Leo usw.

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Manchmal zeigt meine Blog- Statistk zwei fast gleich hohe Säulen nebeneinander. Und jedes Mal denke ich: Twin Towers. Und dann sehe ich eine Hand, die rasch ein Passagierflugzeug hinzeichnet das mit großem Tempo herangerauscht kommt und in die beiden Säulen kracht. Auf dem nächsten Bild rauchen die Überreste der zusammengestürzten Türme in den weiß-blauen WordPress-Himmel hinein und sind jetzt nur noch so hoch wie 150 Seitenaufrufe.
Ich wünschte ich würde mal was anderes denken und sehen können, wenn ich an zwei Tagen hintereinander die gleiche Zahl an Aufrufen habe. Wie war das bloß vor dem 11. September 2001? Was wäre mir da eingefallen?

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Ich habe heute eine halbe Monatsmiete (warm) für die Welthungerhilfe gespendet. Das kam so: ich frühstückte, bzw. trank einen fairtrade-Cappuccino. Dabei blätterte ich ein wenig im Internet herum und sah ein verhungerndes Baby, dem mein fairtrade-lifestyle-Ablass offenbar noch nicht zugute gekommen war. Ich las, dass in Ostafrika und im Sudan derzeit weit über 1 Mio. Kinder unmittelbar vom Hungertod bedroht sind, was ich eigentlich schon wusste aber erfolgreich verdrängt hatte. Ich stellte meinen Kaffee beiseite, prüfte mein Konto und befrug mich, was ich in den nächsten zwei bis drei Monaten noch zu bezahlen habe und wieviel ich entbehren könnte. Nach einem Check der Hilfsorgas und ihres Rankings leitete ich die errechnete Summe auf das Konto der Deutschen Welthungerhilfe weiter. Jetzt hoffe ich, dass die Tierarztrechnung erst nächsten Monat kommt und, dass sonst nichts Unerwartetes anfällt. Aber selbst wenn: verhungern werde ich nicht. Soziales Netz, soziale Sicherung.

Warum erzähle ich das? Weil ich hoffe, dass sich Jede und Jeder der kann ein Herz fasst und für die Welthungerhilfe (oder Ärzte-ohne-Grenzen, oder Brot für die Welt usw.) spendet.

http://www.welthungerhilfe.de/spenden-hunger-afrika-nothilfe/?wc=17GOFM1000

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Nach dem Frühstück haben wir uns ins Auto gesetzt und sind durch Mitte, den Wedding und Moabit kariolt. In der Chausseestraße beeindruckt der fertig gebaute Sapphire von Libeskind vis-à-vis des faschistisch anmutenden Schießschartenungtüms des BND. Wie ich das Ensemble finde, weiss ich noch nicht genau.

Weißes Sonnenlicht hängt in den Baumwipfeln und auf den Häuserdächern, darüber tiefes Märzenblau. Auf dem Leo sitzen die Menschen im Karreé. Nazareth-Umzüge in der Nazarethstraße. Ein Witzchen über die Gemeinsamkeiten des Möbelschleppens und das Tragen des Kreuzes. Irgendwann am Plötzensee gelandet, dann am Saatwinklerdamm. An Wolfgang Herrndorf gedacht, der sich hier erschossen hat, und daran wie gerne ich einen hellblauen Lada kurzschließen und damit in ein sattgelbes Weizenfeld preschen würde. In der Nacht würde ich durch die Windschutzscheibe in den riesigen Brandenburger Sternenhimmel schauen und mich freuen, dass ich am Leben bin.

Hintergrundmusik. Richard Clayderman.

Nach einem magenzerfetzenden Kaffee am Westhafen und der vorfürsorglichen Frage des Bekannten, ob denn mit meinem Herzen soweit alles in Ordnung sei (die Antwort lautet: Ja), fahren wir zurück nach Kreuzberg, wo uns die Tigerkatze in deutlich besserer Verfassung empfängt und wo bereits der sagenhaft superköstliche Tantenkuchen aus Mandelmehl, Marzipan und dunkler Schokolade auf uns wartet. In alter Tradition teilen wir ihn so auf, dass der Bekannte den Löwenanteil erhält und ich den Rest.
Das ist gut so, das hat seine Ordnung, das schafft ein Gefühl der Geborgenheit und Verlässlichkeit in der ungerechtesten aller Welten.

Epilog:

Durch das Lesen bzw. Anklicken dieses Textes haben Sie gerade einen weiteren Stein auf die heutige Statistiksäule gesetzt. Wenn diese am Ende des Tages deutlich höher oder niedriger gerät als die gestrige Säule wird die Hand des Zeichners sie verschonen.

 

 

 

 

 

Bild: ais3n, img_9674, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/

20 Kommentare zu “Leo usw.

  1. Ein schönes Bild mit dem Lada und dem Weizenfeld. Zeigt, dass wir noch Wünsche haben. Mein Wunsch (-bild), ist es , in einem roten Doppeldecker über eine Landschaft zu fliegen, die derjenigen aus „Jenseits von Afrika“ gleicht und den Tieren von oben zuzusehen. Und die Säule eines meiner Lieblings-Blogs wächst.

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    • Das Bild stammt aus Wolfgang Herrndorfs Buch „tschick“. Über eine Landschaft hinwegfliegen, die in völliger Stille unter einem liegt, ist auch ein schöner Wunsch.

      Danke für den Stein auf der Säule und für das Kompliment!

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  2. Zusätzlich möchte ich folgendes Nachtragen: leider bin ich nicht in der Lage eine halbe Monatsmiete zu spenden. Sicher… machen könnte ich das schon, aber ich drei Töchter und einen Hund… und ich weiß nicht ob es Ihnen bewusst ist, wie hungrig Riesenschnauzeraugen gucken kann, wenn man da am Futter spart.

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    • Es muss keine Monatsmiete sein. Es reicht schon z.B. jeden zweiten Tag auf den Kaffee außer Haus zu verzichten, oder die gute Flasche Wein durch eine etwas günstigere zu ersetzen. Was da zusammen kommt!

      Ich muss vielleicht noch nachtragen, dass ich nur 180 Euro Kaltmiete zahle. Die Hälfte davon ist noch immer viel Geld, rettet aber Leben. Dafür habe ich gerne verzichtet.

      Aber Sie haben Recht, man muss das können können und ich konnte es eben gerade. Hab aber auch nur einen kleinen Hunb, der 400 g am Tag braucht.

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      • Ich bin vor ein paar Jahren dazu übergegangen, da mir die Zeit für eigenes Tun fehlt, drei Organisation dauerhaft zu unterstützen, von denen ich persönlich überzeugt bin, dass die Arbeit dort sinnvoll ist. Dafür verwende ich das Geld, was ich früher verraucht habe.

        Aber Sie haben natürlich recht. Wenn viele nur ein klein wenig machen würden, brächte es eine Menge.

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        • Drei Orgas dauerhaft zu unterstützen statt zu rauchen (Glückwunsch!) ist aus meiner Sicht sehr viel. Es geht ja auch nicht darum sich zu kasteien. Teilen kann sehr schön und bereichernd sein und das tun Sie ganz offensichtlich und genießen dabei Ihr Leben. besser geht´s doch nicht.

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  3. Gestern habe ich meinen Kindheitsberufswunsch weiterentdeckt.
    Burgherr/wächter oder so was.
    Ich kannte man einen der hat im halb zerfallenen (aber wohnfertig hergerichteten) Bergfried einer ziemlich abgelegenen Burgruine gelebt und sie bewacht. Der wurde dafür bezahlt. Gott, habe ich ihn dafür beneidet.
    Wenn man so seinen Anteil an der Welt hatte. . .

    Gestern auf jeden Fall diese ganz erkenne Luft auf der Spitze eines Bergfrieds eingeatmet und alte Sehnsüchte erweckt.
    War wohl so ein Wochenende, wah?

    @Spende: da bin ich im Moment raus, scusa.

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  4. Ich spende sehr menschentypisch: An das, was ich aus direkten Umfeldberichten kenne.
    Meine Tante war für Ärzte ohne Grenzen in Afrika unterwegs, sie ist Kinderärztin. Hat Geschichten davon erzählt. MSF sind die Guten. Und deshalb geht von mir jeden Monat Geld an MSF. Aber keine halbe Monatsmiete, das könnte mir das soziale Netz sonst viel zu schnell viel zu Nahe bringen. ;)

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    • Ich war unsicher an wen ich spenden soll. Und da gerade furchtbarer Hunger herrscht, dachte ich weniger an medizinische Versorgung als an Essen. die Deutsche Hungerhilfe soll da am Besten sein, weil da am wenigsten Geld in der Verwaltung hängen bleibt.

      Ich könnte das auch nicht öfter als 1 Mal im Jahr machen. Meine Monatsmiete ist übrigens sehr günstig.

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