selbst schuld kein Mitleid

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selbst schuld, kein Mitleid meint, sagt bzw schreibt man und kürzt es netztypisch lässig – I know that you know that I know- mit sskM ab.
SskM wenn einer seinen Arm beim Böllern verliert.
SskM wenn Australien brennt und die Regierung an Silvester-Feuerwerk und Kohleabbau festhält.

SskM wenn die Kuh aufs Eis geht und dem Esel zu wohl wird.
SskM bei sexuell übertragbaren Erkrankungen.
SskM wer unangeschnallt Auto fährt.
SskM wenn der Rock zu kurz und die Pumps zu hoch waren.

SskM wer sich beim Fixen infiziert, sSkM wer beim Risikosport verunglückt, sSkM wer ohne Einladung oder europäischen Pass übers Mittelmeer schippert und darin den Tod findet.

SskM wer auf seiner Terrasse erschossen wird, sSkM wer Kinder die falschen Lieder singen lässt.

SskM hier, sskM da, sskM in Amerika.
(Augen auf bei der Berufs- und bei der Partnerwahl)

(Einschub: im Wartezimmer mit den Flusen auf den Klamotten und den Katzenhaaren am Revers, fällt mir auf wie sauber all diese Menschen sind, wie gepflegt und wie schmuddelig ich im Vergleich. SskM wenn man nicht eben mal die Kleiderbürste herausholt ehe man das Haus verlässt und sich der Öffentlichkeit präsentiert. SskM wer keine Nackttiere sein eigen nennt, die Haut warm wie Blut und weich wie Velours)

SskM wenn Raucher an Lungenkrebs erkranken, sSkM wenn Frau ü 40 pränatale Diagnostik ablehnt und ein behindertes Kind gebiert, sskM bei Diabetes Typ I.

Wer nicht hören will muss fühlen.

28 Kommentare zu “selbst schuld kein Mitleid

  1. Ich denke das ehrlich gestanden auch oft – aber Deine Aufzählung zeigt sehr fein, wohin’s führen kann. Die Abkürzung allerdings ist bisher an mir vorbeigegangen. Glücklicherweise, denn bei „Selbst schuld, kein Mitleid, wer…“ drehts mir schon rein grammatikalisch den Magen um….. *gg*

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    • Ich muss sagen, dass ich das eher selten denke. Vielleicht bin ich mit zuviel Schuld auf den Schultern aufgewachsen und sehe immerzu den Gekreuzigten vor mir, der (auch)meinetwegen sterben musste.

      An Schuld zu glauben fällt mir mit jedem Lebensjahr schwerer.

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      • Ich sehe es ähnlich wie Sie, Frau Tikerscherk. (Und selbst wenn in anderen Fällen mit einiger Berechtigung von Schuld gesprochen werden kann, bin ich eher selten der Meinung, dass mir ein Urteil zusteht.)

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        • Das sehe ich dann doch ein bisschen anders. Ich urteile und ich verurteile i.S.v. Bewertungen (find ich schlimm/ niederträchtig/ dumm usw.) Auf der Basis meiner Urteile und moralischen Vorstellungen knüpfe ich Freundschaften usw. Aber Schuld? Schuldzuweisungen sind so schrecklich selbstgerecht und viel zu kurz gedacht. Und Häme macht einen Menschen nicht schöner und liebenswerter. Daher versuche ich, mich solchen Gefühlen nicht hinzugeben.

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          • Natürlich beurteile ich auch, bevor ich jemandem näher komme. Was ich hier meinte, war Schuld im Sinne von Verschulden. Z.B. jemand macht einen Fahrfehler und tötet deswegen einen Menschen. Ich tue mich schwer damit, mich über so einen Menschen zu erheben und mich zu seiner Schuld zu äußern.

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      • Genau, ich fühle mich besser, menschlicher, wenn ich Mitgefühl habe. Menschen, die sich besser mit sSkM fühlen, sollen meinetwegen damit selig werden. solll ich mich darüber mockieren? Für die Betroffenen ist es eh egal. Liebe Grüße!

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          • Ja, und du schreibst es sehr gut auf, mit deinem unverwechselbaren Ton. Drum lese ich es auch immer mit einer gewissen Spannung. Oft reizt es mich, dann zu den transportierten Inhalten Stellung zu beziehen. Bzw zu dir, die diese Inhalte transportiert, um herauszufinden, in welcher Weise sie dich angehen, bewegen. Aber das gelingt mir nicht, ich verstehe zu wenig von dir, drum halte ich in Zukunft meinen Mund, lese aber weiter. Ganz herzliche Grüße! Gerda

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            • Ich habe Deine Kommentare immer sehr geschätzt, liebe Gerda. Vielleicht bin ich inzwischen einfach empfindlicher. Fühle Dich bitte weiterhin herzlich willkommen und zögere nicht, zu kommentieren, wenn Dir danach ist. Auseinandersetzungen zeigen uns die Welt und Sichtweise der Anderen. Ohne sie bleibt Jede für sich.

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      • es kommt drauf an, tikersherk. wenn aus deinem Mitgefühl entsprechende Handlungen resultieren – auch Äußerungen des Mitgefühls können dazu gehören -, hat der Betroffene sehr wohl etwas davon. Sonst ist es halt belanglos. Ich sage das nicht, um mit dir zu streiten, sondern um irgendetwas Vernünftiges zu deinem Text zu sagen.

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  2. selbst verantwortlich…. ja. Aber man darf doch Mitleid empfinden, mit dem, der sich den Arm weg böllert oder die skipiste herabstürzt. Mit dem ersten Atemzug gehen wir Schritt um Schritt unserem letzten entgegen. Die einen schneller, die anderen langsamer….
    „Schuld“ ist ein hässliches Wort aber noch hässlicher finde ich „kein Mitleid“!

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  3. Viele Menschen nehmen sich gegenüber Übergewichtigen Menschen heraus, diese zu ermahnen, oder zu kritsieren, weil sie selbst schuld seien. Menschen reagieren und leben verschieden, nicht alles ist planvoll. Miteinander leben heißt doch, den anderen Menschen so lassen wie er ist. Wenn er um Hilfe bittet, dann helfen, falls es geht. Aufklärung über Risiken ist wichtig, aber nicht in einer persönlichen Konfrontation. Schuldzuweisungen machen wütend, traurg, lähmen…

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    • Volle Zustimmung.
      Außerdem: was geht uns das eigentlich an, wie andere Menschen leben, solange sie uns nicht schaden?

      Wem Leid widerfährt, dem muss geholfen werden. Ganz gleich ob er an diesem Leid selbst „Schuld“ trägt oder nicht.

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  4. Wer bewusst und freiwillentlich durch seine Handlung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens in Kauf nimmt, obwohl risikoärmere Handelungsalternativen für die Erreichung des Ziels zur Verfügung stehen, benötigt mein Mitleid beim Eintritt des Schadens nicht. Ich differenziere bei meinem Mitleid zwischen schicksalhaften, unvorhersehbaren Schadensereignissen und Schadensereignissen aus der bewussten Inkaufnahme von vermeidbaren Risiken. Das heißt, den freien Willen, die Mündigkeit und das Selbstbestimmungsrecht des Menschen anzuerkennen. Dies gilt auch beim Respekt und der Anerkennung von Leistungen/Erfolgen: Erbschaft oder Lottogewinn ist etwas anderes als beruflicher/unternehmerischer Erfolg.

    Btw.: Bei Diabetes mellitus Typ I würde ich nie von sSkM sprechen. DMT1 ist angeboren. Diabetes mellitus Typ II, den Sie vermutlich meinten, ist dagegen kein Schicksalsereignis, sondern Ergebnis eigenverantwortlicher Entscheidung.

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    • Wer rotzbesoffen oder dumm oder süchtig ist handelt schon mal nicht bewusst.
      Wer Gefahren nicht richtig einschätzen kann, ist offenkundig auch nicht im vollen Bewusstsein der Konsequenzen seines Handelns.

      Ich glaube, dass Menschen, denen schlimme Dinge (ob schuldhaft oder nicht) widerfahren sind, nicht auch noch die Häme ihrer Umwelt brauchen. Sie sind genug „gestraft“.

      Haben wir doch einfach Mitgefühl mit unseren Mitgeschöpfen, ganz gleich warum es ihnen nicht gut geht.

      (Sie haben Recht: Diabetes II. Danke für den Hinweis- werd´s gleich ändern)

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    • Es entscheidet niemand sich für Diabetes II- es passiert manchen Menschen! Es gibt Menschen, die ganz viel essen und nicht zunehmen, und es gibt Menschen mit gesunder Ernährung, die übergewichtig werden, z.B., weil der Stoffwechsel verlangsamt ist im Alter. Es gibt Menschen, die ihren Kummer nur mit vollem Bauch ertragen, oder deren Fettzellen im Kleinkindalter gezüchtet wurden… Es gibt Menschen, die brauchen einen Panzer gegen allwissende Menschen, wehren sich so gegen die Zumutungen des Alltags – „bewusst“ und „freiwillentlich“ sind in diesem Zusammenhang die falschen Bezeichnungen!

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  5. Sarkasmus ist eine Notwehr u.a. gegen die Unauflösbarkeit der Existenz in eine Schuld-Unschuld-Richtung.
    Wer lebt muss fühlen. Aber mitfühlen ist ein Teil dieses Lebens. Als ich nenne es: philosophischer Typ, weiß man um die Fehlerhaftigkeit seiner selbst. Und daher um die unauflösbare Situation der conditio humana. Wenn man eine klare Ideologie hat, bietet die einem u.a. auch die Zuordnung der Schuld. Aber dafür bin ich zu viel Plural, d.h. in dem Fall: Es sind bei mir zu viele verschiedene Seiten gleichzeitig präsent, als dass ich klare Urteile sprechen kann. Ohne Urteilen kann der Mensch nicht. Aber wenn es nur klare Urteile und keine philosophische bzw. plurale (die Widersprüchlichkeit von uns allen) ebenfalls präsent machenden Kräfte und Perspektiven gäbe, könnte die Existenz (und keine einzelnen Strukturen in ihr und zwischen diesen Strukturen) nicht zusammengehalten werden.

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  6. Du bist schon eine große Künstlerin des Wortes. Wie immer du es auch verpackst, ich denke, es ist nicht immer einfach für dich, mit deiner Sensibilität dem menschlichen treiben zuzuschauen. Ich wünsche dir ein gutes 2020, dass dich einigen deiner Fragen ein Stückchen näher bringen möge. Und mir wünsche ich, angeregt durch deine Beitrag, selbiges.

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