Freudenausruf mit 4 Buchstaben

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Ich kann´s nämlich auch in schön, also ohne Tod und Teufel, erzählen:
wie ich den Berg hochgegangen bin, hinter dem Betonklotz, und dem Weg folge durch ein Naturschutzgebiet, den Hund an der Leine, der seinen Kopf hebt und die Nase in den Wind hält, und wie ich dann, als ich die erste Steigung genommen habe und oben an dem Aussichtspunkt ankomme, die Wellenbrecher wiedererkenne, zwei, ineinander verschränkt, genau diese beiden, die aussehen wie alle und eben doch ganz anders, weil an der Spitze des einen ein pyramidenförmiger Stein  hervorsteht und der andere sich schmal ihm entgegenstreckt mit schlankem Bein.
Ich stehe dort und schaue und ein alter Mann kommt mir entgegen im Regen mit krummen Beinen und nickt mir freundlich zu im Vorübergehen. Seine Haut eine ledrige Landkarte, seine Hände groß und sein Leben in die müden Knochen geschrieben.

Und wie ich weitergehe und der Weg eine lustige Sinus und Cosinus-Welle macht, auf und ab, wie eine Insel mit zwei Bergen, links und rechts die knorrigen Obstbäume und Beerensträucher und unten das Meer, und ich am Horizont plötzlich den Leuchtturm erkenne, der am Ende gar keiner ist, sondern dem Gedenken dient und seine Aufgabe über die See hinweg auf besondere Weise erfüllt, und ich weiß, dass ich vertrauen kann und atme und spaziere durch die feuchte Luft Deiner Heimat, gehe weiter, folge dem schmalen Sandweg, bis ich an einem Vorsprung die Grasnarbe entdecke, auf der Du einst saßt, mit geschlossenen Augen, ein Foto nur, doch ich kenne es auswändig und trage es in mir, und hinter Dir die dreiköpfige Baumfamilie und  der eine winkt mir zu mit erhobenem Ärmchen: Hier bist Du richtig! und beinahe fühle ich mich wie die Goldmarie, als sie durch den Brunnen taucht in die andere Welt voller Wunder und Verheißungen und Glück.

Wie es dann weiterging als ich einfach weiter ging, weiß ich nicht mehr genau.

Doch irgendwann nach der großen Senke trete ich hinaus auf eine Lichtung, der Blick auf´s Meer ist frei, und am Horizont erinnert und mahnt noch immer der Leuchtturm, der weiterhin keiner ist, und ich gehe und gehe durch den Regen, schüttele die Bäume, backe das Brot, grüße den blauäugigen Husky, auf der Bank und seine ihn striegelnde Begleiterin, passiere das Achtung-Schild, mein Herz schlägt fest, unten im Wasser zwei Angler mit achselhoher Hose in eisiger Brise. Längst schon hat der Hund die Führung übernommen, und ich  lasse ihn von der Leine und folge ihm und dem Wind und Dir und stehe unversehens in dem kleinen Hain, der Pfad steigt an, ein Hang, und oben, ganz oben das Häuschen aus Pfefferkuchen fein.

Ich weiß wo ich bin, ich wusste es bereits als ich aus dem Auto stieg, ohne es zu wissen. Eine Zwischenstation, eine Ahnung, die zu Ziel und Ankunft wird, dem Ort, an dem ich ungezählte Nächte mit Dir verbracht habe, Deine Stimme in meinem Ohr und Nietzsches Leiber, Leiber, Leiber.
Wie gerne wollte ich damals Deinen Kehlkopf berühren, ihm mit der Hand folgen, während Du sprachst, seine Vibration spüren, Dein Leben ertasten. In Deine Augen schauen im Halbdunkeln, Deine Finger in meinem Haar, Dein Atem, Deine Haut ganz nah.

Das schnell gebastelte Herz aus Segelschnur hänge ich dann doch nicht an die Klinke, sondern irgendwo ins knospende Gebüsch. Den Vögeln wird es dienen, und zum Dank hinterlässt mir einer im Vorbeifliegen einen Gruß auf der Schulter.

Auf dem Heimweg über die dunkle Autobahn schaue ich den tanzenden Scheibenwischern zu und versuche zu begreifen, was sich nur fühlen lässt.

 

 

 

 

 

Bild: daidà
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

23 Kommentare zu “Freudenausruf mit 4 Buchstaben

    • Danke Dir!
      Manchmal suche ich länger nach dem passenden Bild, als ich für den Text gebraucht habe. Umso schöner, dass das nicht vergeblich ist und von Dir, deren Ästhetik ich sehr schätze, bemerkt und gemocht wird.

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