Amazing April

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gone

Amazing April steht auf der schwarzen Tafel, doch statt T.S. tritt ein Spitzbartträger mit Spitzhut aus dem Walther und fuchtelt und röhrt mit tiefem Bass über die Straße hinweg, wo Echomann mit langem Arm die Kunde empfängt und sie schreiend davon trägt. Gelangweilt nippen die coolen Ladies über die Ränder ihrer Sonnenbrillen an ihren Drinks, irgendwo in der Stadt wird eine neue City-Toilette eingeweiht (werbefrei) und auf den geplanten Radweg freuen sich schon jetzt alle. Das wird, Leute, das wird.

Grab Roon heißt es nur eine Tür weiter und ich würd ja gern, doch no roon nor racoon is nowhere to be seen und so wandere ich mit ausgebreiteten Armen durch das Licht und die Flusen und die auffliegenden Tauben, das erste Grün tupft frisch sich in das große Blau, bei Eurogida picken Spatzen an den feilgebotenen Früchten und bei Ladewig gibts Kirschplunder oder Jumbo-Kreppel mit Pflaumenmus.
Nach Mitte, nach Mitte, doppeldenke ich erinnerungsweise, (Ostlohn abholen), Traditionen pflegen und Fuß vor Fuß auf den Spuren des vergangenen Jahres balancieren.

Am beinahe vollendeten Schloss angekommen finde ich das kleine Ruderboot, beloved Sir Walter, nicht mehr. Auch das Böschungs-Biotop ist verschwunden und mit ihm das Grüppchen zänkischer Blässhühner. Hin ist die Humboldtbox, gone die Samsung-Werbung, und das ungeeignete Fluchtfahrzeug muss dann doch noch entkommen sein. Der kloakenweiße Kormoranpfosten liegt verlassen, doch wenigstens die heimlichen Riesen sind noch da, ihre blauen Halme durstig in die Spree versenkt, lagern sie entlang des Wasserlaufs derweil Bärlinde sich unter ihnen durch den märkischen Sand gräbt.
Verbindungen schaffen.
An der Schlossbrücke stehen die Hütchenspieler und ihre Eckenchecker auf den angestammten Plätzen, berlinbesoffene Touristen knipsen blindlings musealen Overkill, ein Stück weiter vorne sprudelt immer noch Wasser aus der Ufermauer, der Brunnen springt, die Fahnen wehen, der dicke Dom protzt und bei Bertelsmanns thront steifbeinig der Retroadler auf dem First.
Zu meinem Bedauern finde ich das Zeughaus ein Stück weiter planenverdeckt, die gruftige Anmut der altrosa Fassade, die diesem Ort eine römische Würde verleiht, fehlt.  Tausende Touristen schieben sich zu dieser Stunde Unter den Linden entlang, doch ich biege ab und tauche ein in den Schatten des alten Gebäudes.

Auch beim Gorki gleich um´s Eck hat sich seit letztem Jahr manches verändert. Verschwunden sind die vertrauten Pollemsrohre. Die Rattenlöcher, die Essigbäume und der Müll mussten weichen. Doch sie werden wiederkehren, wenn nicht hier, dann anderswo.

Vis à vis des Gorki leuchtet weiß das Collegium Hungaricum, ein rauchblauer Porsche parkt siegessicher davor. Es ist fast Ostern und so wähle ich den Schmerzensweg, limbe hyperlordotisch unter einem aufgebockten Container hindurch, stoße mir hart die Stirn am rostigen Metall und torkele benommen auf die Straße, wo die klingelnde Tram mich knapp verfehlt.

Nur wenige Minuten trennen mich noch von meinem Ziel, und die Akteure haben bereits ihre Plätze eingenommen: schöne Menschen in lässiger Kleidung mit Kaltgetränken in den gepflegten Händen performen in vollendeter Choreo mit den winterharten Obdachlosen, die ihre Pfandflaschen in Aktentaschen verbergen, um unter dem prüfenden Blick des Pförtnerkomplizen unauffällig zu den Bibliothekenwaschräumen  gelangen zu können.

Das Eis in der Hand lege ich den Kopf in den Nacken, ein hauchdünner Wolk zieht langsam über uns hinweg, aus dem Admiralspalast klingt Musik an mein Ohr und zu meinen Füßen liegt schlafend der liebe, liebe Hund. Leben.

 

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(Ausschnitt google-maps)

2 Kommentare zu “Amazing April

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