Guck mal, sagt die Engländerin und zeigt mit dem Kinn in Richtung Bar.
Drüben steht der Schlaks mit Samtbizeps und Messinghaut und hält sein Bier mit angewinkeltem Arm nah am Körper. Ya-ma-ha! An Alexis erinnert er, den Venezolaner, Unisexschwarm und Schrittmacher mit Dogo Argentino, Bartender der Taquería. Ein Pfiff nach dem anderen, gezapft, zum Abschluss langer Nächte. Ultraweiches s en su acento. Kochen und tanzen konnte er auch noch. Suavemente
Neben dem Samtigen steht der Typ mit den dicken Schenkeln, stramme Beine in enger Jeans, steif vor Kraft mit breitem Kiefer, plattgedrücktem Arsch und viel zuviel Latissimus unter hautengem Marlon-Brando-Shirt. Soviel Gebiss. Neander-Bob, sage ich und nehme einen Schluck aus der Flasche (Pulle um den Jargon zu: Bemühen. Bemüht. Mühe). Die Engländerin nickt. Wir trinken.
Nachts schwappt der See leise ans Ufer; sachte Brandung. Ein Rauschen, seidig wie Schmetterlingsflügel, die Luft so weich. Risotto auf der Piazza Grande, dazu ein Negroni und noch einer, zwirbele ich mir die Haarsträhne um den Finger.
Rausch, Berge und immer wieder der See. Die Wäsche verschwitzt bis auf die Haut, braune Beine übereinander geschlagen. Selbstbewusst bis Oberkante.
Gluck gluck, die Kehle hinunter. Heute noch jung. Später mal Doppelherz.
Am frühen Abend treffen wir Fernando, den zweiten Argentinier. Ein Auge ist in Paris geblieben, beim Drogenkauf am Montparnasse. Großes Handgemenge, der Andere und das Messer. Das Jochbein hat kurz darauf ein Pferdehuf erledigt, gleiche Seite, immerhin. Aus jener Zeit auch die Hepatitis C. Fernando, inzwischen ausgezehrt am schmalen, gebräunten Leib, trinkt weiter, der Lurch. Das Interferon blieb wirkungslos.
Draußen, in seinem kargen Gärtchen umrankt die Kiwi eine hölzerne Pergola. Ihre feinen Härchen im Sonnenlicht. Flaum.
Dottore, dottore! ruft die alte Frau, und umarmt den verknitterten Landarzt, sein Glasauge, über ihre Schulter hinweg, bleibt an mir hängen. Ein Kunstwerk.
Auf dem Heimweg von Milano, einige Gläser später, fahren wir durch die nächtlichen Schluchten. Der Scheinwerfer uns voraus. Enge Kurven, Hupen im Stakkato. Morsen hinauf in den schwarzen Himmel, wo sich der Klang in der kalten Ewigkeit verliert. Auf der Straße steht ein Geißbock. Quer natürlich. Ein Bild aus alter Zeit.
Hinten, im Fond, sitzt der erste Argentinier, beide Augen auf Fernando gerichtet, dessen Glasauge, zusammen mit dem feuchten, lebendigen, in die Dunkelheit starrt.
Negroni, Negroni und noch einmal Negroni.
von solchen Samtbizeps träumt doch jeder. Für „trunken“ ganz schön genau beobachtet. Negroni ist nicht meins, da nehme ich lieber einen Wodka-Gimmlet.
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Negroni macht diesen hitzigen, getriebenen, aufpeitschenden und zugleich lähmenden, unruhigen Wermut-Rausch. ich mochte das zu jener Zeit an jenem Ort.
Inzwischen trinke ich gar keinen Alkohol mehr. Gibt mir nichts mehr, bin irgendwie drüber.
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Hab auch grad überlegt, 2016 soll es noch besser werden. Gutes Neues, Claus
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Das wünsche ich Dir auch!
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Ich trinke gerne viel, aber leider nur noch viel zu selten.
Frohes neues Jahr und beste Grüße,
A. Goldberg
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Ich trank mal gerne, bis ich irgendwann damit fertig war. Solange es währte, war es ein schöner Zeitvertreib.
Dir auch ein frohes neues Jahr!
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