Psychosebox

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Die Katze sitzt auf der Metallbox und schreit. Schreit, schreit und schreit.
Eine Lefze hängt herunter, hängt seit der Eckzahn gezogen werden musste,
den ich, zusammen mit dem Pferdezahn aus der Pampa, für das Pferdemädchen aufbewahre, welches, sollten die Dinge sich wunschgemäß entwickeln,
demnächst einen kleinen Bauernhof bewirtschaften wird.

Die Katze sitzt auf der Metallbox, vom hauseigenen Volksmund „Psychosebox“ genannt und schreit und schreit und kräht und jammert sich in den pupillenweiten, ortsüblichen Wahn hinein. Immer ist es die Kiste und nur die Kiste, die sie in diesen semihynotischen Zustand bringt, so wie mich das fensterlose Bad oder die rare nachmittägliche Rückenlage im Bett ins maß- und grundlos Heitere überschnappen lassen.

Wie ist dir, Kätzchen, denke ich und schaue sie, deren Mäulchen inzwischen weit aufsteht und den Blick auf schwarzes, goofyartiges Zahnfleisch freigibt, und die mich aus halb geschlossenen Lidern, mittlerweile nur noch kehlig gurrend und quengelnd anblinzelt, an. Und plötzlich muss ich an meine Mutter und ihre vorgebliche und mutmaßliche Umnachtung der letzten Lebensjahre denken (sofern nicht alles bloß gespielt und ihrem histrionischen Talent geschuldet war, was immerhin auch auf eine Art besonders, ungewöhnlich und meschugge wäre).
Und dann denke ich an den Kanzler und an das leider nicht so gute Untersuchungsergebnis und an die Stenose gleich neben dem Stent und an die Ödeme in den Händen und das Virus und das Kortison und die kanzlertypische, leichtsinnige, um nicht zu sagen fahrlässige Selbstmedikation.
Ich glaube sie haben beim Blutabnehmen meine Vene durch- und in die Arterie hinein gestochen, sagt der Kanzler am Telefon, mehr zu sich selbst, als zu mir, und natürlich werde ich hellhörig und hake nach. Es puckert, sagt er, ich kann es puckern sehen, und er überlegt ob nun möglicherweise die beiden Gefäßsysteme miteinander vebunden und zusammen gewachsen sein könnten.

Das wäre aber schlecht, Papa, antworte ich, nun hochgradig alarmiert und innerlich am Vibrieren und er sagt: Ach was!
Aber Papa- venöses und arterielles Blut zu mischen ist nicht gut.
Mach dir um mich bloß keine Sorgen! beendet er das Thema.
Und genau das mache ich selbstverständlich, weil er mein Vater ist und weil es mir in die Wiege gelegt, mir mit der Flasche eingeflößt, mir sozusagen intravenös verabreicht wurde und man mich vom ersten Atemzug an gelehrt hat, mir jederzeit möglichst viele möglichst seelenzermürbende Sorgen zu machen.

Und dann muss ich auf einmal an die arme G. denken, deren Todestag sich im Januar schon zum zweiten Mal jähren wird und deren Sohn, der Kanzlerenkel, inzwischen mit seinem Vater und dessen neuer Freundin in den Niederlanden lebt und seine Großeltern arg vermist, und dann fallen mir, wie jedes Jahr um diese Zeit, Elvis und David Bowie ein und ich denke: nur Eine ist von uns Vieren noch übrig geblieben, Eine nur.
Ein Wunder, dass ausgerechnet ich das bin.
Hallelujah.

 

 

Ein quicklebendiges und sorgenfreies Jahr wünsche ich allerseits!

9 Kommentare zu “Psychosebox

    • Das habe ich mich in dem Alter auch gefragt. Die Antwort gb mir eine Murmel: weisse und bunte Schlieren in einer fremden Galaxie.

      Die Dinge werden sich zum Guten entwikeln. da bin ich sicher.
      Ein glückliches neues Jahr wünsche ich Dir!

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