Toni Takitani

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Auf dem Kindergeburtstag sahen wir uns zum ersten Mal, der Argentinier und ich.

Er war lange schon erwartet worden, Toni, Toni, wann kommt Toni?, und er brachte, als er schließlich eintraf, das spektakulärste Geschenk von allen mit: ein Indoor-Zelt. Mit zwei gekonnten Handgriffen stellte er es in der Mitte des saalartigen Raumes auf und sofort drängten sich die Kinder, eines nach dem anderen, in das leichte Stoff-Iglu. Man hörte es wispern und glucksen, während außerhalb des Zeltes die erste Flasche Rotwein geöffnet wurde und ein Teil der Gäste sich rauchend auf den großen Balkon, in den warmen Augustnachmittag, zurückzog.

Toni erzählte und gestikulierte, nahm zwischendurch Gespräche auf seinem grünen Backsteinhandy entgegen, die er in hartem, bestimmenden Ton führte, und ließ das Gerät anschließend wieder zurück gleiten in seine Gürteltasche. Damals wäre niemand sonst auch nur die Idee gekommen außerhalb der eigenen vier Wände zu telefonieren, geschweige denn Gürteltaschen zu tragen.

Ich saß unterdessen, die Gäste beobachtend, an der Fensterseite des Raumes, die Sonne wärmte meinen Nacken, und trank Kamillentee. Hinter mir lag eine dreiwöchige Salmonellenerkrankung, ich hatte stark abgenommen und war zum ersten Mal seit dem Geburtstag meines Bruders im Juli außer Haus.

Neben mir langweilte sich ein aufgedunsener Mann mit verschränkten Armen und ohne Hals. Er hatte einen bitteren Zug um den Mund und bedachte alles was geschah mit abfälligen Worten oder Blicken, als befände er sich nicht inmitten einer Geburtstagsgesellschaft, sondern säße allein in einer entfernten Loge. Tatsächlich nahm niemand Notiz von ihm, doch ich war sicher, wenn ich ihn hörte, dann hörten ihn alle anderen auch. Wer war dieser Mann, wer hatte ihn eingeladen? War er ein Kollege oder Vorgesetzter an dem man nicht vorbeikam?
Irgendwann fing der Spielverderber an zu schniefen und fragte mit zusammen gekniffenen Augen in die Runde ob jemand im Raum Katzen oder Kaninchen habe. Ich zuckte mit den Schultern und schaute zufrieden in meinen Tee, auf dessen Oberfläche sich meine Augen spiegelten.
Bald stand er auf und ging.

Wenig später verließ auch ich die Feier.

 

 

 

 

 

2 Kommentare zu “Toni Takitani

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