Schwimmende Schweine

Es gibt Berufe, die ich nicht gerne ausüben möchte. Zum Beispiel möchte ich nicht anstelle des Bügelmannes im KaDeWe stehen und mit dem Ernst eines englischen Palastwächters die ollen Jacken der vorgeblich Interessierten Kundschaft aufbügeln müssen, um sie von der Qualität meiner exquisiten Bügelstation zu überzeugen.
Noch weniger möchte ich der Fachverkäufer für Herrenbekleidung mit dem gewaltigen Backenbart sein, was vor allem mit dem Bart zu tun hat, im Allgemeinen, wie auch im Besonderen. Der Backenbartler ist, unter uns, inzwischen auch längst ausgestiegen aus dem Textilbusiness und widmet sich seither ganz und gar der Pflege seines Gesichtsschmuckes. Mit großem maximalem Erfolg.

Auch möchte ich nicht Kosmetikfachverkäuferin sein und den ganzen Tag stark geschminkt im Neonlicht herumstehen müssen, wo meine verkleisterten Poren verzweifelt nach Luft rängen, während meine schmerzenden Füße und Beine nicht wüssten, wie sie die Stunden bis zum rettenden Sofa überstehen sollten.
Bäckerin wär mir auch nix, denn das frühe Aufstehen bekommt mir nicht. Mein erster Rückenschmerz datiert auf einen Morgen, an dem ich zur nullten (!) Stunde zum Unterricht erscheinen musste. Um 6.45 h betrat ich, nach einer Dreiviertelstunde Anfahrt, mit schlimmem Kreuzweh den Klassenraum und wusste von diesem Moment an, dass ich für derart unmenschliche Abläufe nicht geschaffen war. Seither vermied ich, wenn irgendmöglich vor sieben Uhr aufzustehen und legte sowohl meine Vorlesungen, wie auch später meine Jobs passend zu meinem Biorhythmus. Nur manchmal, und  auch nur, wennn es für einen guten Zweck ist, in den Urlaub fahren zum Beispiel, mache ich eine Ausnahme von dieser Regel. Aber sonst: niemals vor sieben.
Das Urlaubsargument verwende ich übrigens auch gerne bei der notorisch verspäteten Mitarbeiterin: Du schaffst es dein Flugzeug zu kriegen, um auf die Bahamas zu fliegen, dann kannst du es auch schaffen pünktlich zur Arbeit zu kommen, meckere ich seit Jahr und Tag und immer wieder zeigt sie sich zerknirscht, ob dieser unumstößlichen Wahrheit. Einmal habe ich, vor lauter Verdruss, derart geschimpft, dass ihr die Tränen kamen, was mir sehr leid tat. Doch genützt hat´s nix. Gerademal zwei Tage hielt die Wirkung an, bis der gewohnte Schlendrian wieder Einzug hielt. Inzwischen schickt sie schon vor ihrem Arbeitsbeginn reuige sms, in denen sie ihre Verspätung ankündigt und die sie als Freischein, nimmt noch später als gewohnt zu erscheinen. Ich hab doch Bescheid gesagt!
An manchen Tagen, wenn sie es gar zu toll treibt, ihretwegen Termine platzen, und mir der Schädel vor Ärger beinahe platzt, schaue ich sie zur Begrüßung nicht einmal mehr an und murmele kaum hörbar in meinen nicht vorhandenen Premiumbart: Ich sag jetzt nix. Wie ich das finde, weisst du ja.
Ja, ich weiss
, sagt sie, die den Dialog inzwischen auswendig kann, und ihre Stimme klingt erfreulich bedrückt. Nützen wird´s freilich nix.

Für 2017 habe ich mir dringend vorgenommen nachtragender oder zumindest unpünktlicher zu sein. Außerdem möchte ich auch mal auf die Bahamas fliegen.

Der Schluss der Geschichte, wie auch die Reise der Mitarbeiterin auf die Bahamas, ist frei erfunden. Weder heute noch in der Zukunft werde ich dorthin fliegen, denn mein letzter Rückflug aus der Karibik steckt mir noch tief in den Knochen.
Ich suchte bloß ein Stichwort, um dieser drögen Geschichte eine Wendung zu geben, einen finalen Schliff, und meiner geduldigen Leserschaft die zauberhaften schwimmenden Schweine vorstellen zu können.
Guckt mal, guckt mal, guckt mal!

(youtube-Direktlink)

 

 

27 Kommentare zu “Schwimmende Schweine

  1. Mein Albtraumjob: Leute anrufen und denen was verkaufen müssen. Noch schlimmer, wo klingeln und Leuten was verkaufen müssen. Ich traue mich schon immer kaum, um was zu bitten, was mir zusteht. Aber Leuten was aufdrängen müssen, was die nicht haben wollen – Da wär ich lieber Prostituierte (unaufdringliche Prostituierte, natürlich) oder Kaufhausmitarbeiterin (aber wegen dem Licht echt auch schlimm).

    Gefällt 1 Person

    • Ich glaube ich bin für die meisten Jobs nicht gemacht, aber wer ist das schon.
      Leuten am Telefon Zeug anzudrehen und sich ständig anschnauzen lassen zu müssen, stelle ich mir auch schlimm vor.
      Am besten gefiel mir ein Job, der ungefähr 30 % Büroarbeit und 70 % Klientendienst außer Haus war. Die Leute wollten was von mir, freuten sich, wenn ich zu ihnen kam und waren fast immer zufrieden mit meiner Arbeit.
      Leider war die Arbeit sehr, sehr schlecht bezahlt.

      Like

      • Wir haben auch mal überlegt, was für ein Job auf meinen Freund passen würde. Da er sehr gerne plaudert, hätte die Idee gepasst, dass er einen Kiosk eröffnet (heißt ja in Köln „Büdchen“), da könnte er immer mit den Kunden plaudern. Allerdings haben die Büdchen immer lange auf und er arbeitet nicht gerne viel. Daher müsste es ein Büdchen sein, mit einem Kunden, der täglich kommt, und etwas sehr teures kauft, damit mein Freund nicht so lange da herumstehen muss. Auch kein sehr realistisches Szenario.

        Like

  2. wunderbar…..
    merke 1: nette leute importieren und retten, aber essen keine Schweine
    merke 2: da sind Dalmatinerschweine dabei :-)…… *insulanischer Kreischalarm*
    …. und wunderschöner Text eh…wie immer….

    Gefällt 1 Person

  3. Zuckersüß. Die Schweine. Nur zu toppen von britischen Schweinen, auch wenn da eventuell ein klitzekleines bisschen filmisch nachgeholfen wurde.

    (aus dem Film „Nanny McPhee returns“)

    Grüßle, Diander

    Gefällt 1 Person

    • Oh, sind die herzallerliebst. Wasserballett. Erinnert mich an F.K.Waechters „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein“.
      Entschuldige die späte Reaktion. Ich bin gerade in allem etwas lahm.
      Danke für den Link jedenfalls!

      Like

      • Aber nicht doch, bin selber gerade die digital Allerlahmste und verpasse viel zu viel, weil das analoge Leben gelebt werden will.
        Waechter, ja, da ist was dran. Kultig. Was haben wir damals gegrinst. Die Nanny-Filme, aus denen der Ausschnitt stammt, besonders der erste, sind übrigens gesamt spaßig, auch leicht bis mittel schwarzhumorig angehaucht. Guckempfehlung für eskapistische Momente, z.B. herrlich an kalten Winterabenden.

        Like

  4. Für mich die denkbar schlimmsten Jobs: alles, was in der Kälte ist (ob Marktstand oder Straßenbau, egal) und als Top-Albtraumjob: Verkaufen in der Parfümerie. Ich hab schon Kopfweh, wenn ich da bloß langsam vorbeischlendere…..
    Puh!
    Stinken ist was fürchterliches – und da paßts dann wieder zu den Freilandschweinen: die duften so wunderbar, auch wenn sie nicht schwimmen gehn…..

    Gefällt 1 Person

  5. ich würde die Mitarbeiterin verdonnern, jedesmal eine andere Ausrede zu erfinden, zB „mein Flugzeug hatte Verspätung“ oder „Sie wissen doch, dass es zwischen den Bahamas und hier immer zu Verkehrsstauungen kommt“, oder „da ist doch eine Schweineherde über den Kuhdamm getrottetet, und die Kühe fanden das gar nicht komisch. Absolutes Chaos“. Oder „Sie wissen, ich geh immer morgens vor der Arbeit ins Schwimmbad, um toppfit zu sein. Heute wurde ich vom Bademeister eingeschlossen.“ Sowas. Und wehe, sie bringt zweimal dieselbe Entschuldigung. Dann hagelt es ne Gelbe Karte.

    Gefällt 2 Personen

  6. Ich würde meine Texte gerne mal so laufen lassen können wie du. Schlechte Jobs, schwindelnde Mitarbeiter und schwimmende Schweine. Nicht nur für die vielen Dank. Meine Kopfschmerzen sind wie verflogen :-)

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..