Der fröhliche Querulant, oder Irre Imker irren nicht

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Kann ja nix glattgehen. Ein Mal nur. Bei mir. Ausnahmsweise.
Es sind die daily hassles, die täglichen Ärgernisse, die mich langsam auswringen. Die ersten Falten hab ich schon, und wenn´s so weiter geht sehe ich irgendwann aus wie ein Shar-pei.

Also: Auffahrunfall.
Eine Frau, alarmiert und abgelenkt durch einen irren Imker, der sie mit Gezeter von ihrem unrechtmäßigen Parkplatz im Halteverbot verjagen will, weil er kein eigenes Leben hat und weil sie da halt einfach nicht halten stehen darf, so will es das Gesetz, diese derart drangsalierte Dame setzt nun mit ihrem PKW zurück, derweil der Imker neben ihrem Auto herumspringt und sie bei der Beendigung der Ordnungswidrigkeit fotografiert. Ich schaue mir das ganze Spektakel kaffeetrinkend aus dem Fond meines Wagens heraus an und wundere mich, wieso man bei diesem eiskalten Wind im leichten Sommeranzug das Parkverhalten anderer Leute reglementieren muss, statt es sich irjendwo bei einer heißen Zitrone mit Honich jemütlich zu machen, da höre und fühle ich auch schon das Krach und das Rumms, das Auto vor mir drückt sich gegen meine Stoßstange und stoppt, während mein eigenes noch ein wenig nachwackelt.

Oh

Für einen kurzen Moment bleibt die Zeit stehen (man sollte eigentlich nur noch Unfälle und Abstürze haben, das verlängert das Leben um, als besonders wertvoll empfundene, Sekunden), dann legt die Frau den ersten Gang ein und rollt wieder nach vorne, was den Imker nun vollends aus der Fassung bringt: Fahrerflucht, Fahrerflucht! krakeelt er und fuchtelt mit beiden Armen in der Luft herum.

Wie von der Tarantel gestochen springt die Frau nun aus dem Auto, stürzt auf den entfesselten Knipser zu, der gut einen Kopf kleiner ist als sie, und dessen Mundwinkel inzwischen im Duett mit seiner rechten Schulter unkontrolliert zu zucken begonnen haben, während sein Hals sich von links nach rechts schraubt, als wolle er seinen wackelnden Kopf justieren, und stellt ihn zur Rede: was machen Sie, wieso erschrecken Sie mich so, hätten Sie nicht, dann wäre ich auch nicht!

Hoho-haha, sag der Anzugmann, jetzt soll ich also Schuld sein, was? Sie parken im absoluten Halteverbot, verursachen einen Unfall und wollten auch noch Fahrerflucht begehen! Zum Glück war ich da und habe das aufgedeckt und verhindert! Ein maliziöses Grinsen spielt dabei um seinen Mund und die Augen schauen listig aus dem knochigen Gesicht.

Das wollte ich überhaupt nicht!, schreit die Frau und ich sehe, wie ihre Adern am solariumsgebräunten ohnehin schon dicken Hals anschwellen. Ich tippe auf Schilddrüsenüberfunktion. Könnte passen, schlank ist sie, das wiederum könnte aber, der Haut nach zu urteilen, auch vom Rauchen herrühren.
Als könne sie Gedanken lesen, holt sie jetzt ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und zündet sich eine an. Ihre Fingernägel sind lang und schwarz, wie ihr Haar und ihr Mantel.

Jetzt bin ich dran. Ich lasse das Fenster herunter und stecke meinen Kopf heraus.
Ich hab alles gesehen, sage ich.

Mit freudig-kooperativem Gesichtsausdruck kommt der Freizeitquerulant, der mich bis dahin hinter den getönten Scheiben nicht bemerkt hatte,  zu mir herüber geeilt und präsentiert mir den Lackschaden an meiner vorderen Stoßstange auf seinem Kameradisplay.
Was für ein bequemer Unfall, denke ich, kaffeetrinkend werde ich angefahren und im Warmen sitzend bekomme ich auch gleich noch das Schadensprotokoll. Heut´muss mein Glückstag sein!

Jetzt tritt auch die Frau zu mir ans Auto, zetert den zuckenden Zeugen beiseite, gibt mir ihre Visitenkarte und entschuldigt sich. Hätte der Mann nicht, dann wäre auch sie nicht usw. Schnell sind wir uns einig.
Der irre Imker äugt unterdessen wie ein Schreitvogel, der den Tiger nahen sieht, herum, überlegt hin und her, und holt zum nächsten Schlag aus, der jedoch die gleiche lahme Ente von vorher ist:

Fahrerflucht, ruft er, sie wollte Fahrerflucht begehen!

Die Frau, deren Gesicht sich inzwischen in Steil- und Hassfalten gelegt hat, schnappt erneut nach Luft, droht mit erhobenem Finger und ruft schließlich mit rotem Kopf die Polizei. Verleumdung, Nötigung u.dergl.

Eine geschlagene Stunde warten wir zusammen. Ich im Auto und sie ins nicht-enden wollende mantramäßige Streitgespräch mit dem Zeugen verwickelt, der mir inzwischen auch seine Visitenkarte durchs Fenster herein gereicht hat. Imker steht dort unter seinem Namen und eine Bienenkorbzeichnung untermalt diese Behauptung.

Die zur Hilfe gerufenen Polizisten schreiben der Frau ein Ticket für´s Parken im Absoluten, der Imker nickt zufrieden und wird kurz darauf von den Beamten des Platzes verwiesen, und ich fahre mit Töle zurück nach Hause. Oh happy day.

Epilog:

Am Tag nach dem Unfall rufe ich die Diensthandynummer der Frau an.
Als ich sie dort nicht erreiche versuche ich es auf der zweiten Nummer, die ich auf der Visitenkarte des großen Unternehmens finde, für das sie arbeitet. Auch dort geht niemand an den Apparat. Also schicke ich ihr eine sms.
Als nach Tagen der vergeblichen Anrufe, sms und Mails immer noch keine Reaktion kommt, rufe ich bei ihrem Arbeitgeber an.
Dort teilt man mir mit, sie sei seit Wochen vom Dienst freigestellt und habe auch keinen Zugang zu ihrem Mailaccount mehr. Das Diensthandy allerdings habe sie mitgenommen, darüber sei sie vermutlich noch erreichbar.

Nun kontaktiere ich die Polizei, die mir empfiehlt mich an den Zeugen zu wenden, da ich Blödel mir vor lauter Aus-dem-Wagen-heraus-Bequemlichkeit nicht einmal das Kennzeichen der Unfallgegnerin aufgeschrieben hatte, so sehr vertraute ich darauf, dass die Managerin bei einem großen Betrieb das alles schon zuverlässig regeln werde.

Und so fand ich mich gestern mit dem frohlockenden Querulanten telefonierend, auf der Suche nach der flüchtigen Frau wieder und mit der Frage, wieso, um Himmels Willen, immer ich der Magnet für alle Irren dieser Welt sein muss.

 

 

 

 

 

 

Bild: KirstenV/ Flickr ImkerLizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

37 Kommentare zu “Der fröhliche Querulant, oder Irre Imker irren nicht

    • Genau, so muss es sein, alle wollen der Chronistin eine Katastrophe verpassen, damit sie uns etwas Schönes über querulierende Imker oder andere schräge Vögel schreiben kann (mit Alliteration(en), bitte, if possible).

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      • Alliterationen aller Art, liefert tikerscherk.
        Vielleicht ist es so, und ich bin tatsächlich nichts als eine Chronistin des Wahnsinns.
        Ehrlich gesagt hat mich diese Geschichte relativ kalt gelassen, bin´s ja gewohnt, dass bei mir nix glatt gehen kann. Wenn´s der Leserschaft Freude macht, dann ist es auch für mich gleich viel einfacher.

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  1. Herrliche Bescherung Geschichte! Begänne Ihr Name nicht mit T wie Tikerscherk, sondern mit K wie was mit K, fiele mir ‚Katastrophen-Katalysator‘ ein und ich würde einen entsprechenden Aufkleber am Automobil vorschlagen! Hier ist’s, wo die wirre Welt ins Wort will! :-)

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  2. Wunderbar kreierte Geschichte. Die Pol hat doch bestimmt alles aufgeschrieben, Zeichen, Adresse, Führerschein usw. Der Imker wusste bereits alles von den Bienen – und er stand wahrscheinlich unter Propolis……

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    • Die Pozilei hat die falschparkende Auffahrerin aufgeschrieben und den Imker weggescheucht, nicht aber den harmlosen Unfall aufgenommen. Beim Bürgertelefon konnte man gestern nicht soweit (2 Wochen) zurückgehen in der Datenbank und hat mich deswegen an meinen Zeugen, den quirligen Querulanten verwiesen.
      Jetzt ist es gelöst, ich krieg nen Leihwagen, die Kutsche wird neu lackiert und alle Welt ist zufrieden.

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  3. Oh Gott, reichte mir schon, das Dilemma zu lesen. Ich weiß, warum ich keinen TV besitze…viel Zuviel Aufregung und Chaos (Verrückte sowieso).
    Liebe Grüße und ich drück die Daumen, dass alles gut ausgeht.

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  4. „…wieso, um Himmels Willen, immer ich der Magnet für alle Irren dieser Welt sein muss.“

    Bist Du doch nicht, zumindest nicht nur (hätte da noch einige abzugeben); neulich lernte ich einen (via Audio) ‚kennen’/schätzen, den Du L. zu nennen pflegst. Welch wunderbarer – ganz unabhängig von Dir – Mensch.

    Auf das eine oder andere Dutzend Irrer kommt (mindestens) einer, der den Unterschied macht.

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    • Du hast Recht. L. ist ein toller Mensch.
      Er erinnert die ganze Geschichte ein wenig anders als ich, was nicht heisst, dass er falsch liegt, denn zu dem Zeitpunkt als ich sie ihm erzählte war ich ja noch völlig benebelt und gerade erst wieder im Leben.
      Danke für den Hinweis!

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  5. Hast du nicht auch in der Parkverbotzone gestanden? Der Herr Imker war wohl von einer Biene gestochen, dass er sich als Hilfspolizist aufspielen wollte. Die Straßen Berlins sind eben eine große Bühne. Ich hoffe du hast beim Kaffetrinken nicht verschluckt. Gut beobachtet und gut niedergeschrieben.

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    • Ich stand ganz genau und gerade so im erlaubten Bereich. Berlin ist ein riesiges Theater und ich werde ständig in irgendwelche Aufführungen hinein gezogen. Dieses Mal war s lustig. Manchmal ist es heavy.
      Du bist ja auch bald hier, oder?

      Danke für das Lob!

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    • Leider doch.
      Wahrscheinlich liest sich die Geschichte derart klamaukik, dass Du deswegen an Hallervorden denkn musstest.
      Sowas passiert einem doch nicht im Odenwald, oder?

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  6. Ich dachte, es wär eine gut ausgedachte und erzählte Geschichte („während sein Hals sich von links nach rechts schraubt, als wolle er seinen wackelnden Kopf justieren“).
    Zum Glück lebe ich in einem Land, wo der tägliche Wahnsinn völlig andere Züge trägt. Griechen legen Wert darauf, ein bisschen verrückt zu sein. Trella!
    Der Imker ist ein gut deutsches Phänomen. Die Dame könnte hier sehr wohl vorkommen. Wegen eines Lackschadens so viel Theater? Ich sag immer, wenn mein Auto einen weiteren Kratzer und noch eine Beule erhalten hat: Geht in Ordnung. Schließlich habe ich ja auch welche.

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    • Ich glaube nur die Deutschen sins so versessen auf unbeschädigten Lack. Ich wollte es eigentlich nur polieren lassen, damit ich das Auto besser verkaufen kann, aber die Versicherung besteht auf Volllackierung mit Leihwagen und Abholung. Das wird so teuer, dass es in keinem Verhältnis zu dem Kratzerchen steht…

      Die Geschichte ist genau so passiert und das Gefühl kurzzeitig in einen Comic gestigen zu sein, habe ich bis heute.

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