Sitzen zwei Walfische in der Bar

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Manche Dinge weiss man einfach nicht über sich selbst. Am wenigsten wie es um die eigene Außenwirkung bestellt ist.
Mein Humor, zum Beispiel, wird oft als harsch oder sogar krass, zumindest aber als merkwürdig empfunden. Wenn ich, ohne mit der Wimper zu zucken, scherze und nicht fröhlich dazu gluckse, was auch vorkommt, aber eben eine ganz andere Art der Freude ist, dann kennt sich keiner aus und alle Welt denkt ich hätte schlechte Laune. Nein! Das ist trockener Humor. Staubtrocken, um genau zu sein. Lachen oder Lächeln bei seiner Ausübung verdirbt ihn nur.

Dann gibt es noch diese Zustände, vorzugsweise im Liegen, oder wenn ich krank bin, wo meine Witzischkeit keine Grenzen kennt und ich ständig, beinahe hysterisch und sogar lauthals über alles lache. Gerne auch über meine eigenen Witze.
Vorgestern zum Beispiel, auf dem Höhepunkt meines fürchterlichen HNO-Leidens, lag ich beinahe den ganzen Tag im Bett, schlief und ruhte und langweilte mich aufs Vortrefflichste und rief schließlich Hinz und Kunz und den Einen an, um den am Vormittag gehörten Witz, immer wieder unterbrochen von meinen eigenen, sich überschlagenden Lachsalven, weiter zu geben. Der Witz kam unerwartet gut an, so dass sogar der Eine, der Bruder und der Neffe sich zu einem hörbaren Lachen und einem erstaunlichen „süß“ hinreissen ließen. Dass Männer etwas süß finden kommt ja eher nicht so oft vor. Mich hat´s gefreut und gleich wieder zum Lachen gebracht, was meine Genesung spürbar beschleunigte.

Manche andere Dinge, jenseits meines Humors, weiß ich ebensowenig von mir. Ahne sie nicht einmal.
Zum Beispiel, dass ich unzuverlässig bin. Ich hätte geglaubt, ja beinahe geschworen, das Gegenteil zu sein. Sprunghaft manchmal, spontan und stark (meinetwegen auch übermäßig) von Gefühlen gelenkt, ja. Aber nicht unzuverlässig. Auf lange Sicht sogar eher das Gegenteil. Der Fels in der Brandung, die Loyalität in Person. Die Freundin fürs Leben: icke.
Egoistisch, so lerne ich, bin ich obendrein, denn wer den Subtext von Fragen ignoriert und wahrheitsgemäß darauf antwortet ist ein selbstbezogener Maniac.
Wie geht es dir? heisst nämlich eigentlich Guten Tag und erwartet keine präzise Antwort aus tiefster Seele. So wie Ist Dir das Recht? nichts anderes bedeutet als: die Würfel sind gefallen. Da gibt es nix mehr zu antworten, da wird jetzt einfach mal genickt. Des wenn mans g´wusst hätt (g´nützt hätts mir trotzdem nix. Die eigene Natur halt).
Und nein, ich kann mich nicht rausreden damit, dass ich Sprache und ihre Zwischentöne nicht beherrschte. Das tue ich. Nur wie?

Wann wird was von wem gesagt und auf welche Weise? Was meinte der Sprecher, oder was kann er vernünftigerweise nur gemeint bzw. gewollt haben?

Noch schwieriger wird es, wenn derlei Gespräche über sms abgewickelt werden, der Subtext, Tonfall und die Stimmung erahnt bzw. errechnet werden müssen und Emoticons, wie stets, nicht in Frage kommen, wenn zwei gesittete Puristen sich elektronisch unterhalten.

Zu meinem Unverständnis von Ironie, bzw. der unbewussten Verweigerung mich ihren Regeln zu beugen, kommt dann auch noch mein mitunter (je nach affektiver Involviertheit, vulgo: Nähe) aufbrausendes Gemüt. Denn eines kann ich ganz schlecht: Kröten schlucken, mir etwas gefallen lassen. Empfundene Ungerechtigkeit schweigend ertragen (Demut nennen andere das). Dann koche ich hoch und über. Ganz schnell, ganz heftig, gerne auch mal übertrieben (ja doch). Und genau so schnell, wie es brodelt, ist es auch schon wieder vorbei, ich trommele weiter, wie ein Äffchen, hab vergessen, was war und bin wieder und immer noch die Freundin für´s Leben (s.o.).

Wenn dann noch zwei Menschen aufeinander treffen, deren größter gemeinsamer Nenner, neben einer großen Zugeneigtheit füreinander, Sturheit, Verbissenheit und Unnachgiebigkeit sind, dann wird’s schwierig und allerhöchste Zeit die Kommunikation endlich wieder ins richtige Leben zu verlagern, jenes wo Menschen aus Fleisch und Blut, mit Herz und Hand und (nur für den besseren Klang) Verstand, Worte sprechen, sich angucken und sich zur Not auch mal in den Arm nehmen.

Seufz

 

 

 

 

 

19 Kommentare zu “Sitzen zwei Walfische in der Bar

  1. Ich mag Menschen, die sprachliche Konventionen hinterfragen oder sogar manchmal durchbrechen. Was viele als selbstverständlich empfinden, ist es nämlich gar nicht. Es spiegelt nur deren beschränkte Sicht auf die Welt. Andererseits beneide ich solche Leute manchmal, die so selbstverständlich in der Welt sind, von keinerlei Zweifel angefächelt. Es muss wunderbar sein, mitten im Strom zu schwimmen. Doch ists auch eine Form von Idiotie, aber das Schöne daran: der Idiot merkt es nicht. Demütig zu sein, ist auch keine Tugend. Wäre besser, die Leute würden ab und zu schreiend auf die Straße rennen, damit nicht alles so taub ist in der Welt. Du bist es glücklicherweise nicht, wenn du auch manchmal aneckst damit.
    „Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durchs Gedränge zu tragen,
    ohne jemandem den Bart zu sengen.“ (Georg Christoph Lichtenberg)

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    • Sprachliche Konventionen zu hinterfragen mag ich auch gerne.
      Aber demütig zu sein stünde dem einen oder anderen schon ganz gut zu Gesichte, finde ich. Mir auch.
      Taub bin ich gewiss nicht, jedoch sehr eigen und das nicht nur im positiven Sinne, so gerne ich auch die gute Zauberfee wäre, die nur Gutes tut und immer Recht hat.

      (Bei soviel selbstkritischer Einsicht werde ich mir aber gerade selbst wieder sympathisch)

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  2. Die beiden Fingermenschlein mag ich sehr! Die missverstehen sich nicht, glaube ich.
    Gute HNO-mäßige Besserung und danke für den Text, der mir in den nächsten Tagen bestimmt bei mancher Kommunikation im Kopf herumgehen wird!

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  3. Cioran: Das ideale Wesen? Ein vom Humor verwüsteter Engel.

    Man sollte gerade lachen, wenn man allein ist, ohne zu verlachen.
    Die Menschlein alle sind irre komisch.

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  4. „…wer den Subtext von Fragen ignoriert und wahrheitsgemäß darauf antwortet ist ein selbstbezogener Maniac. …“ – ach so?

    „Wenn dann noch zwei Menschen aufeinander treffen, deren größter gemeinsamer Nenner, neben einer großen Zugeneigtheit füreinander, Sturheit, Verbissenheit und Unnachgiebigkeit sind, dann wird’s schwierig und allerhöchste Zeit die Kommunikation endlich wieder ins richtige Leben zu verlagern, jenes wo Menschen aus Fleisch und Blut, mit Herz und Hand und (nur für den besseren Klang) Verstand, Worte sprechen, sich angucken und sich zur Not auch mal in den Arm nehmen.“ – oooh ja! Neueste Erfahrung in meinem Portfolio.

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