Sozialneid

Wort halten, ohne Wort gegeben zu haben. Eine Selbstverständlichkeit sollte man glauben.
Eine Kollegin erzählt mir von Freunden, die ihren Untervermieter, einen ALG-II-Bezieher, wegen nicht angemeldeter Untervermietung und entsprechenden Mieteinnahmen beim Amt angezeigt haben. Selbstredend erst nachdem sie bei ihm ausgezogen waren.
Die Kollegin findet das gut und richtig. Der Mann hätte ja arbeiten können. Schließlich müsse auch sie bei Eiseskälte am Gemüsestand stehen und schmutzige Erdäpfel verkaufen, um sich etwas dazu zu verdienen.

Eine Umfrage soll ergeben haben, dass ein hoher Prozentsatz der Deutschen, vor die Wahl gestellt ob man lieber 100 Euro erhalten will, und der Nachbar bekommt 300 Euro, oder ob man bevorzugt, nur 50 Euro zu erhalten während der Nachbar leer ausgeht, sich für die letztgenannte Option entschieden habe.
Ich weiss nicht, ob es diese Umfrage wirklich gab, aber ich halte ein solches Ergebnis durchaus für denkbar.

Eine frühere Kollegin, die wenn sie über andere redete, gerne von silbernen Löffeln und vergoldeten Wasserhähnen sprach und von dem was die anderen alles vorne und hinten hinein gestopft bzw. geblasen bekämen, gab in einem ehrlichen Moment unumwunden zu: Ich bin vom Sozialneid zerfressen.
Das war vor über 10 Jahren. Aus irgendwelchen nicht näher benannten Gründen war Hubertus Heil ihr Lieblingshassobjekt.
Sie trug gerne Lonsdale Klamotten und Springerstiefel, hatte einen feather cut und bestand darauf ein Redskin zu sein. Die Vereinnahmung der uralten Marke durch Rechte regte sie auf. Noch mehr allerdings empörte sie sich über Idioten, die rechte nicht von linken Skins unterscheiden konnten und sich vorsichtshalber zurückzogen, sobald sie mit vor Missgunst und Hass funkelnden Augen den Raum betrat. Ich habe keine Ahnung was aus der Frau geworden ist. Ich hoffe sie hat keinen Mord begangen. Hubertus Heil jedenfalls lebt noch und setzt alles daran, ALG- II-Empfängerinnen das Leben nach Kräften schwer zu machen.

16 Kommentare zu “Sozialneid

  1. Das Experiment haben wir während meiner Umschulung in Wirtschaftslehre mit zwei Euro gehabt, allerdings mit der Bedingung, dass wenn du nicht teilen willst, du gar nichts bekommst, also keiner Geld hat. Rate mal wie viele sich dafür entschieden haben, lieber gar nichts zu haben. Ich erinnere mich, dass ich blöd angeschaut wurde als ich gefragt habe, ob ich den Euro, den ich abgeben konnte auf zwei Leute aufteilen könnte. Wir mussten eine Person wählen, die den Euro haben sollte und ich konnte mich nicht entscheiden zwischen der alleinerziehenden Mutter, die ALG II bezog oder der Kommilitonin, die nie nach Hause fahren konnte, weil sie vom an sie von der Agentur bezahlten Fahrgeld leben musste. Die wohnte ca. 800km weit weg. Natürlich wäre das alles nur symbolisch gewesen – wir haben natürlich kein Geld vom Dozenten bekommen -, aber es waren dann doch gerade diejenigen von uns, die selber nicht viel hatten, die noch abgegeben haben. Die, die versorgt waren wollten nicht teilen.

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  2. Mich macht das Verhalten der Mieter traurig und zornig. Wer sind sie, sich zum Richter aufzuspielen? Ich finde das Verhalten des Vermieters nicht o.k., wäre dann aber auch nicht zur Nutznießerin geworden. Ihm hätte ich es gesagt, und er muss mit seinem Denken/Verhalten leben.

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  3. Sozialneid beobachte ich in den letzten Jahren immer wieder, wenn es um Flüchtlinge geht.. Ich kann – weder im Großen und Ganzen, noch im Einzelnen – beurteilen, ob sie vor Krieg oder Armut flüchten. Aber ich kann beurteilen, dass sie nicht zu viel bekommen und ganz gewiss nicht mehr als Hiesige. Und ich weiß, wie es ist, mit Nichts von vorn anzufangen. Das ist kein erstrebenswerter Zustand und die Not muss groß sein, wenn man sich darauf einlässt. Ich selbst habe es zwei Mal erlebt. Und war froh, dass mir geholfen wurde.
    Neidisch darauf zu sein, dass Jemand so lebt, dass ihm Besserverdienende Ratschläge geben, sie sollten sich Zehnerpacks Bratwürste kaufen, damit es billiger ist, auch wenn keiner 5 Tage die Woche Bratwurst essen möchte, ist unverständig, dumm und wenig mitfühlend. Und wer, bitte, sollte darauf neidisch sein?

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    • Sozialneid inbesondere auf arme Menschen ist einfach nur erbärmlich.
      Und dieses herablassende, bevormundende, neunmalkluge Verhalten derer, die (noch) nicht slelbst von Armut betroffen sind, ist noch jämmerlicher.
      Nein, niemand möchte immerzu das Gleiche essen, weil die Großpackung günstiger war.

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  4. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, die Welt nicht mehr zu verstehen, und ich bin nicht sicher, ob ich sie überhaupt noch verstehen will.

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    • Dazu gibt es einen Index. Also die Zeitspanne, in der ein Mensch die Welt „nicht mehr versteht“. Mehr auf Technologie bezogen glaube ich aber hey… :)
      Er war mal mehr hundert Jahre lang, mittlerweile ist er bei weniger als einer Lebenslänge.

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      • Mit den Technologien und der Sprache klappt es noch tadellos.
        Ich begreife eher nicht, wie es zu einem solchen Rollback in düstere Zeiten kommen konnte und wie Phänomene wie Trump und Bolsonaro 8beides nicht gerade junge Männer) überhaupt möglich wurden.
        Was mal SciFi war und Dystopie ist jetzt Realität.
        Verstehst Du die Welt noch?

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            • Die Welt ist ziemlich genau so wie wir sie geschaffen haben. Destruktiv und konsumierend. Alles geht zuende, wir sind auf dem Weg. Und genau so wird diese Welt „verständlich“. Sieh den Mensch als Krankheit an der Erde. Verstehst du dein Fieber während du krank bist? Aber mittlerweile weißt du, warum es Fieber gibt und wofür, aye?

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              • Ich habe sehr wenig Anteil an den Dingen, die ich nicht gut finde in unserer Welt. Destruktiv und konsumierend bin ich nur in Ausnahmefällen gewesen(mir fehlte Geld, dann Dummheit dazu). Ich hoffe wider bessere Argumente darauf, dass wir eine Chance haben, dass unsere Enkel leben können. Und wir erklären auch ihnen die nachhaltige Lebensweise. Wir genießen Dinge, ohne viel zu zerstören(Essen, Bücher, Bilder, Musik…). Solange ich noch überall Menschen finde, die für andere eintreten, die helfen, wo es not-wendig ist, die lachen und feiern können, solange habe ich Hoffnung. Auch die Kommentare hier stärken eher meine Hoffnung, weil ihr ähnlich wie ich denkt!

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      • Nein, Censay, was ich beruflich oder privat an Technologie nutze, das lerne ich so nach und nach. Es geht mir mehr um Politik oder um allgemein Menschliches.

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        • Ich selbst höre mich schwer, quantencomputer zu verstehen. Und wurde von Wissenden belehrt, dass alles was ich darüber dachte zu wissen eigentlich falsch ist. Virtuelle Realität fällt mir schwer, ich bin gebunden an meinen Flächen Bildschirm. Und mein Leben ist noch nicht mal halb vorbei (toitoi).
          Wie Krypotowährung funktioniert habe ich so etwa erzählt bekommen. Könnte es, jedoch niemand erzählen.
          Etcetc.
          Wir haben eine Menge gefühltes Wissen zu einer Menge Themen. Aber wirklich schlau bin ich zumindest in keinem. Mir macht Chaos und Unvollständiges nur nicht mehr so viel aus (je nachdem über was wir reden) :)

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