Von Meisen und Arschgeigen

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Gentrifizierung bedeutet unter anderem, dass sich zu der Freude über die Frühlingssonne, zum blauen Himmel und dem schrägen Gesang der Meisen eine lästige Missempfindung schleicht, weil jetzt auch die Arschgeigen, wie ich sie liebevoll-euphemistisch nenne, aus allen Löchern gekrochen kommen und mit ihren Design- und Retrokinderwagen, mit ihren lächerlichen Bärten, Tätowierungen und ihrem Prêt-à-porter-Individualismus den Kiez verstopfen, sich auf die neueste Welle kalibrieren und ihre potemkinschen Visagen ins Licht halten.

Freu mich trotzdem, dass es wieder warm wird.

 

 

 

 

Bildquelle: „Parusnuchalis“ von L. Shyamal – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Parusnuchalis.svg#mediaviewer/File:Parusnuchalis.svg

34 Kommentare zu “Von Meisen und Arschgeigen

  1. Volle Zustimmung. Doch versteif dich nicht in der Wut auf sie. Lass sie nicht auch noch Macht über dein Gemüt bekommen. Es ist schwer, ich weiß das. Wenn ich den feisten Westfalen sehe, der in meinem Block eine Wohnung nach der anderen aufkauft und zusammenlegt, dann möchte ich ihn gerne mit dem Gesicht in einen der vielen Kotberge auf den Gehwegen drücken, aber ich versteif mich nicht, ich bin ganz locker, ich … ja, ich mein‘ … er hat den guten alten Herrn Bernd über mir rausgemobbt, ich … ich … der Wichser … ich könnt‘ ihn … :)

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  2. …und da könnte er noch dankbar sein, der fiese Westfale.
    Kot lässt sich immerhin abwaschen. Wohnungslosigkeit und Heimatverlust nicht.

    (`Nicht einmal ignorieren´ schlägt die Regie vor)

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      • Verstehe, hier in Leipzig laufen die gleichen Vögel rum. Und zu den Hipstern kommen hier noch Nipster dazu. Wir kommen aus’m Putzen und Schreien gar nicht mehr raus :/

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        • In Leipzig habt Ihr auch ziemlich zu kämpfen mit der Verdrängung, was man so mitbekommt.
          Schöne Stadt, tolle Altbauten.
          Nipster kannte ich noch gar nicht. Viele von denen auf Euren Straßen?

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          • Da sagst du was. Nee, viele Nipster gibt’s hier noch nicht – sind schon mehr die altbekannten Glatzen und Hooligans, und die sind ja eher unhip ;) Trotzdem alles Arschgeigen! Wir sind zwar stärker, aber die können wir leider nicht „verdrängen“…

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  3. Deswegen waren früher die Datschen so in, damit man bei schönem Wetter nicht von der Existenz anderer Menschen belästigt wird. Mir ist schon ne Meise an den Kopf geflogen. Man ist einfach vor nichts mehr sicher in dieser Welt da draußen!

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    • Gerade in den Schrebergartenkolonien herrscht doch der schlimmste Nachbarnterror. Überwachung und Kleinbürgerlichkeit im Extrem. Da ist man doch Zuhause im dunklen Verschlag besser bedient. (zu mir: sollte ich mein Blog nicht besser in „Die Misanthropin“ um benennen? Gibt´s galub ich schon…)
      Ich hoffe Du hast der Meise den Hals umgedreht, als Lektion.

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  4. Bei dir ist ja plötzlich alles französisch… oder ist das nur bei mir so eingestellt?
    Ich kenne ein paar Leute, die eventuell zu der von dir beschriebenen Gruppe gehören. Zumindest leben hier im Prenzlauer Berg auch sehr viele davon. Viele von ihnen haben aber gar nicht so viel Geld, sondern einfach nur Kreditkarten und reiche Eltern, die sie auch noch mit 40 unterstützen. Im Prenzlauer Berg sieht man die finanziellen Ängste nicht, die gibt es aber. Die Leute, von denen du sprichst, sind leider davon überzeugt, dass es wichtig ist, irgendwie auszusehen und bestimmte Dinge zu besitzen. Und genau die Dinge, die alle anderen um sie herum auch haben. Ihre Kinder sind alle gleich angezogen, sie sehen alle gleich aus und alles ist völlig gleich. Die gleichen Marken, die gleichen Urlaubsorte usw. Das ist ein globaler Trend, die in Stockholm und London sehen auch nicht so anders aus als die Typen hier. Ich finde es auch ätzend, ich denke nur, dass es nicht schön ist, auf andere Menschen so zu gucken. Mietpreise etwa müssen von der Stadt reguliert werden, da hilft es nicht, solche Leute zu verabscheuen und ihnen die Schuld zuzusprechen. Die werden machen und kaufen, was sie wollen. Sie sind, was sie sind. Die Landesregierung und der Staat muss jene Menschen schützen, die Schutz benötigen.
    Hier im Prenzlauer Berg ist jedenfalls eine künstliche Welt entstanden, die ich auch bedrückend finde und aus der ich ja unbedingt raus möchte. Aber ich kenne das alles zu sehr, um diese Leute zu verdammen.

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    • @asal

      …eigentlich sollte dieser Beitrag ein wenig selbstironisch klingen, im Sinne von: ich und die liebe Gentrifizierung. Ist mir anscheinend gründlich misslungen.
      Im Grunde interessieren mich diese Leute nicht wirklich. Ich bringe auch nicht ernsthaft die Energie auf sie zu hassen, zumal, und da hast Du vollkommen Recht, es ganz andere sind, die für die Gentrifizierung hauptverantwortlich sind.
      Es ist mir ein Ritual geworden über sie zu meckern, so wie über das Wetter. Sie sind so mainstream, wie es die Angepassten zu allen Zeiten waren.
      Nur das Argument mit dem Geldbeutel der Eltern, die das ja eigentlich alles zahlen, kann ich schwer gelten lassen, wpmit wir aber mitten drin wären in der Gentrifizierungsdebatte, für die ich augenblicklich viel zu milde und versöhnlich gestimmt bin.
      Frühling, Liebe usw. :)

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      • Das war gar kein Argument, es ging mir nur darum, dass es da etwas hinter der Fassade gibt. Wenn du hier von ihnen schreibst, dann gehe ich davon aus, dass du über sie sprechen möchtest. Bei uns ist leider wieder kein Frühling heute Morgen. Februar bleibt Februar, Menschen bleiben Menschen… liebste Grüße!

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        • Stimmt. Wer A sagt muss auch B sagen. Ich glaube, ich weiß das eigentlcih auch alles. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß und manchmal gerät mein Hipster-Bashing zur unreflektierten Pauschalschelte. Es sind immer Menschen dahinter und jedem Einzelnen von ihnen würde ich als solchem begegnen, wenn sich unsere Wege tatsächlich einmal kreuzen sollten.
          Trotzdem entlastet mich mein Gemecker manchmal, wenn ich mir anschaue, wie diese Leute (mit dem Geld ihrer Eltern) die Struktur des Kiezes in kurzer Zeit beinahe zur Unkenntlichkeit verändert und in eine unaangenehm narzisstische Spießbürgerlichkeit getaucht haben. Oder kommt mir das nur so vor?

          Hier in SO 36 ist es auch trübe, aber die Meisen wissen wo es lang geht und gestern wurden in Falkense schon die ersten Wildgänse gesichtet. Es besteht Grund zur Hoffnung.

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          • Ich verstehe das, wir meckern hier ja auch ständig über die Monokultur! Das wird übrigens mein nächster Text, bin gespannt, was du dann dazu sagst. Die Bärte, diese vermutlich stundenlang gepflegten, seltsamen Bärte, die bringen mich auch manchmal aus der Fassung. Man muss nur aufpassen, wenn man aus Menschen plötzlich eine Masse macht… aber dass du das weißt, das weiß ich auch! Ich rede nur gern über das Thema, vermutlich weil bei mir die Grenzen weniger klar sind als bei dir. Vielleicht gehöre ich selbst ja auch zu dieser Gruppe. Das frage ich mich manchmal.
            Am Wochenende habe ich viele Meisen im Park beobachtet. Da hüpft das Herz mit! Und heute ist wieder Sonne… Hoffnung, Hoffnung!

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  5. Pingback: Fremde Federn: Hipster und Holzfäller | sunflower22a

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