Gentrifizierung, die

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Seit Jahren setze ich mich mit den Phänomen der Gentrifizierung und der damit zusammen hängenden Segregation, also der Entmischung eines Wohnquartiers (Kiezes) auseinander. Tagtäglich werden Nachbarn aus ihren Wohnungen verdrängt und langsam dürfte es eng werden am Stadtrand.
Auch an befreundeten Bloggern geht der Kelch nicht vorüber.

Nun legt sich der lange Schatten des Eigenbedarfs (den der inzwischen selbst verdrängte Vermieter an mich weitergeben möchte) auch über mein Zuhause und es fühlt sich genau so schrecklich an, wie ich es mir immer vorgestellt habe.

Da bricht einem der Boden unter den Füßen weg.
Die Scholle auf der man sich seit Ewigkeiten eingenischt hatte.

Das System, das System

Die Alternativen: unbezahlbare Mietwohnungen, oder aber in Ermangelung eigenen Kapitals, Verwandte bitten zu gentrifizieren, andere aus ihrer Wohnung zu verdrängen und diese dann mit einer abenteuerlichen Finanzierung zu erwerben.

Vulgo: selber Arschloch Elch werden. Nicht die letzte in der Nahrungskette sein.
Wahlweise: Wegzug.

Schön ist anders.
(Bitte keine gut gemeinten Ratschläge. Mein Kopf platzt ohnehin schon)

 

 

 

Foto: https://www.flickr.com/photos/seven_resist/5245846229/
seven resist, CC, nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen

23 Kommentare zu “Gentrifizierung, die

  1. Uns ist auch bereits im geförderten Wohnraum eine „Ganzobjektbesichtigung“ angekündigt worden. Wer besichtigt wohl ein komplettes Mietshaus in der Nähe zum suicidezirkus und zum Berghain, also in der Nähe zum Party-und Innkiez? 2 und 2 sind immer noch 4.
    Vorderhand wurde nichts draus, die Interessenten bemerkten wohl die Mietpreisbremse durch die Sanierungsgebietsförderung. Wenn die aber nach 20 Jahren insgesamt ausläuft (also Ende dieses Jahrzehnts), dürfte es die nächste „Ganzobjektsbesichtigung“ geben. Ein paar Jahre noch Ruhe, dann heißts: Tschüß! Die armen Westerben müssen ja schließlich wissen, wohin mit ihrem vielen Geld, nicht wahr. Da wird schon mit den Hufen gescharrt. Ruhig, ruhig Brauner, musst Dein sauer ererbtes Geld nicht zum Minuszinssatz auf die Bank bringen, Kreuzberg/Friedrichshain ist groß. Es ist genug für alle Erben da.

    Wir singen schon den Plattenrapp: Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt gentri auch zu uns…..

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  2. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du nach dem Schmerz und dem Abschied auch das Schöne im Neuen entdeckst und trotzdem an das Alte zurückdenken kannst, ohne den Schmerz und den Abschied im Vordergrund zu sehen.

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    • Danke.
      Aber erstmal bleibe ich und kampflos gehe ich auf keinen Fall.
      Erinnerst Du Dich, dass wir vor einiger Zeit eine längere Unterhaltung hier auf dem Blog über Gentrifizierung hatten?
      Es war kein Geunke meinerseits. Was mir passiert ist die Folge ungezügelten Geldrausches. Immobilienbesitzer, die den Hals einfach nicht voll genug kriegen können
      Mein Vermieter wird selbst aus seinen Räumen verdrängt und will nun in meine einziehen. Ich habe die Wahl andere zu verdrängen oder an den Stadtrand zu ziehen. Da treffen wir uns dann alle wieder. Frau Tonari ist schon da, summacumlaude folgt auch bald und gemeinsam singen wir den Plattenrap (s.Kommentar summacumlaude).
      Ich bin nicht verbittert, sondern sehr wütend und traurig zugleich.

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  3. Bei mir hat es damals auch eine Weile gedauert, bis der Schock über die angekündigte Modernisierung abgeklungen war und wir dann mit dem Angebot, die Wohnung selber zu kaufen, die Besichtigungen etc. besser umgehen konnten. Wir mussten leider bald einsehen, dass ein Kampf kaum zu gewinnen war, wir haben uns dann den Umzug, die Wohnungssuche etc. bezahlen lassen. Es hat aber eine Weile gedauert, bis ich in der neuen Wohnung wirklich „ankommen“ konnte. Sie liegt nich mehr im alten Kiez, dieser hier hat auch seine Vorteile, bloss keine coolen Bars, Cafés und Latte macchiato Muddis…

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  4. Oje & was für ein Mist! Da wäre mir eine längere Sendepause hier lieber gewesen als solch ein Beitrag.
    Du schaffst es vielleicht (gezwungenermassen), auf Deinen Kiez zu verzichten, aber der Kiez wird es nicht überleben, dauerhaft auf Leute wie Dich verzichten zu müssen.
    (Ich warte immer noch, hab aber mehr & mehr abgeschlossen…)

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  5. Man sollte sich zumindest klarmachen, dass solche Barbarei ein völlig normales Ergebnis unserer sozialdarwinistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems nennt, das sich mit so lustigen Begriffen wie „Sozialstaat“ und „soziale Marktwirtschaft“ schmückt. Das hilft den Betroffenen im Moment zwar nicht weiter, aber es besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass sich Menschen empören, weil sie die Barbarei am eigenen Leib verspüren.

    Theoretisch.

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  6. Gentrifizierung ist ja nicht mein primäres Thema. Doch ich fürchte, da hast Du in dem konkreten Fall die „A****karte“.

    Dein Vermieter hat sich entschieden, selbst der „Elch“ zu werden. Das macht die Entscheidung leichter, nicht sofort aufzugeben.

    Gentrifizierung ist ein System, bei dem Kommunen mit Firmen kooperieren. Dein Vermieter ist nicht die Ursache (wohl aber Teil des Systems). Alleine kannst Du dagegen kaum etwas tun. Du solltest versuchen, mit Anderen zusammen zu arbeiten.

    Es ist lange überfällig, sich dagegen zu wehren. Es geht natürlich auf Deine Kosten. Doch ehrlich, viel zu verlieren hast Du nicht mehr. Eine Möglichkeit ist es, die Dinge öffentlich zu machen.

    Ich hoffe dennoch, dass sich alles zum Guten wendet.

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  7. Gentrifizierung ist doch nur ein Modewort. In der Stadt herrscht kommen und gehen. Ich gehörte zu denen, die in den frühen 80ern den Chamissokiez gentriefizierten. Ja es lebten dort einmal ganz normal Berliner, aber dann wurde es schick gemacht und die angestammte Bevölkerung konnte sich nicht mehr die Mieten leisten. Irgendwann zog ich weiter und weiter und … Dem alten Kiez habe ich nie eine Träne nachgeweint. Ich kann auch an anderen Orten glücklich und zufrieden sein. Und ehrlich gesagt/geschrieben bin ich froh das es Veränderungen gibt, denn ich möchte heute nicht mehr in einem versifften Berlin der 70er wohnen. Ich wünsche dir alles Gute.

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    • Es ist geradezu faszinierend, solche Kommentare zu lesen. Man sieht an Somnus, wie sehr der Kapitalismus das Denken pervertiert. Es wird tatsächlich ein neuer Mensch geschaffen, dessen höchstes Ziel es ist, die kapitalistische Maschinerie am laufen zu halten.

      Diese Selbstverleugnung geht so weit, dass Somnus sogar seine Tränen bemüht und von Glück und Zufriedenheit spricht.

      Man sollte so einen Kommentar hernehmen und daran en detail zeigen, wie das Erfolgsmodell Kapitalismus funktioniert: Den Menschen bis in sein Innerstes zerstören und gefügig machen. Und der neoliberale Clou daran ist eben immer noch: Der Betroffene merkt es nicht.

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    • @Magister Somnus

      Danke für Deinen Kommentar.
      Dass Gentrifizierung weit mehr als ein Modewort ist und nicht einfach nur das übliche Kommen und Gehen bezeichnet, solltest Du als bekennender Gentrifizierer eigentlich wissen. Die Aufwertung und Verdrängung, die damit vonstatten geht, hast Du ja klar erkannt. Du hattest dem Anschein nach das Glück auf der Siegerseite dieses Prozesses zu stehen.
      Mag sein, dass das G-Wort inzwischen zum Kampfbegriff wurde. Dieser Umstand ändert jedoch nichts an der Berechtigung der Debatte.
      Das große Thema ist die soziale Ungleichheit und der ungezügelte Raubtierkapitalismus.
      Eine Stadt muss nicht zwangsläufig versifft sein, nur weil man dem Kapital Grenzen setzt. Trotzdem: auch das nähme ich in Kauf, wenn dafür Jeder und Jedem bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stünde und die Quartiere derart nicht tot saniert würden wie der museal anmutende Chamisso-Kiez.

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    • @Magister Somnus:

      Gentrifizierung ist zunächst einmal ein wissenschaftlicher Begriff, der Strukturwandel, Abwanderung ärmerer Bevölkerungsschichten und Mietpreissteigerung in Städten beschreibt.

      Tatsächlich bedeutet Gentrifizierung kurzfristige Mehreinnahmen für die Städte und mehr Ertrag für Vermieter oder Verkäufer auf Kosten der bisherigen Bevölkerung. Flair geht verloren, soziale Strukturen werden vernichtet. Es ist ungeklärt, ob die Einnahmen tatsächlich dauerhaft mehr sind.

      Es wundert mich also nicht, dass Du ohne Probleme weiter ziehst. Ohne Bindungen an Deinen Stadtteil ist das kein Problem. Für die Leute mit Bindungen und sozialen Kontakten sieht das anders aus.

      Aus dieser Sicht ist es nicht sinnvoll, Gentrifizierung als Modewort abzutun.

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  8. Pingback: Frühlingserwachen | Zurück in Berlin

  9. Ochnö. Wünsche Licht, notfalls am Horizont.
    Kein Trost: das ist überall so; ich verstehe nicht, was die Vermieter und Verkäufer für Städte haben wollen. Protz und Ödnis.

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