Der blauen Lippen hatte der Moderator von seinem Onkel geerbt, obgleich dieser nicht einmal sein Vater war. Während des Rauchens verblassten die Lippen des Moderators ins Taubengrau. Einen familiärer Erfahrungswert diesbezüglich gab es nicht, denn der Onkel war Nichtraucher und früh verstorben.
Die Lippen des Moderators waren voll wie die des jungen Belmondo. An besonders herzschwachen Tagen sah es aus, als parkte ein blaues Schlauchboot zwischen Nase und Kinn. Besorgt über seinen Gesundheitszustand schwieg ich. Ich wollte das Unglück nicht wecken. Meine Zuneigung zeigte ich dem Moderator indes durch Kühle und Distanz. Manchmal auch durch andere geeignete Maßnahmen, beispielsweise schmale Röcke und chanelroten Lippenstift.
Ihn zu mögen, machte mir Angst, und Angst begegnete ich mit Kälte.
Besonders unheimlich war mir, dass der Moderator mich auch dann oder dann ganz besonders mochte, wenn ich sehr garstig zu ihm war. Willkürlich diktierte Beziehungspausen akzeptierte er klaglos und küsste mir zum Abschied liebevoll die Hände. Auch meine Flirts ließ er unkommentiert. Einmal holte er mich nachts bei einem Anderen ab. Ich war eingeschneit worden.
Vorwürfe machte er mir erst viel später. Da waren wir schon Jahre getrennt.
Meine Furcht, den Moderator mit den blauen Lippen zu verlieren, war so groß, dass ich, je mehr ich mich in unsere Beziehung verstrickte, immer neue Hindernisse ersann die uns trennen sollten. Mein innerer Trafo war darauf geeicht, jedes warme Gefühl ihm gegenüber in schnodderige Coolness umzuwandeln. Oft vergaß ich dabei sogar, ihn in den Arm zu nehmen und auf die blauen Lippen zu küssen.
Erst viel später begriff ich, dass auch der Moderator einen Umwandler besaß, der es ihm ermöglichte, die Signale die ich sendete zuverlässig zu dechiffrieren und in die richtige Sprache zu übersetzen.
Das Internet sagt, es geht ihm gut.