Ablenkbar und unstet

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Ablenkbar und unstet bin ich. Außerdem unzuverlässig. Letzteres behauptete der sogenannte Bekannte vor Zeiten, in Unzeiten, im Affekt. Da darf der das, solange er nicht dort bleibt. Im Affekt passieren die schlimmsten Dinge.
Der Bekannte ist übrigens nicht der Unterfranke, wie unlängst die liebe Carmen rätselte, sondern the companion formerly known as Der Eine. Wie die meisten Beziehungen (blödes Wort und doch um Längen besser als die geschäftsmäßig anmutende Partnerschaft) hat auch die unsere eine Wandlung erfahren, wie das die Jahre, die man miteinander verlebt, unweigerlich mit sich bringen. Der Wechsel von „dem Einen“, zu dem „Bekannten“ meint hier den Übergang vom schwärmerisch Verzückten zum behaglich befriedeten Alltag. Man kennt sich und man ist duldsamer miteinander geworden. Das ist schön. Immer nur Chili zerstört auf Dauer die Magenschleimhaut und schwächt ungemein. Wir sind jetzt bei Kamille und Fenchel angelangt. Mit Sambal Olek.

Ablenkbar und unstet bin ich. Das macht sich unter anderem darin bemerkbar, dass ich einen Text über meine Charaktermängel beginne, mich unterwegs auf unerklärliche Weise verzettele, bei einer Äußerung des Bekannten lande und mich von dort schließlich über Beziehungen im Allgemeinen wie auch im Besonderen auslasse. Meine Gedankengänge haben die Struktur eines Spazierganges durch Leipzig oder Lübeck. Aus Neugierde oder Unachtsamkeit gerate ich in einen der Gänge zwischen den Häusern, folge seinen Windungen und stehe unversehens in einer ganz anderen Gegend. Interessiert schaue ich mich um, hab längst vergessen, wo ich eigentlich hinwollte und gehe, chamäleonartig, vollends in meiner neuen Umgebung auf. As long as it lasts.

Manchmal, wenn der Bekannte und ich uns unterhalten, verliere ich sogar mitten im Satz den Faden, starre dann, statt seinen Worten zu folgen auf seine Lippen oder seine kluge Stirn, denke plötzlich an ganz andere Dinge und nicke zur Tarnung ernst. Der Bekannte, dem die Streitlust (außer morgens) über die Zeit gründlich vergangen ist, tut so, als glaubte er, dass ich ihm weiter zuhöre, lässt, um mich bei meinem Ausflug nicht zu stören, seine Rede behutsam ausklingen und wendet sich kommentarlos wieder seinen Büchern zu. Erwache ich ein paar Minuten später und sehe, dass er in seine Lektüre vertieft am Küchentisch sitzt und Notizen macht, schaue ich ihn vorwurfsvoll an und sage: Nie hörst Du mir zu.
Ich mag es so gerne, wenn er dann auffährt, die Augenbrauen hochzieht und ganz tief Luft holt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: diada, flickr
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

40 Kommentare zu “Ablenkbar und unstet

    • Was hat dich erschreckt? Dass ich den Bekannten Bekannten nenne?
      Guck mal drüben bei Onkel Maike. Die nennt ihren Bekannten Onkel ;)

      Ich freue mich, dass Du am Ende entzückt warst.

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      • Meine erste Assoziation zu „Bekannter“ ist etwas oberflächlig-flüchtiges, weit unterhalb der Freundesgrenze. Und dann der Schreck: oh, da wird doch nichts bös‘ schiefgelaufen sein, daß der Eine plötzlich bloß noch ein Bekannter ist!?
        Deshalb war ich dann so entzückt, als mir die andere Ebene des Wortes aufging. Jemand, der mir bekannt ist, den ich kenne, vielleicht ja sogar, zu dem ich mich bekenne – das ist alles andere als flüchtig und oberflächlich. Ich sag‘ ja: ABHANDLUNGEN!!!! *gg*

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  1. Zu ablenkbar und unstet fällt mir „die Passante“ ein… Proust porträtierte seine weiblichen Charaktere als schwer greifbare, vorbeiziehende Figuren. Passt doch zur Spaziergängerin von Kreuzberg Süd-Ost..:-)

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    • Na da fühle ich mich aber sehr geschmeichelt.
      Entzauberung ist der Tod der Liebe und des Respekts. Ich hoffe ich bleibe ihm ewig ein Rätsel, eine Passante.

      (Mein Herz hat einen kleinen Sprung gemacht, als ich Deinen Kommentar sah. So schön Dich zu lesen!)

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  2. Wie ich das kenne! Dieses Fäden, die sich ineinader verschlingen und einer an einem anderen Ende herauskommt, der aber bei genauerer Betrachtung nicht der Faden ist, mit dem ich begann. Überarbeitend fummel ich die Fäden wieder auseinander, früher hat die Grossmutter meine verhedderten Wollfäden entheddert, nun muss ich es selbst tun, auch gut!
    Wäre es bei dir anders, würden sich deine Texte wohl lange nicht so lebendig lesen!
    herzliche Grüsse
    Ulli

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    • Kamille trinke ich und Fenchel esse ich. Beides ohne Schuss. Seit vor ein paar Jahren meine Haut zu brennen anfing und feuerrot wurde, wann immer ich Alkohol trank, nehme ich Abstand von geistigen Getränken. Jugend ist Rausch ohne Wein :)

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      • Räusche gibt’s Gottseidank auch ohne Zuhilfenahme erlaubter oder verbotener Substanzen. Ich z. B. kann mich an einem tollen Gedicht berauschen. (Hält auch länger als die Jugend, leider)

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        • Ich bin sehr froh, nicht mehr Jugendliche sein zu müssen. Das war doch alles sehr anstrengend. Ich wusste nicht wer ich bin, geschweige denn wo es hingehen soll und ich war oft sehr traurig.

          An Gedichten kann ich mich ebenso berauschen, wie überhaupt an schönen Worten. Vergangene Nacht versuchte ich mit der Schachnovelle, gelesen von Christoph Maria Herbst, einzuschlafen. Unmöglich bei dieser Formulierkunst, dem Gespür für Worte und dieser Dringlichkeit. Heute Nacht werde ich es noch mal versuchen.

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      • Wärst du bei einer Freundin genauso nachsichtig? Ich zweifle, ob das bei mir so wäre. Ich glaube, bei einer Freundin wäre ich sauer oder verletzt, würde mich missachtet fühlen oder was auch immer. Vielleicht ist das aber auch das Los der ewigen kleinen Schwester.

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        • Was der Unterfranke darf, darf nur der Unterfranke, niemand sonst auf der Welt. Mit einer Freundin hätte ich nicht zuvor 12 Jahre Beziehung gehabt, deswg. ist das schwer vergleichbar.

          Übrigens bin ich auch die kleinere Schwester und gleichzeitig das mittlere Kind. Das ging dann so: Die beiden Mädchen räumen jetzt den Tisch ab und dann gehen die beiden Kleinen ins Bett.

          Ich wäre lieber die Jüngste gewesen. Das scheint mir die dankbarste Rolle…

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