Küchenpsychologie

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Das einzige, dessen man schuldig sein kann, ist, abgelassen zu haben von seinem Begehren

Jacques Lacan


–  Ich bin in Quatschlaune
, sage ich zu dem Einen, der am Tisch sitzt und sich zu konzentrieren versucht.

– Hmhm
, brummt er, ohne von seinem Buch aufzuschauen.

– Den ganzen Tag schon bin ich in Quatschlaune
, wiederhole ich und spüre, wie mir ein Grinsen in die Nasenwurzel steigt und mich kitzelt.

– Ich merk schon, antwortet der Eine und schaut weiterhin ernst auf seine Lektüre.

Ich studiere sein Gesicht, das Profil, die Nasolabialfalten, seine von grauen Strähnen durchzogenen Haare, die Denkerstirn und die schönen Hände. Er liest weiter, ganz so als bemerkte er nicht, wie ich um ihn herum tippele.

–  Ich störe dich, oder?, frage ich schließlich.

– Du störst mich nie.

Sagt es, atmet tief durch und schenkt mir ein kurzes unverbindliches Lächeln.

–  Das ist gut, sage ich.

Für einen Moment fällt mir nichts weiter ein und so schweige ich. Nach einer Weile dann: Was liest du da?

–  Lacan. Ich versuche es mal wieder mit der Psychoanalyse.

–  So ein dickes Buch!

–  Das ist nur einer von drei Bänden.

–  Und du willst das ganze dicke Buch lesen?

–  Das habe ich vor.

–  Wow!

Der Eine hebt seinen Blick und schaut mich an. Ich lächle.
Er seufzt und räumt seine Stifte, die Notizblöcke, das Lineal und die Bücher beiseite.

– Wollen wir essen?, fragt er.

 

 

 

 

 

Bild: Moacirpdsp
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/

13 Kommentare zu “Küchenpsychologie

  1. Oh ja, die Situation kenne ich. Das „hmmmmm“ vor allem :-) :-) Wobei dieses hmm ja ein sehr nett gemeinter Versuch des feedbackgebens ohne Aufgabe der eigenen Konzentration ist …..

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