time loop

English: Roller coaster "Teststrecke"...

(Photo credit: Wikipedia)

Die Mathematik ist das Alphabet, mit dem Gott die Welt geschrieben hat.“

Galileo Galilei

Als mathematisch Hochbegabte, fand ich schon ziemlich früh in meinem Leben heraus, dass Altersunterschiede zwischen zwei Menschen durch aktives Zuwarten ganz von selbst dahin schmelzen.
War z.B. meine Mutter bei meinem ersten Geburtstag 26 Mal so alt wie ich, so hatte sich diese Differenz bei meinem zweiten Geburtstag schon beinahe halbiert. Bei meinem fünften Wiegenfest hatte ich bereits so stark aufgeholt, dass sie nur noch 6 Mal so alt war.
Zwar verstand ich nicht, wie dieser mysteriöse und irgendwie doch beinahe einseitige Zuwachs an Jahren vonstatten gehen konnte, aber ich nahm ihn hin, so wie ich in diesen ersten Jahren alles hin nahm und versuchte mich möglichst geschmeidig und unbeschadet durch das rätselhafte Leben zu lavieren.
Glücklicherweise galt die Gesetzmäßigkeit des progressiven Altersunterschiedschwundes auch für meinen Vater und mich: wir näherten uns also altersmäßig immer mehr einander an, während meine Mutter gleichzeitig jeden Tag älter wurde und sicher bald sterben würde.
Für diesen Fall, wenn mein Vater dann Witwer und ich endlich erwachsen sein würde, nahm ich mir vor ihn zu heiraten, damit er nicht so alleine sein musste.
Aber es kam ganz anders. Meine Mutter starb entgegen meiner Erwartungen bis heute nicht und mein Vater wurde deshalb auch nicht Witwer, sondern nur geschieden. Seine neue Freundin hatte glücklicherweise den gleichen Vornamen wie meine Mutter, so, dass mein Vater erst gar nicht mühselig umlernen musste. Ich alterte irgendwann nur noch so langsam, dass es mir sowieso niemals gelungen wäre ihn wirklich einzuholen, und außerdem trat eines Tages Donald in mein Leben und später dann richtige Matrosen, ohne Bürzel.
Geblieben aber ist mir die Liebe zur Mathematik. Diese macht, mit viel Tüftelei und einem gewieften inneren Abakus, aus 11 Tagen nur noch 9 (zwei im Sinn), und angesichts dieses rasend schnell herunter zählenden Countdowns schwindelt es mich, als säße ich in einer Achterbahn und stellte kurz vor dem ersten Looping fest, dass der Haltebügel meines Sitzes nicht richtig eingerastet ist.

Durchatmen und rechnen.

18 Kommentare zu “time loop

  1. Tolles Bild zum Text. Zeitlinie, Pfeil auf sich ereignenden oder erlebten Zeitpunkt (und auch noch mit ‚Erlebnis‘ beschriftet), und am Knoten des Loops stellt sich die Frage, ob hier dasselbe noch einmal ist oder ein anderes. Oder wenn dasselbe, in welcher Hinsicht dasselbe? Das ist jetzt keine Frage, sondern ein ausgeschütteter Würfelbecher mit den Sachen, an denen ich gerade selbst herumrechne. Halt nicht mit Zahlen, sondern Allgemeinbegriffen, Variablen. Bei Zahlen und Formeln wird’s mir schnell schwindlig, Mengen & Logik habe ich immer geliebt. Fange aber gerade erst an, da ein paar Dinge zu verstehen, während die Zeit saust und man lieber nicht hinunterschaut …

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    • Danke, das Bild gefiel mir auch.
      Logik, Zahlen und Formeln sind und bleiben mir ein Rätsel.
      Wie eigentlich fast alles in diesem Leben.
      Das Rechnen gebe ich mehr und mehr auf. Es wirft nur immer neue Fragen auf, von denen mir schwindlig wird.
      Ob 3 x 3 wirklich 9 macht, weiss ich bis heute nicht, und ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich das heraus finden könnte und ob sich das überhaupt lohnt.

      Wie es sich mit Allgemeinbegriffen rechnen lässt, würde mich aber schon interessieren. Machen Sie Fortschritte? Gibt es Erkenntnisgewinn?

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      • Oh, man kann mit Allgemeinbegriffen durchaus rechnen. Man sollte es sogar. Denn Dinge, mit denen man nicht rechnet, die sind gefährlich – jedenfalls manchmal.

        Ob 3×3 gleich 9 ist oder 010, das hängt vom Zahlensystem, dem Bezug ab. 9 ist 10 im Oktalsystem. Vergiss niemals den Kontext. Zahlen sind nur Symbole, so wie viele Worte in deinen Texten Symbole sind.

        Die Mathematik sagt von sich selbst, so man sie nur vernünftig fragt, sie sei entweder widersprüchlich oder unvollständig oder sogar Beides. Jedenfalls dann, wenn sie nicht trivial (hinreichend komplex) ist.

        So kommt es auch wegen Deines Galilei-Zitats, dass alles relativ und eine Frage des Standpunktes ist. Nur im Kern, im sicheren Bereich, da kann man eine klare Aussage machen.

        Mir scheint, Deine Texte gehen in den Randbereich, weg vom Kern, da wo nichts mehr sicher ist. Sie verlassen den sicheren Pfad. Transzendenz kommt mir da als Symbol in den Sinn.

        Vielleicht ist es das, was sie ausmacht. Vielleicht ist das der Bezug zur Mathematik und Du bist tatsächlich ein Mathematiker der Sprache.

        Vielleicht… vielleicht lässt Du Dich aber besser nicht von mir „bequatschen“ und machst einfach Dein Ding.

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      • ‚Rechnen‘ im übertragenen Sinn: Bedeutungen der Begriffe und Zusammenhänge zwischen den Begriffen zu verstehen versuchen. Und abbilden ins Grafische. Kästchen, Striche, Pfeile. Und die Frage, ob es zu den (vielen) Begriffen (Hund, Lebewesen, Gefährte, Baum, grün, Farbe, fühlen …) vielleicht eine kleine Liste allgemeinster Begriffe gibt (wie ‚Seiendes‘, ‚Eigenschaft‘, ‚Art‘, ‚Ereignis‘, ‚Person‘ …).

        Da gibt es Fortschritte im Sinne von Blickschärfungen (für das, was wir die ganze Zeit schon tun, für die Weise, wie wir die ganze Zeit schon in der Welt sind; dabei ist nicht ‚Neues‘), vor allem aber gibt es: nie versiegende Faszination an den Strukturen der Sprache, an der Kontaktfläche von ich und allem anderen.

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        • Klingt sehr nach Struktursuche, und irgendwie doch nach der Sehnsucht eine Formel zu finden, in de sich das Wesentliche zusammenfassen ließe.
          Die Blickschärfung stellt sich bei derartig genauer Betrachtung ganz sicher ein.
          Sprache als Kontaktfläche von ich und allem anderen, finde ich diskussionswürdig.
          Ich teile aber die Faszination für ihre Strukturen, ihre Ordnung und hre Möglichkeiten Welten entstehen zu lassen.

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  2. Mir juckt es ja in den Fingern jetzt Deine mathematischen Fähigkeiten zu „testen“. Also nicht, weil ich Dir nicht glaubte sondern weil ich einfach mit einem Problem nicht weiter komme….

    Nur, dann hätte ich den wunderschönen Text wohl einfach nicht verstanden. Der hat viele Ebenen, ist verschlungen wie ein Spagetti-Faden, verbindet eine Logik mit einem menschlichen Selbstverständnis und einer, wie soll ich es sagen, Naivität wäre falsch, einer 1+1 Sicht der Welt, die einfach so nicht aufgehen mag. Es ist ein wenig, wie mein „mathematisches“ Problem.

    Glücklicherweise zuckst Du nur mit den Schultern und machst uns so ein schönes, sehr nachdenkliches Geschenk.

    Bevor nun wieder Dein Einspruch kommt: es ist nur meine Sicht des Augenblicks. Die ist nicht richtig, nicht vollständig. Sie ist nur ein verwobender Ausdruck. Nimm es oder lass es. Am Besten freust Du Dich ein wenig.

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