En passant

zebrastreifen

(Photo credit: 30003019)

Auf dem Weg zum Mariannenplatz komme ich an dem hell erleuchteten Atelier einer Schneiderin vorbei, die bei geöffnetem Fenster und gefälliger Popmusik bunte Stoffe zu süßen Kleidern zusammennäht.
Wie jedes Mal, wenn ich die Frau dort arbeiten sehe, denke ich daran, dass sie Teilnehmerin der gleichen Angstgruppe wie A. war. A. allerdings hat die Gruppe schnell wieder verlassen, weil die gesammelten Ängste der Teilnehmer ihr noch mehr Angst machten.
Aus ihren Erzählungen ist mir die Erinnerung an jene Frau geblieben, die in ständiger Furcht vor einem tödlichen Sturz lebte, bei dem sie sich einen spitzen Gegenstand, wie zum Beispiel die Ecke ihres gläsernen Couchtisches, in die Schläfe, und damit direkt ins Gehirn rammen würde. Das Bild hat mich nie wieder los gelassen.

Am Mariannenplatz angekommen, sehe ich einen Altpunk mit stumpfen Irokesenzacken, der mit großen Schritten und vorgeschobenem Becken auf den neu eingerichteten Zebrastreifen zusteuert. Sofort bleibt ein herannahendes Fahrzeug stehen. Der Punk schaut ungläubig zur Seite, bemerkt die Streifen auf der Straße, stoppt, macht eine unwillig rudernde Bewegung in Richtung des Wagens und stößt dabei einen unverständlichen Fluch aus. Doch das Auto fährt nicht weiter. Stattdessen ermuntert der Fahrer den Punk mit einer Geste die Straße zu überqueren. Der Punk zögert. Er will nicht.
Fahr weiter, du Arschloch!“
Das Auto steht. Der Punk steht.
Keiner rührt sich von der Stelle.
Nach ein paar langen Sekunden, knickt der Punk ein und überquert stapfend die Straße.
Scheißtag. Wichser.

In dem Rondell vor dem Künstlerhaus Bethanien treffe ich auf Champagner, den kleinen Apportierhund, der mit fliegenden Ohren einem roten Gummiball hinterherjagt. So, wie jeden Tag. Töle setzt sich hin und markiert. Die beiden schauen sich nicht an.

Schöne Bluse!“, ruft mir Champagners Frauchen zwischen zwei Ballwürfen zu und nickt.
Ich schaue an mir herunter.
Danke.“
„Tiergarten?“
Ja.“
Blüht der Rosengarten schon?“
Ja.“
Dann mal viel Spaß!“
Danke, euch auch.“

Wir setzen unseren Weg  Richtung Westen fort.
Die Sonne scheint vom tiefblauen Himmel.
Ein schöner Tag liegt vor uns.

3 Kommentare zu “En passant

    • Merkwürdig.
      Eben noch stand hier ein anderer Name.

      Ein ungewöhnlicher Kommentar für Sie, scheint mir.
      Keine Ratschläge zu Form oder Inhalt, dafür zum schönen Titel.
      Freut mich trotzdem.

      Danke für die guten Wünsche.
      Den Sonnengruß habe ich an die Yogafraktion weiter gegeben.

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  1. Pingback: High Noon am Zebrastreifen - Nante Berlin

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