Die Leipziger Straße ist ausgestorben. Tot starren die Fenster der riesigen Wohnblöcke.
Mutierte Bakterienstämme, großflächig eingesetzt von der Senatsverwaltung für Soziales, haben längst die gesamte prekäre Bevölkerung ausgelöscht. Die neu angekommenen Galeristen und Medienprofis aus München, Stuttgart und Düsseldorf verschanzen sich hinter einem hochwirksamen antibiotischen Nebel.
Nur wenige Zuschauer haben sich am Straßenrand eingefunden. Sie tragen Atemschutzmasken.
Der Helikopter am wolkenlosen Himmel kündigt den sich nähernden Pulk an.
An der Ecke zur Charlottenstraße steht eine Gruppe von Trommlern. Ihre treibenden Rhythmen steigen hinauf in das stählerne Azur und vermischen sich dort mit dem Wummern der Rotorenblätter.
Ein Clown in den französischen Nationalfarben feuert die Vorbeigleitenden mit zittriger Stimme an.
Es ist inzwischen Abend geworden und die Sonne verschwindet hinter dem Finanzministerium.
In der Nacht liege ich in der Mitte des Bettes und breite beide Arme aus.
Niemand, für den ich mehr Platz machen müsste.
Erst wenn die letzten Geschäftsräume der Zwischennutzung anheimgefallen sind, werdet ihr Merken, daß Ausstellungsflächen keinen eßbaren Mehrwert produzieren…
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Die Leipziger hoch und runter installieren sich Galerien und Medienmenschen. Nicht anders am Mehringplatz und Umgebung, wo inzwischen Cafés eröffnet haben in denen auf jedem Tisch ein aufgeklappter Laptop steht und ein aufgeblasener Heini sitzt. Das ist so langweilig und dazu so traurig, dass mir die Worte fehlen. Alles wird aufgefressen von der nimmersatten fetten Raupe. Nichts wird übrig bleiben für die Hungrigen.
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Sehr schöner Text. Starke Atmosphäre. Berührende Schluss-Sätze. Meinen Dank!
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Was es ist, wenn etwas ist oder nicht mehr ist, ist immer noch etwas anderes … das macht dein Schlusssatz mit mir!
herzliche Grüsse
Ulli
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Das verstehe ich leider nicht. Erklärst Du es mir?
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Ich meinte damit, dass es Gründe hat, warum du nun dein Bett für dich alleine hast, die du nicht benennst, dass es nun ist, wie es ist, gleichzeitig wurde ich sehr traurig beim lesen des letzten Satzes …
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Ein Alptraumtext. Lass es dir trotzdem irgendwie gut gehen, es gibt ja doch immer irgendwo noch Leben, und seis bei meiner Tante im Strumpfenband.
Joachim Ringelnatz
Überall
Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband.
Wie irgendwo daneben.
Überall ist Dunkelheit.
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
Stirbt sich was für einige Zeit.
Überall ist Ewigkeit.
Wenn du einen Schneck behauchst,
Schrumpft er ins Gehäuse,
Wenn du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse.
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Ein wunder-bares Gedicht von einem klugen Mann. Danke, liebe Gerda, Du kluge wunderbare Frau!
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Hat was Kaltes, Verlorenes…
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