So sehr

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Hab ich schon mal erwähnt, wie zutiefst dankbar und glücklich ich bin ein Leben zu leben, das so voller Liebe und Wärme ist?
Wird Zeit.
Wer hier mitliest könnte auf den Gedanken kommen, dass sich hinter dem Namen Tikerscherk eine depressive Endzeitjüngerin versteckt, die durch die Gitterstäbe ihres Kellerfensters nach den Knöcheln des Frohsinns greift, um ihn, wenn schon nicht zu Boden zu reissen, zumindest doch ins Straucheln zu bringen.
Mitnichten!
Die Schwermut ist nur einer meiner Wesenszüge. Ein Mantel, den mir das Leben ab und an überstreift (oder ich mir selbst, aus lieber Gewohnheit und redlich erarbeitetem Masochismus) und der mich die schaudernde Frische der Morgenbrise durch seine filzige Dichte (durch Joch und Mühsal) hindurch nicht mehr spüren lässt. Der vor der sengenden Mittagsglut schützt und dem Versteinern im Eis des Winters.

Ein bisschen pathetisch und ein wenig bemüht die Metapher vielleicht, aber auch ein bisschen „wahr“. So wie ja alles, selbst das `Falscheste´ ein bisschen richtig und wahr ist, wie die schwärzesten Stunden bereits die Wehen eines neuen Glückes in sich tragen, dessen Entstehung schon den Beginn des Sturzes ins Bodenlose bedeutet.
Die gesetzmäßige Unentrinnbarkeit, die Wellenbewegung, Wiederkehr.
Das sich Hineingeben. Auf dem Rücken liegend, der tote Mann, sich treiben lassen.
Atmen, mal mit geschlossenen, mal mit offenen Augen, in Vertrauen, den entfernten Klang der Welt im Ohr, Hingabe und Aufgabe, sich fügen.
Kräfte sammeln für den Kollaps, den Moment, in dem die Welle kippt, der Kamm herunterbricht und der Schaum das bittere Salz der Jahrtausende, die Ursuppe, das Urmeer in die Nase drückt, den Schädel.
Das Brennen in den Augen, der Lunge, in der Seele.

Kann denn nichts bleiben wie es ist?

Se vogliamo che tutto rimanga come è, bisogna che tutto cambi

Doch selbst wenn und weil es sich ändert, so bleibt es.
Gegossen in den Bernstein der Erinnerung, gewebt in den ewigen Teppich, gepflügt unter die dunkle Erde.
Frisches Brot, neue Liebe und neue, altvertraute Pein.

Spätsommer, die Tage werden kürzer, die Welt kleiner, alles rückt näher heran.
Verschwunden der Staub des Augusts (gone),
aufgelöst sein Glast (gone)
in der irdenen Traulichkeit des Vergehens,
des flammendschönen Untergangs,
des goldenen Sterbens.
Transparenz.

Was bleibt ist die Liebe, die niemals endet, auch wenn sie vorüber zieht.
Kein Teil des Ganzen, kein Faden, sondern das, was uns umgibt:
der Himmel und das Nichts.

Diesen Text widme ich  diesem Projekt (das elfte Wort/ Schwermut).

13 Kommentare zu “So sehr

  1. „…die durch die Gitterstäbe ihres Kellerfensters nach den Knöcheln des Frohsinns greift, um ihn, wenn schon nicht zu Boden zu reissen, zumindest doch ins Straucheln zu bringen. …“
    – das ist die gleichsam witzigste und klügste Methaper, die ich seit sehr langem gelesen habe. Chapeau!

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  2. Pingback: Tikerscherk | Liebe | Heavens Food

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