Brandung

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Ein flimmernd heißer Nachmittag im Sommer. Ich sitze vor der Bar, der Verkehr donnert von allen Seiten um mich herum. Oben rattert die Hochbahn vorbei, eine gelbe Schlange voller Menschen.

Ich bestelle ein Glas Rotwein, zünde mir eine Zigarette an, setze meine aschblonde Perücke auf und beobachte das Geschehen. Eine Frau wirft Flaschen in einen der großen Glascontainer, ein Radfahrer prescht fluchend an ihr vorbei, irgendwo bellen zwei große Hunde, der Verkehr dröhnt weiter. Lärm und Alkohol lullen mich auf angenehme Weise ein.

Ein Auto hält am Straßenrand, zwei Männer steigen aus, der eine schultert ein große Kamera, der andere schleppt Kabel und Mikrofon hinterher. Der Mann mit der Kamera trägt ein lockeres weißes Hemd, seine dunklen Haare sind an den Schläfen leicht ergraut. Er bewegt sich geschmeidig. Indianisch, denke ich. Als er mich sieht hebt er die freie Hand und lächelt. Es ist Toni, der Argentinier.

Der Argentinier verschwindet, zusammen mit seinem Kollegen, in der dunklen Kühle der Bar, kommt nach einiger Zeit mit einem Glas Tinto in der Hand wieder heraus und fragt mich ob er sich zu mir gesellen dürfe. Ich nicke.

Wir sitzen nebeneinander, schauen auf die Straße und schweigen.

Mir wird heiß, kleine Schweißperlen sammeln sich auf meiner Stirn. Ich ziehe die Perücke vom Kopf und lege sie auf den Tisch vor mir.  Toni nimmt sie und setzt sie auf seine dunklen Locken. Mit bernsteinbraunen Augen sieht er mich an, seine Haut schimmert olivgrün. Er streckt seine Hand nach meinem Gesicht aus und streicht mit dem Daumen über meinen Mundwinkel.
Rotwein, sagt er und rollt dabei das r.

 

 

 

 

 

Mein Beitrag zum letzten Wort des txt-Projektes (ruhig)

9 Kommentare zu “Brandung

  1. Der Tornado-Silberling (aus Argentinien) belästigt Sie? Ich mach ihn fertig, den Tangotänzer! Belästigt er Sie etwa? Ich mach` ihn alle.

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    • Sehr freundlich von Ihnen, Herr Mayer, doch ich werde auf Ihr Angebot nicht zurückkommen. Der Argentinier und ich, wir kommen immer gut miteinander aus. Belästigen kann man das wirklich nicht nennen.

      (Ich habe mir erlaubt Ihren Kommentar ein wenig zu entschärfen. Hier lesen sensible Gemüter mit. Eines davon bin ich).

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