Heini, alte Liebe

Benannt nach einem Bruder Friedrich Wilhelm III., liegt der Heinrichplatz südlich vom Mariannenplatz.
Oranienstraße und Mariannenstraße kreuzen hier.

kreuzberg

kreuzberg (Photo credit: von_boot)

Eigentlich ist der Heinrichplatz eine meiner großen Lieben. Uneigentlich aber ist es so wie mit anderen Lieben: man lebt sich auseinander. Manchmal bis zur Unkenntlichkeit.
Als der Heini und ich noch verliebt waren, gab es dort, wo Papa No jetzt seine öde Variante von asiatischem Essen auftischt, ein ewig leerstehendes Ladenlokal, über dessen Eingangstüre in altmodisch geschwungener Leuchtschrift “Herrenausstatter” stand.
Zu Zeiten, als es noch Herrenausstatter gab fand dort auch die erste Gemüse- und Abfallschlacht zwischen Kreuzberg und Friedrichshain statt, die Kreuzberg dank der KPD/ RZ (Kreuzberger Patriotische Demokraten/ Realistisches Zentrum)  für sich entscheiden konnte. Heute trifft man sich auf der Oberbaumbrücke zum Kampfe, und Friedrichshain liegt in der Gesamtwertung klar in Führung.  (Die KPD/ RZ  ist längst ein Teil der Partei –Die Partei– geworden. Der  ehemalige Kreuzberger Spitzenkandidat “der wahre Heino”, musste 2007 sein Lokal “Enzian” schließen, und feierte 2012 ein kleines Comeback, als er mit den Toten Hosen  auftrat).
Am 1. Mai war der Heinrichplatz stets der richtige Ort, um den Show-down zwischen Gut und Böse zu erleben.
Alles vorbei.

Statt “Heraus zum revolutionären 1. Mai” zu schreiten, trifft man sich jetzt beim “Myfest”. Deeskalationskommandos, Anti-Konflikt-Teamer und unzählige Polizei-Einheiten aus dem ganzen Bundesgebiet, machen das Myfest zu einer sehr friedlichen Angelegenheit.
Der Heini ist halt älter geworden, gell?
Und er schaut auch ein bißchen mehr auf´s Geld inzwischen.
Seit Kreuzberg zu den angesagtesten Orten in Berlin und der Welt zählt, kann auch Heini ein bißchen im Glanze dieses Lichtes blühen.
Der Wandel hat seinen Preis. Das “Café Jenseits” unter der Regie des wunderbaren Clement de Wroblewsky, musste Ende 2009 wegen des extrem gestiegenen Mietzinses schließen. Wroblewsky war eine Institution, und seine Lebensgeschichte überaus interessant. Gegen Ende seiner Zeit als Gastwirt hatte er einen regen Briefwechsel mit dem Bezirksamt, das wegen Verstoßes gegen das Rauchverbot immer wieder Bußgelder gegen ihn verhängte. Dieser Briefwechsel ist als Buch erschienen “Det Volk is doof aba jerissen”. Lesenswert!
Ach Tucholsky, wenn auch du wüsstest, was hier los ist!
Seit einiger Zeit nun betreiben zahlungskräftigere Mieter in Wroblewskys Räumen ein neues “Café Jenseits”. Ein neuer Name wäre ehrlicher gewesen.
Wie gerne würde ich Leuchtschriften sehen, auf denen “Café Mammon”, “Bar Kommerz” oder “Tacquería Pagare” steht. What you see is what you get. Ehrlich und unverhohlen in den Absichten wie ein Sexshop.
Die Kneipen “Zum Elefanten” und “Zum goldenen Hahn” immerhin gibt es noch.
Sie sind der Lichtblick überhaupt und einen ganz eigenen Eintrag wert.
Auch das kleine Kiosk auf der Südseite des Platzes, das 1905 nach einem Entwurf Grenanders errichtet wurde existiert noch. Es beherbergt einen sympathischen, freundlichen Imbiß.
Um das Lokal “Rote Harfe” , an der Ost-Seite des Platzes, rankt das Gerücht,  sie wäre eine Geldwaschanlage der Hells Angels. So langweilig wie der Laden ist, wäre es die perfekte Tarnung.
Der schlimmste Schuppen am Heini aber, ist uneinholbar das “Bateau Ivre”.  Wie in einem geschmacklosen Lampenladen  sieht es dort aus. Die Kellner sind durchweg größenwahnsinnig und stolzieren schnöselig durch die Gegend, als hätten sie Federn im Hintern. Das Publikum, das den Gehweg vor dem Laden belagert, stellt genau die Gattung Mensch dar, derentwegen Heini und ich uns letztlich nach so vielen gemeinsamen Jahren trennen mussten.
Überhaupt wird es Zeit zu gehen.
Zurück Richtung Heimat, zurück zum Mariannenplatz.
Das ist nämlich ein richtiger Platz, und nicht nur ein Plätzchen wie der Heini.
Danke für die gemeinsame schöne Zeit, auch wenn so wenig geblieben ist!