Du bist so possierlich, sage ich zu meinem wackligen und inzwischen vollkommen dementen Tölchen und denke ob der angestaubten Formulierung an Tante Marilies, die „alte Jungfer“, die mich immer ein wenig an Professor Bienlein erinnerte, und die in ihren späten Jahren Indien bereist und mit ihrem Interesse und ihrer Offenheit für andere Religionen, ihren Bruder, den Pfarrer, brüskiert und sich seine kiefermahlende Verachtung zugezogen hatte, nicht zuletzt deshalb, weil sie zeitlebens unverheiratet geblieben war.
Auch sie gehörte zur niedrigsten Kaste innerhalb unseres Familiensystems. Doch dieser nachgeburtliche Downgrade verschaffte ihr nicht allein den Gang durch das Tal der Verlassenheit, sondern auch die Freiheit derer, die tun und lassen können, was sie wollen, weil der Aufstieg in eine höhere Kaste per se ausgeschlossen und ein weiterer Abstieg nicht möglich ist.
Heute, viele Jahre nach ihrem Tod, würde ich ihr gerne all die Fragen stellen, die ich früher noch nicht hatte.
Stets schreiben Sie so treffend und wunderbar! (Mir bleibt nur gerade, einen herzlich guten Rutsch zu wünschen, ohne zu viel Geknalle draußen!)
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Na, nach meiner Erfahrung wird in Berlin das Neue Jahr immer mit viel Geknalle begrüßt! Prosit Neujahr! Happy New Year, liebe Tikerscherk!
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Frohes Neues Jahr auch für Dich!
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„Heute, viele Jahre nach ihrem Tod, würde ich ihr gerne all die Fragen stellen, die ich früher noch nicht hatte.“
Ich bin 88, Tikerscherk, ubd ich finde, meine Famile stellt mir nicht viele Fragen. Aber ich schreibe viel über mein Leben. Sollte später einmal dieser oder jener einige Fragen haben, dann wird, hoffe ich, was ich geschrieben habe, allerhand über mich aussagen.
Da ich seit mehr als zwei Jahren eine Witwe bin, fühle ich mich sehr wie Tante Marilies, da ich jetzt die Freiheit habe, „tun und lassen zu können“, was ich will!
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