wochen, als meine Trommelfelle gerissen waren und ich nur noch Rascheln hören konnte, sonst nichts. Das Rascheln der Tüten und das des Bambus, der jetzt seine toten Blätter, auf denen nicht einmal der stetige Regen mehr glänzt, im Winde wiegt.
Später oder morgen, wenn ich die Tüte wechsele, werde ich auch die Flügel putzen.
Im Bad stehe ich vor dem Spiegel und betrachte mein Gesicht, das ruhig und unbewegt daliegt. Nur meine Augen sehen gehetzt aus. Nicht traurig, gehetzt.
Es ist kein Schmerz, denke ich, es ist Druck, Überdruck. Etwas das nicht entweichen und nicht heimisch werden kann, etwas, das nirgends hingehört und doch da ist und Raum greift, und das ich in manchen Momenten kaum ertragen kann und platzen möchte, damit es aufhört.
Ich trauere nicht mehr um das was wir waren, das goldene Versprechen, die weiße Stadt auf dem Berg, das helle Leuchten am Horizont, ich trauere darum, nicht mehr daran glauben zu können und nicht mehr enttäuscht zu sein, so erschöpft und resigniert bin ich von unseren stummen Kämpfen, dem Tauziehen mit den sturen Kiefern der Verweigerung und der pragmatischen Kühle. So lange schon. Wir sind uns entglitten, wir trudeln und ich suche nach deinem Blick, den ich nicht finde und ich weiß kaum noch wie das war. Wo sind wir.
Eine Einbahnstraße blieb das Vertrauen zwischen uns, all die Zeit. Mein Leben ein offenes Buch, das Deine ein geheimer Ort mit geheimen Menschen und unausgesprochenen Gedanken und Gefühlen. Vertrauen ist Mörtel, denke ich. Ein so hässliches Wort für etwas so Wichtiges und Verbindendes. Doch Vertrauen mochtest oder konntest Du mir nicht schenken. In keiner Stunde, in keiner. Nie.