Ludwig von text art garage hat mir ein paar Fragen zum Thema Sex gestellt und ich habe mir überlegt, wie ich darauf antworte, ohne mich zu entblößen. (Danke für´s Nominieren).
So:
Welche Alternative bietet schlechter Sex / wobei: was könnte das sein?
So ziemlich alles scheint mir eine Alternative zu „schlechtem“ Sex zu sein. Essen, schlafen, schreiben, was auch immer. Entweder „guten“ Sex, oder keinen. Ich möchte bei etwas so Intimem aber gar keine Noten verteilen. Akrobatik und Technik interessieren mich nicht besonders. Sinnlichkeit, Subtilität, spielerische Ernsthaftigkeit, Zugewandtheit, Empfindsamkeit, Empfänglichkeit, Rhythmus, Respekt, Hingabe und der gegenseitige unbedingte Wille sich Freude zu schenken, machen Sex schön und aufregend (gut).
It´s all in your mind.
Geht Geist und Sex zusammen?
Zur Verführung braucht es zumindest rudimentäre kognitive Fähigkeiten. Insofern ist ein Minimum an Geist hilfreich. Erotik und Sinnlichkeit finden sehr viel im Kopf statt (s.o.). Auch dafür ist es gut man hat einen und weiß ihn zu nutzen. Eine tiefe geistige (und seelische) Verbundenheit ist die Grundlage, auf der Sexualität für mich überhaupt erst interessant wird und zu Erfüllung und nicht „nur“ zur Befriedigung körperlicher Bedürfnisse führt.
Wenn Sex die schönste Nebensache der Welt ist was könnte dann die Hauptsache sein?
Liebe. Zu Mensch, zu Tier, zum Baum, zum Leben an sich.
Was bewirkt das Lesen dieser 3 Buchstaben in Ihnen?
Wenig bis nichts. Ich bin nicht auf Knopfdruck erregbar. Es braucht mehr als ein paar Schablonen, Stichwörter, Schlüsselreize, Attrappen um mich zu stimulieren und Sex, als Wort, ist nun tatsächlich bis zur Unkenntlichkeit verbraucht. So, wie z.B. auch „ficken“ das inzwischen zur Schulmädchenpoesie gehört. Sex blinkt und leuchtet hilflos und erbärmlich aus jeder schäbigen Ecke, spreizt seine Beine in St. Pauli und anderswo. Das Wort interessiert mich schlicht nicht (mehr). Es ist mir fremd. Da zuckt nichts, außer vielleicht ein wenig Überdruß und Ekel, als hätte man sich an etwas, eigentlich sehr Köstlichem, heillos überfressen.
Nennen Sie drei Klischees?
Sex-Klischees? Sowas wie „Wie die Nase des Mannes…“ oder Blondinen-Klischees?
Was hat Schreiben mit Sex zu tun?
Erst vorgestern schrieb ich eine kleine erotische Skizze, die ich selbst ganz anregend fand, die aber in erster Linie Arbeit war. Wenn mir danach ist, schreibe ich über Sinnlichkeit. Über Sex, als nackten, spritzenden Austausch von Körperflüssigkeiten, sollen andere schreiben. Ich kann wenig anfangen mit blanker Nacktheit und freigelegten Genitalien, ohne den Kontext von Verführung und Hingabe. (Ausgenommen die Texte Batailles. Wenn er über „Sex“ schreibt, dann geht es um Leben und den Tod, um alles. Das ist magisch, verstörend, elementar. Das geht mich an).
Um auf die Frage zurückzukommen: man kann über alles sschreiben. Auch über Sex. Die Verbindung zwischen Sex und Schreiben ist etwa so, wie die zwischen Kartoffelpuffern und Sex, oder zwischen Wagenhebern und Feinstrumpfhosen.
freudig rufe ich aus: toll herrlich und famosfeine antworten für meine art des denkens. verneigend sage ich danke für diese deine arbeit.
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Das hat mich angeregt – über Bataille zu recherchieren. Ein kluger Kopf war er wohl:
Bataille hat nie den Genuss des einen auf Kosten des anderen beschrieben. Es ging stets um gemeinsam teilbares und gewünschtes Handeln. Bataille nannte dies Kommunikation und das Handeln Verausgabung. Als Grundprinzipien menschlichen Lebens: «So wie die Sonne sich in unserem Universum verausgabt, indem sie exzessiv ihre Energie verschwendet».
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Genau so. Danke für diese Ergänzung.
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Pingback: it’s all in Your mind / by. tikerscherk | ©lz.
Am besten hat mir gefallen: „Sex blinkt und leuchtet hilflos und erbärmlich aus jeder schäbigen Ecke, spreizt seine Beine in St. Pauli und anderswo. Das Wort interessiert mich schlicht nicht (mehr). Es ist mir fremd. Da zuckt nichts, außer vielleicht ein wenig Überdruß und Ekel, als hätte man sich an etwas, eigentlich sehr Köstlichem, heillos überfressen.“
Sowas in diese Richtung habe ich vom ersten Absatz des Frage-Antwort-Spiels gedacht: „Sex“ ist überhaupt nicht das richtige Wort in diesem Zusammenhang, weil es längst eine Bedeutungsmutation erfahren hat, die (wahrscheinlich nicht nur) mich an grell ausgeleuchtete Proll-Pornos denken lässt, in denen tätowierte und silikonbrüstige Blondinen mechanische Bewegungsabläufe mit erbsenhirnigen, gruseligen Riesenschwanzträgern ausüben. Schlimm ist das.
Ob es einen besseren Begriff gibt für das, was einem selbst vorschwebt?
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Sinnlichkeit vielleicht?
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Weiß nicht so recht. Sinnlichkeit wäre für mich eine Eigenschaft, die diese bezeichnungslose Tätigkeit hätte, die nicht Sex heißen darf.
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Verstehe. Vielleicht verzichten wir darauf dem Unnennbaren einen Namen geben zu wollen, der allein dadurch, dass er in der Welt ist an Zauber verliert und sogleich den Weg seines Vorgängers geht: der Abnutzung bis zur Unkenntlichkeit?
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Einverstanden :-)
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Mir scheint Du hast eine Beschreibung bereits, verteilt über die Fragen, gegeben. Was fehlt ist (vllt.) nur eine Kleinigkeit: Der »Nebensache« ihren Nimbus als ebensolche nehmen und sie als – eine – Erfüllung der »Hauptsache« auffassen.
Das wäre zumindest, was ich darunter verstünde.
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Eine gute Anmerkung. Ich stimme Dir vollkommen zu. Danke.
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Vielleicht verzichten wir darauf dem Unnennbaren einen (neuen) Namen zu geben, der sich doch nur wieder abnutzte und ins Gegenteil verkehrte, wie der seines Vorgängers. So bleibt alles in der Schwebe. Lebendig und kostbar und immer neu.
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»Die Verbindung zwischen Sex und Schreiben ist etwa so, wie die zwischen Kartoffelpuffern und Sex, oder…«
Weiß ich nicht. Natürlich gibt es zwischen den Worten nicht den erhofften oder einen erwarteten Zusammenhang. Aber das Schreiben als Werkzeug, als Seziermesser angelegt – vielleicht auch auf auf Sex -, ist natürlich schon ziemlich einzigartig. Diese Möglichkeit, aus einem wirren Gedanken ein Bild zu extrahieren.
Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist.«
Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra
Damit ließe sich ein Zusammenhang herstellen. Nur daß danach wohl eher nicht gefragt war.
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Schreiben als Werkzeug um Sex, bzw. Sinnlichkeit in Worte zu fassen, klar. Da man aber mit Worten ebenso Bedienungsanleitungen, Texte über Quantentheorie usw. schreiben kann, erscheint mir das als Verbindung zu beliebig.
Mit Lust schreiben, das kann ich nachempfinden. Gemeint ist aber wohl nicht ide sexuelle Lust, sondern die Hingabe, das sich ganz einer Sache Widmen.
Danke für das Nietzsche Zitat!
Trank Nietzsche nicht furchtbar gerne Cognac? oder war es Grappa? weisst Du noch welchen er bevorzugte?
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Manchmal beantwortet man Fragen mit voller Absicht nicht.
Ich insistiere. Du willst doch nicht Scheik Nefzauis der duftende Garten, das Kama Sutra oder D.H. Lawrence Lady Chatterley auf eine Stufe mit der Gebrauchsanweisung für einen Staubsauger stellen wollen? Auch wenn das hin- und wieder passiert, wie Dir einige Rettungssanitäter bestätigen werden.
Schreiben als Kunstform ist durchaus geeignet, sich der Erotik zu nähern (um jetzt mal vom platten Sex als Handwerk wegzukommen). Es hat darin eine uralte Tradition und könnte von daher als einer der »Sinne« gezählt werden, mit denen man sich dem nähern kann.
Mit Deinem Argument könnte man auch diese Rolle in der Malerei verneinen – schließlich kann man mit Ölfarbe und Pinsel auch ein Stoppschild malen. Oder Édouard Manet seine Olympia.
Aber natürlich sollte man sich mit Lust den Lüsten widmen, das ist vollkommen unbestritten.
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Du hast ja Recht. Recht hast Du. Wirklich.
Ich klebte zu sehr an dem Wort Sex.
Sobald wir wieder von Sinnlichkeit reden, bin ich dabei. Schreiben und Schreiblust und Sinnlichkeit passen gut zusammen.
Was hat er nun getrunken, der werte Herr Nietzsche?
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Ich mag das sehr, wie Du das gesagt hast, wirklich sehr! Dankeschön.
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Es wa mir ein Bedürfnis. (Freut mich, danke!)
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Bataille also. Hm.
Im Kerzenschein kratzt eine Feder den Namen auf Pergament.
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Ich habe kürzlich mit „Das obszöne Werk“ angefangen.
Nach 50 Seiten war ich total erschöpft von der rasenden Ekstase. Das muss man erst mal durchstehen können. Aber Bataille schreibt so brillant- man möchte nicht aufhören. Ich jedenfalls nicht.
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Seltsame Fragen. Austauschbar.
Sex/Motoröl/Flüchtlinge/Essen/Fussball/Schlammkuchen.
Schlammkuchen wäre vielleicht lustig.
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Dann werfe ich Dir den Blogstock weiter, Bitte ersetze Sex durch Schlammkuchen und behalte ansonsten die Fragen bei. ich bin schon sehr sehr gespannt!
;)
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Herr S. hat sich gerade in meinem Nacken eingekuschelt. ;-)
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»Sex/Motoröl/Flüchtlinge/Essen/Fussball/Schlammkuchen.«
Schlammkuchen?
Nö Digga: So einfach wird das nix! Das muß alles in einem nachvollziehbaren Zusammenhang vorkommen, muß das!
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Du hängst das Blogstöcken ziemlich hoch Alder.
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ein bischen Sex und Schlammkuchen kann jeder!
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Schlammkuchen wäre im Prinzip asexuell.
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Das ist keine befriedigende Antwort.
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Das nur ein Gedanke, den es zu sexualisieren gilt.
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Außerdem sind die Stichworte ja nun gefallen. Alles weitere liegt in Deinen bewährten Händen.
Viel Vergnügen.
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Pingback: Schlammkuchen muss weg | Was weg muss