Gleichmut

SAMSUNGFrüher hielt ich Menschen für gefühlskalt, die auf Todesfälle, Trennungen oder andere Katastrophen beinahe unberührt zu reagieren schienen und Sätze sagten wie:
So ist das Leben eben.
Heute denke ich, dass sie vielleicht viel weiser und lebenstüchtiger sind als ich, und  viel weniger Federn lassen müssen, weil sie die Dinge so hinnehmen können, wie sie sind, sich an dem freuen was ist, und ich versuche ebenso mehr Gleichmut gegenüber den Unabänderlichkeiten des Lebens zu entwickeln.
Besonders weit bin ich noch nicht, aber ich werde besser.

 

 

 

45 Kommentare zu “Gleichmut

  1. Dieses vermeintlich Gefühlskalte ist evtl. nur ein Schutz. Das „Schlimme“ nicht an sich heranlassen…. ? Es klein reden… Schwer zu sagen.

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  2. So ist es. Und irgendwann ist auch das Leben zu seinem Ende gekommen, und wir wissen nicht, ob wir alles verpaßt oder aber alles richtig gemacht haben oder so halbe-halbe.

    Gleichmut ist ein schöner Titel. Mit Martin Heidegger könnte man zudem ergänzen: Gelassenheit.

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    • Gelassenheit ist auch sehr passend, ja.
      Ich denke, dass beide Begriffe in etwa synonym verwendet werden. An Gleichmut gefällt mir der zweite Wortteil: Mut.
      Gleichmut ist für mich die Überwindung der Furcht und Kraftlosigkeit in (ausweglosen) Situationen.

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      • Wie wäre es mit dem serenity prayer? Trifft der das Ziel?

        God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,
        courage to change the things I can
        and wisdom to know the difference.

        Das enthält neben Gelassenheit und Mut auch noch Weisheit. Ein gutes Überlebenspaket.
        Die Anrede lässt sich je nach Lebenseinstellung verändern, denke ich. Selbstbezüglich oder so wie es eben beliebt.

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  3. „Wohl dem Menschen, wenn er gelernt hat, zu ertragen, was er nicht ändern kann, und preiszugeben mit Würde, was er nicht retten kann.“
    Schiller, F.

    Solange es bei den (wirklichen) Unabänderlichkeiten bleibt, ist alles in Ordnung. Und dann wäre da noch, was Proust zur Weisheit schrub.

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    • Schönes Schiller-Zitat, wobei das Wort „ertragen“ so gar nicht zu dem Gleichmut passt, den ich zu erreichen hoffe.

      Ich weiß leider nicht was Herr Proust zur Weisheit schrieb…

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      • Wenn ich mir die Kommentare so anschaue brauchst du seine Worte auch nicht, was sie bedeuten weißt du schon. Nur der Vollständigkeit halber:

        „Man kann die Weisheit nicht fertig übernehmen, man muss sie selbst entdecken auf einem Weg, den keiner für uns gehen und niemand uns ersparen kann, denn sie besteht in einer bestimmten Sicht der Dinge.“

        (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit)

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  4. Ein schwieriges Thema, ein langer Lernprozeß. Schwierig auch, weil der Grat zwischen Gleichmut und Gleichgültigkeit so schmal sein kann, besonders in den Ohren der Betroffenen, die sich solche Sätze anhören müssen und evtl gerade so richtig übel leiden…

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  5. sagen ist nicht immer gleich denken. aber es hat sicher viel damit zu tun, nicht in angst, schmerz und panik verfallen zu wollen – oder zu können, aus welchen gründen auch immer.
    vielleicht ist es sogar ein versuch es trostes – und der wahrheit. denn so ist das leben eben. wirklich.

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  6. Je länger ein Leben dauert, desto mehr Schmerzen lernen wir kennen. Vielleicht liegt es daran, dass einige scheinbar ungerührt durch das Leben laufen können. Mir fällt das auch nach vielen schmerzhaften Erlebnissen noch immer schwer.

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  7. Ich denke all die Kommentare hier haben recht. Wir kennen ja nicht all die Gefühle der anderen. Wer kann sie schon erraten? Dein Verlust wird nicht immer so schwerwiegend gesehen. Manche Menschen sind vielleicht gleichmütig weil sie einfach nicht mitfühlen können. Manche sind auch Stoiker und wirken womöglich kalt.

    Wir haben in 2012 plötzlich, vollkommen unerwartet, unsere Tochter verloren. Sie hatte immer Angst wir würden bald sterben und wollte es nicht wahrhaben. Ich sprach mit ihr am Telefon an einem Freitag warum wir sie nicht am Samstag sehen konnten. Wir fühlten uns etwas schwach, sie zu besuchen. Ich erklärte ihr, dass sie sich daran gewöhnen müsse, dass wir bald nicht mehr da sein werden. Das wollte sie nicht haben. Als ich den Hörer auflegte sagte ich zu meiner Frau, dass sie wohl vor uns sterben müsse, wenn sie unseren Tod nicht erleben möchte. Sonntag Morgen starb sie.

    Niemand war gleichmütig. All ihre Freunde und Familie waren erschüttert. Die Trauer überkommt mich immer noch an manchen Tagen. Vielleicht ist unsere innere Trauer einer Akzeptanz gewichen, die nach außen wie Gelassenheit wirkt.

    Einen Monat später hätte sie Geburtstag gehabt und ich schrieb einen Blog.

    http://pethan35.wordpress.com/2012/08/

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    • Lieber Berlioz,
      ich antworte erst jetzt, weil mich dein Kommentar und das, was Euch widerfahren ist erschüttert hat.
      Es tut mir sehr leid, dass ihr den Tod Eurer Tochter erleben musstet. Das zu akzeptieren ist schwer, aber wahrscheinlich der einzige Weg um weiter zu leben.
      Ich habe den Brief gelesen, den Du an deine Tochter geschrieben hast, und er hat mich sehr berührt!

      Ich erlebe immer wieder, wie Leute auch auf die himmelschreiendsten Ungerechtigkeitn, auf Erdbeben, Tsunamis usf. mit einer (schulterzuckenden) Ergebenheit reagieren, die ich oft für Gefühlskälte hielt.
      Inzwischen denke ich, dass wir alles, was Zuviel ist, das Überschwellige von uns fernhalten müssen, um nicht verrückt zu werden vor Trauer und Angst.

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      • Vielen Dank für Deine lieben Worte, tikerscherk. Vielleicht war es der Krieg der uns (die damalige Generation) abhärtete? Die Kommentare zu diesem Blog zeigen ja die mannigfaltigsten Gründe für die Einstellungen der Menschen.

        Genug Schrecken passieren auf dieser Welt und da muss man man schon eine dicke Haut entwickeln, um zu überleben.

        Vielleicht hast Du auf dem Foto zu meinem Blog bemerkt, dass meine Tochter im Rollstuhl sass. Sie hatte mit vier Jahren Kinderlähmung. Das war für uns der große Schicksalsschlag. Sie hat aber ihr Leben in großartiger Weise gemeistert. Das haben die Menschen die sie kannten gewürdigt.

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        • Dass deine Tochter ihr Leben trotz Behinderung gut meisterte, zeigt, dass sie ein starker Mensch war, und dass ihr sie auf einen guten Weg gebracht habt.
          Ich fühle sehr mit euch, und bewundere es, wie du darüber schreiben kannst.

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  8. lieber berlioz,

    das fürchterlichste für eltern ist, wenn ihr kind sirbt.
    mein bruder verunglückte tödlich, da war ich 13 – meine mutter ist daran zerbrochen.

    liebe tikerscherk,

    gelassenheit, diese zu erreichen ist ein langer weg………

    und dieses „es ist so“ – ja – schlicht, einfach und direkt.
    einfach zen

    die lebenskunst ist – an schwierigen dingen nicht zu zerbrechen.
    und vor allem: nicht mehr anhaften – loslassen – weitergehen –
    all das steckt ja in dem wort gelassenheit.

    weil wir alle wollen, das es bleibt – schön ist – kein schmerz – alles illusion.

    alles ist vergänglich – nix ist von dauer!

    leider werden wir pausenlos mit romantischen gedüdel zugeblasen…….
    was die klare sicht leider verschleiert.

    und wir sind alle auf dem weg……………und keiner ist jemals fertig!

    einen sonnigen mittwoch und herzlichst

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      • Woher weisst Du, dass das besser ist ? Aus lauter Wut über meine eigene Empfindlichkeit erkläre ich das Schuhwerk der Nicht-So oder gar Gar-Nicht-Empfindlichen oft generell einfach mal als schlechter.
        Hilft aber auch nichts … ist wohl auch sinnlos, die Menschen sind nunmal verschieden.

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  9. Wer ist schon besonders lebenstüchtig und wie erkennt man das von aussen? In solchen Momenten bin ich nahe am Wasser gebaut, aber ich habe überlebt. Meine Mutter meinte mit 80 Jahren, ich habe seit 3 Jahren keine Schmerzen mehr, sie wurde vergesslich.

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  10. @tikerscherk
    „Richtig“ bleibt immer in der jeweiligen Perspektive verhaftet und ist insofern aufs einzelne Subjekt sowie auf so-und-so-bestimmte Umstände bezogen. Zumal – trivialerweise – das anfangs Falsche sich als richtig und das anfangs Richtige sich im Gang des Lebens als Falsches erweisen können. Wir wissen es so häufig nicht: Aber manchmal, in den Intensitäten, wenn wir erleben, sehen, schauen, denken, dann spüren und bemerken wir ob und in welcher Weise etwas paßt. Es sind dies diese seltenen Momente, die „Verzückungsspitzen des Daseins“, die Nietzsche als dionysischer Taumler gut kannte.

    Was können wir von den Gefühlen der anderen, des anderen wissen oder ahnen? Häufig nicht viel. Es gibt bei Kafka in einem Brief an seinen Freund Oskar Pollak aus dem Jahre 1903 diese Passage, welche einerseits das Dilemma der vollständigen Alterität und zugleich eine Form des Taktes anzeigt, die unbedingt geboten ist, ohne ins Geschwalle der Moralphilosophie zu verfallen:

    „Verlassen sind wir doch wie verirrte Kinder im Walde. Wenn Du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt Du von den Schmerzen, die in mir sind und was weiß ich von den Deinen. Und wenn ich mich vor Dir niederwerfen würde und weinen und erzählen, was wüßtest Du von mir mehr als von der Hölle, wenn Dir jemand erzählt, sie ist heiß und fürchterlich. Schon darum sollten wir Menschen vor einander so ehrfürchtig, so nachdenklich, so liebend stehn wie vor dem Eingang zur Hölle…“

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    • Gleichgültig möchte ich nicht werden. gelassener schon.
      Mir gehen nicht nur die Sachen nah, die mit mir zu tun haben, sondern ich kann mich generell schwer vom Leid anderer abgrenzen.
      Als Sozialberuflerin kann das sehr aufreibend sein.

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  11. Es gibt sicherlich recht wirksame Methoden, Gelassenheit zu lernen. Der Gleichmut, den du an anderen manchmal bewundern magst, hat aber vielleicht auch eine Kehrseite: So wie die einen sich wünschen, die Dinge unberührter hinnehmen zu können, wünschen sich andere vielleicht, emotionaler reagieren zu können, um nicht als gefühlskalt abgestempelt zu werden. Keinem wird aber in einer solchen Situation wohl zumute (da ist derdiedas Mut wieder) sein und wahrscheinlich würden alle in diesem Moment gerne in einer anderen Haut stecken…

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    • Wahrscheinlich hast du Recht. ich glaube, dass manche Leute stabilere Schutzschilde haben als Andere. Und dafür beneide ich sie.
      Nicht emotional reagieren zu können, kenne ich selbst nicht, stelle ich mri aber auch schwierig vor, wenn man dann für gefühlskalt gehalten wird. Dafür lache ich oft, wenn ich ganz besonders traurig und betroffen bin. Auch auf Beerdigungen

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