Dieses Abschätzige alten oder alternden Menschen gegenüber.
Eine Verachtung, die beinahe schon an Feindselgkeit grenzt.
Die Zumutung, die ihre zerfallenden Körper uns aufbürden, als Spiegel der eigenen Vergänglichkeit.
Das Hässliche, Boshafte das mir aus den abwertenden Worten entgegenspringt, die ich hier und da lese oder höre.
Vor einer Weile erzählte mir Freund K. von der Zurückweisung, die er durch eine viel jüngere Frau, für die er sich interessierte, erfahren hatte. Sie begnügte sich nicht einfach damit ihm zu sagen, dass sie ihm nicht zugeneigt war, sie musste ihn auch unbedingt wissen lassen weshalb. Und offensichtlich musste sie ihn dazu abwerten, ihn herabsetzen und entwürdigen, ihn zwischen zusammengepressten Zähnen anzischen, ihm sagen, dass sie sich für einen alten, fetten Sack wie ihn niemals interessieren würde, was er sich einbilde überhaupt nach dem Thron ihrer göttlichen Jugend zu greifen.
Alternde Frauen mit hängenden Brüsten und Genitalien an denen die Schwerkraft ganze Arbeit geleistet hat. Männer, deren Hoden auf dem Oberschenkel zum Liegen kommen. Faltiges Skrotum mit fusseligem Schamhaar.
Na und?
Wen regt das auf? Wen geht das an?
Dürfen alte Menschen nicht mehr in die Therme oder an den FKK-Strand gehen?
Darf eine alte Frau ihre aus der Form geratenen Oberarme nicht mehr zeigen? Muss sie ihren Schoß schamhaft verbergen, während die Jugend sich räkelnd spreizt?
Weshalb sollte ein übergewichtiges Mädchen sich in eine Tunika hüllen anstatt bauchfrei zu tragen, wie alle anderen auch?
Um sich in tiefster Selbstverachtung selbst zu blamen (schaut, ich bin so hässlich, dass ich ein Zelt trage) oder um uns zu schonen, die Wahren, Schönen und Guten?
Um Rücksicht auf Menschen zu nehmen, die nicht gewillt sind ihrerseits achtsam zu sein,
Rücksicht auf diejenigen, die den alten oder dicken Menschen verachten und keine Sekunde zögern ihn dies spüren lassen, die aber ebenso auf jene herabblicken, welche dem unerbittlichen Druck durch Schönheits-, Jugend- und Fitness-Diktat nicht mehr stand halten können und sich deswegen kosmetischen Eingriffen unterziehen?
Lass Dich verlachen, wehr dich nicht und unternimm auch nichts dagegen.
Wer nicht von Natur aus so schön ist wie wir gehört nicht dazu, und wer sich mit so jemandem einlässt, mit dem stimmt etwas nicht.
(Reste ficken nennt man das.
Mangelware/ Remittenden/ weg damit!)
Nur durch Disziplin und Demut wirst du einer von uns.
Vielleicht. One day. Wenn uns danach ist.
Bewundere uns, erkenne unsere Überlegenheit an, sei ein Claqueur, füttere mein Ego mit deiner jämmerlichen Unterlegenheit. Verachte dich, ich tue es ja auch.
Alltagseugenik
Wer sich innerhalb dieser Logik (von Ästhetik mag ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen) bewegt, für den bedeutet alt werden zugleich auch hässlich werden.
Und Schande über den, der die Worte der Geringschätzung, die Gesten des Widerwillens aufnimmt und sie nicht stumm erträgt. Wie würdelos, wenn ein alter Mensch wieder jung oder ein Dicker endlich dünn sein möchte, der eine sich dafür liften und der andere sich deswegen das Fett absaugen lässt. Erst fressen, dann zum Arzt.
Nur Disziplin würden wir gelten lassen. Wer zuviel gegessen hat soll das auch bitteschön durch monatelanges Hungern wieder los werden. Allein durch Qualen kannst Du einer von uns werden.
Wer mit dem Altern nicht klar kommt, den trifft der ganze Ekel, den auch der dicke Mensch erfährt, oder jener, der dem täglichen Pikkolo im Büro nichts entgegen zu setzen hat und deswegen zum Vollblutalkohoiker wird.
Wer schwach ist, der gehört nicht zu uns.
Ageism, Lookism und Fat-blaming gehören zu den gesellschaftlichen Lieblingsspielen.
Parforce-Jagden bei denen die geifernde Meute gerne mit macht.
Manchmal ekele ich mich so sehr vor den Menschen.
(Ja, der Herbst. Und das verfluchte Blutergebnis ist immer noch nicht da.)
Bild: „Witney Carson“ von Danceluvswag – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC-BY-SA 4.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Witney_Carson.jpg#/media/File:Witney_Carson.jpg