Kipppunkt

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Die Tage ziehen dahin. Nach dem Regen heute endlich die große Abkühlung und die bange Frage: wird es so bleiben. Was mit dem Klima los ist, erklären die Meteorologen. Einer gebraucht das Bild eines großen, unterspülten Steines. So verhalte es sich auch mit den klimatischen Kipppunkten. Ist der Prozess der Erosion erst weit genug fortgeschritten, kippt der Stein und löst möglicherweise eine Kaskade umkippender Klimafaktoren aus, die sich gegenseitig verstärken und zu einem Heißzeiteffekt führen. Einen Vorgeschmack gibt dieser Sommer.

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Im Garten liege ich unter Obstbäumen, anders ist die Hitze nicht zu ertragen, und lese noch einmal Almut Klotz. Die Lektüre macht mich traurig. Also greife ich nach dem frisch erworbenen Büchlein mit den Heiligen und versenke mich in deren Martyrium. Häuten, rädern, erdolchen, in Öl sieden. Man war nicht zimperlich, wenn es um den falschen Glauben ging, damals.

 

Als ich klein war, dachte ich oft darüber nach, wie ich einem Einbrecher, der plötzlich nachts neben meinem Bett stünde, begegnen würde. Ich überlegte mir, dass ich auf keinen Fall Angst zeigen dürfte, sondern so tun müsse, als hielte ich den Einbrecher für einen Onkel oder einen Freund der Familie. Ich würde dem Dieb dann den Weg zu sämtlichen Schätzen der Familie zeigen und mich später fröhlich winkend von ihm verabschieden. Sobald er aber aus dem Haus getreten wäre, würde ich die Polizei anrufen, die ihn sodann stellen würde. Meine Eltern und Geschwister bekämen von all dem nichts mit. Erst wenn die Polizisten an der Haustür klingelten, um die Beute zurück zu bringen, erführen sie von meiner Heldinnentat.

Das einzige Problem bei der Geschichte sah ich darin, dass der Dieb womöglich auf Rache sinnen und nach seiner Haftentlassung wiederkommen würde, um mich zu töten. Wenn er lange genug einsaß, könnte ich bis dahin ausgezogen sein. Wenn nicht, musste ich meine Eltern überreden, einen Hund anzuschaffen.

Glücklicherweise kam es nicht soweit und heute, wenn ich nachts bei gekipptem Fenster in dem alten Hühnerstall schlafe, habe ich Tölchen an meiner Seite.

Es ist so schön hier.

12 Kommentare zu “Kipppunkt

  1. Als die Betten im Kinderzimmer verteilt wurden, war ich einverstanden, dass mein Bruder das Bett am Fenster nahm, weil ich dachte, dass ein Einbrecher, der durch’s Fenster kommt, dann vielleicht nur ihn umbringen würde.

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    • Schlau! Mein Bruder hatte einen Schlafanzug mit einem Muster, das aussah wie Scheiben von hartgekochten Eiern. Ich hoffte, dass wenn die Leute kämen, die einen nachts an den Füßen aus dem Bett zogen (weshalb ich bis heute nur mit bedeckten Füßen schlafen kann) sie meinen Bruder, und nicht mich, mitnehmen und in die große Menschenhäckselmaschine stecken würden, weil sie den Pyjama als Hinweis verstehen würden.

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  2. Man war nicht zimperlich, wenn es um den falschen Glauben ging, damals. – Klar. Damals.
    […] wenn ich nachts bei gekipptem Fenster in dem alten Hühnerstall schlafe, habe ich Tölchen an meiner Seite. – Ein Traum. Kenn‘ ich. Schon mal daran gedacht, nachts eine Fledermaus in den alten Hühnerstall einzuladen? Nur so. Zum Spaß. Hach… Ужас ужасный!
    Unter den alten Apfelbäumen, die seltsamerweise nach Äpfeln aromatisch riechen und schmecken – jawohl! – ist der Garten Eden :)

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  3. Auch wenn die Zeiten, die ich selbst als schrecklich bis nicht auszuhalten empfand.. Bist Du OK… wurde mir gesagt und das sage ich auch gerne Dir und wünsche Erholung am Wochenende… wird sich schon zurechtfinden! herzlichst jörg

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