Schlimmer als ein Erdbeben

English: Postcard, dated 30.5.1908. Title: &qu...

Postkarte, datiert 30.5.1908. Titel: “ Folge des Erdbebens auf der Straße. San Francisco, Cal.“ In Deutsch über die Vorderseite der Karte gekritzelt: „Das ist vom Erdbeben. Es sieht noch immer ganz schlimm hier aus.“ (Photo credit: Wikipedia)

Vor einiger Zeit schickte mir meine Schwester einen Zeitungsausschnitt aus der Frankfurter Rundschau. Dort wurde ein Mann vorgestellt, der in einem Blog die Veränderungen in seiner Stadt dokumentiert. Ich habe den Artikel lange Zeit nicht gelesen, weil ich ahnte, dass er mich deprimieren würde. So war es dann auch. Das Blog, das dieser Mann betreibt heisst
Jeremiah’s Vanishing New York (befindet sich in meiner Blogroll), und ist untertitelt mit: The Book of Lamentations, a bitterly nostalgic look at a city in the process of going extinct.
Der Autor beschreibt mit viel Trauer und Bitterkeit den Prozess der Hypergentrifizierung, wie er es nennt, und sammelt und archiviert jede Scherbe seiner Heimatstadt, die er finden kann.
Wer mein Blog regelmäßig liest, weiß, dass die Gentrifizierung ein zentrales Thema in meinem Leben ist, weil auch ich, so wie viele Berliner, Frankfurter, Leipziger usw., erleben muss, wie die Stadt, die ich liebe, Stück für Stück verkauft, die alteingesessene Bevölkerung verdrängt, und die Vielfalt, die ihr das Gesicht gibt, zerstört wird.
Auf ein weiteres Beispiel für diese Entwicklung hat mich gestern die fabelhafte Mrs. Mop  (natürlich in meiner Blogroll) aufmerksam gemacht, und mich mit Lesestoff und Links versorgt. (Herzlichen Dank!)
Hier geht es um San Francisco und die sogenannten Google-Busse: strahlend weiße, hypermoderne Fahrzeuge mit schwarz getönten Scheiben, die an die Stretch-Limousinen, der mit dicken Goldketten behangenen, Westcoast-Rapper erinnern. Diese voll-klimatisierten und mit WiFi ausgestatteten Busse, fahren morgens verschiedene Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs der Stadt an, und laden so zehntausende Menschen ein, die sie abends an den selben Haltestellen wieder ausspucken.
Etwa 40 Autominuten von San Francisco entfernt, in Palo Alto im Silicon Valley nämlich, haben sich in den letzten Jahrzehnten mehr und meht Technik- und Internetunternehmen angesiedelt.
Unter anderem Google, Facebook und Apple. Die Mitarbeiter dieser boomenden Unternehmen sind gut bezahlte junge Leute (Techs), die allesamt gerne in der ehemaligen Hippiestadt und sprudelnden Pazifik-Metropole San Francisco leben möchten, und dafür problemlos 3000 US-Dollar Miete und mehr zu zahlen bereit (und in der Lage) sind.
Um nun zwischen ihren Luxus-Behausungen und dem Springquell dieses Wohlstandes, nämlich ihrem Arbeitsplatz, hin- und herpendeln zu können, benutzen sie eben diese, eigens für sie eingesetzten Busse.
Ein Artikel im FAZ-Blog fasst das zusammen.
Die massenhafte Verdrängung der ursprünglichen Bevölkerung, durch die wohlhabenden jungen Techs, führt naturgemäß zu Spannungen, die sich in diesem Fall an der Benutzung der öffentlichen Haltestellen entzünden.
Da muss man nicht nur zuschauen, wie einem die eigenen Stadt unter dem Hntern weggekauft wird, nein, man darf auch noch Zeuge werden, wie milliardenschwere Unternehmen, die aus Steuergeldern finanzierten Haltestellen nutzen, um ihre Arbeitsbienen zurück in den Stock zu befördern.
„Sometimes the tech workers on their buses seem like bees who belong to a great hive, but the hive isn’t civil society or a city; it’s a corporation“
Um die Bienen Techs vor etwaigen Übergriffen der aufgebrachten Bevölkerung zu schützen, werden die Haltestellen inzwischen von privaten Security-Diensten bewacht. Und das ist auch nötig, denn immer größer und wütender wird der Protest der Bevölkerung gegen die Shuttle der Lehensherren aus dem Techniktal. So kann es passieren, dass auch mal ein Stein einen der blitzblanken Luxusbusse trifft, oder eine der Haltestellen blockiert wird.
Die Google-Busse sind zu dem Symbol der Verdrängung in San Francisco geworden.
Der Cartoonist und Pulitzer-Preisträger Mark Fiore hat ein lustiges, kleines Filmchen dazu gefertigt:


Schöner kann man es eigentlich nicht illustrieren.
Ohne 6-stelliges Jahreseinkommen ist das Wohnen in San Francisco inzwischen nicht mehr zu finanzieren, was langfristig dazu führt, dass kein Feuerwehrmann, keine Krankenschwester, kein Handwerker, kein Lehrer und kein Restaurantkellner sich das Leben dort noch leisten kann, was wiederum zur Folge hat, dass Unter- und Mittelschicht vertrieben werden und täglich stundenlang in die Stadt zu ihren Arbeitsplätzen pendeln müssen. Also genau das umgekehrte Pendant zu den Google-Pendlern. Natürlich werden dem einfachen Volk dafür keine kostenlosen weißen Busse zur Verfügung gestellt. Für den Pöbel reichen die kostenpflichtigen, räudigen, orangefarbenen öffentlichen Busse allemal. Außerdem: wer sollte das  Verkehrsnetz der Stadt sonst finanzieren?
In absehbarer Zeit dürfte San Francisco zu einer Art komfortablem Pendler-Schlafstadtghetto für betuchte Techs degenerieren.
Schade drum.

Naiv, zu glauben, das Gleiche könne hierzulande niemals passieren.

Musik zum Text: Scott McKenzie San Francisco

34 Kommentare zu “Schlimmer als ein Erdbeben

  1. I understand so well. New York City, my home town, does not exist any more. It’s another place, another planet. „One and off, visiting America from time to time, and it became a different country, a different nation, a different society. Or maybe I became a different person. Maybe both. When I returned, it no longer felt home. The New York City I was in was no longer the New York City I knew. I know I always painted it brighter than it was“ http://sunflower22a.wordpress.com/2013/12/21/driving-home-for-christmas/
    Please excuse me for this little ad. It just makes me cry to read your text.

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  2. Ohne Eskalation wird es keine Veränderung mehr geben.
    Es ist lediglich eine Frage des Wann.
    Das ist wie ein See, der voller Unrat, voller Schadstoffe ist
    Der existiert noch eine Zeit lang, irgendwann ist der Schwellwert erreicht und der See kippt um.

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  3. Tatsächlich eine bedenkliche Entwicklung. Mich hat gerade das Ende Deines Artikels etwas lächeln lassen…weil die Darstellung des „Pöbels“, der auf die heruntergekommenen öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen ist, einen neidvollen Biick auf die strahlend weißen Google-Busse erahnen lässt-

    Als Großstadtgöre im Exil war und bin ich immer gerne nah am Puls der Gesellschaft, in der ich mich buchstäblich gerne mit den Öffentlichen bewege. Ich mag die Busse und Bahnen und zahle liebend gern meine Monatskarte.

    Immer dieser Blick: die Bösen hier – die Guten dort… naja.
    Wir* sind die Gesellschaft, auf die wir* so oft schimpfen. Wer Angebote nutzt, sollte nicht schimpfen, dass es sie gibt.
    Viele Grüße

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    • Es geht mir überhaupt nicht um eine Gegenübestellung von „Gut“ und „Böse“.
      Ich bin einfach nur parteiisch. Will sagen: die Menschen, die ihr Zuhause verlieren, weil andere es sich leisten können ein Vielfaches an Miete zu zahlen, tun mir leid. Ich verstehe ihre Empörung darüber, dass die Technikkonzerne, die sich diese flotte Flotte leisten, nicht bereit sind auch nur einen Obulus für die Benutzung öffentlich finanzierter Einrichtungen zu zahlen.
      Die Gegenüberstellung der weißen vollklimatisierten Busse mit WiFi mit den orangenen Bussen der Stadt war überspitzt formuliert, und scherzhaft gemeint. Ich habe nichts gegen die öffentlichen Verkehrsmittel, und nutze sie oft und gern.

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  4. Vielleicht sollte man es auch von der anderen Seite sehen: Städte durchlaufen über die Jahrzehnte hinweg eine Entwicklung von Wachstum, Erneuerung oder Rückbau. Zugegeben, ich finde es auch hart, dass alteingesessene Bewohnern aus ihren Vierteln verdrängt werden. Aber nichts währt ewig – und die Bausubstanz der Nachkriegsjahre mit Sicherheit auch nicht.

    Es gibt u. a. zwei Möglichkeiten:

    a) man lässt ein Viertel so, wie es ist, dann wird es über die Jahrzehnte verkommen. Wenn keiner höhere Mietzinsen bezahlen möchte/kann, wird ein Eigentümer nicht mehr investieren, als notwendig – weder in Wärmeschutz noch in notwendige Instandhaltung. Das Viertel wird schlicht verkommen – Hauptsache die Mieten bleiben billig (wer das gerne bestaunen möchte, soll einfach mal nach Dortmund fahren). Irgendwann wird das Viertel oder Teile davon (hoffentlich) abgerissen und etwas Neues gebaut – von wem auch immer.

    oder b) Heuschrecken kommen und sanieren / modernisieren bereits heute die Häuser und treiben die Mieten in die Höhe. Die Ureinwohner werden vertrieben, eine jüngere, besser verdienende Generation macht sich breit und wird ihrerseits irgendwann vertrieben oder wegziehen. So geht das Leben und alles andere seinen Kreislauf.

    Eine Stadtentwicklung kann nicht auf das Wohnen alleine beschränkt werden – es gibt hier vielfältige Zusammenhänge mit der Zeit, der tatsächlich zur Verfügung stehenden Fläche, dem Faktor Arbeit (Arbeitsplätze, sog. Business Structures, die auch die Versorgung der Bevölkerung betreffen), privatem Wohnungsbau (Neuerrichtung und Abriss) und der Bevölkerungsentwicklung. All diese Faktoren tragen in einem urbanen System dazu bei, wie sich eine Stadt über die Jahrzehnte entwickelt.

    Ich denke, bei der Modernisierung von Wohnungsraum muss eine gesunde Mischung eingehalten werden. Der Ansatz, Investitionen im Immobiliensektor mit Auflagen zu verknüpfen, kann in bestimmten Grenzen sinnvoll sein. D. h. der Staat oder die regionale Verwaltung muss es regulieren, und das passiert teilweise ja auch. Aber es sind die Politiker, die von uns gewählt werden, die dafür verantwortlich sind – nicht die bösen Firmen!

    Nun sind die USA – deren Entwicklungen hier dargestellt werden – kein guter Vergleich für Europa. Ich tue mir generell schwer, Parallelen zwischen diesen beiden Gesellschaften zu ziehen. Klar ist, dass auch Investitionen im Immobilienbereich aus den USA in Europa getätigt werden. Aber es ist Aufgabe der von uns gewählten Volksvertreter, die hiesigen Interessen zu schützen und in bestimmten Grenzen auch zu bewahren, also einem ungezügelten Kapitalismus etwas entgegen zu setzen. Bei dieser Aufgabe scheitern unsere Politiker oftmals grandios – leider.

    Aber das mit den weißen Bussen verstehe ich nicht: worin besteht das Problem, dass ein Bus an einer Haltestelle hält, wo der „normale“ (was ist das überhaupt?) ÖPNV hält? Ich gehe mal davon aus, dass diese weißen Busse nicht von der Kommune finanziert sind, sondern von den Unternehmen bezahlt werden. Auch wird wohl das Personal für die weißen Busse nicht aus dem Stadthaushalt bezahlt sein (wenn ich mich täuschen sollte, würde das nur meine Vorbehalte gegen das US-amerikanische System bestätigen). Was soll dann der Hinweis auf die „von Steuergeldern finanzierte Haltestellen“? Ich halte das für einigermaßen unsinnig. Selbst bei uns ist der ÖPNV bereits in vielen Teilen privatisiert, insbesondere in den Randbezirken der Stadt (München). Die Haltestellen werden tatsächlich von den Busunternehmern bezahlt, die die Strecken vertraglich bedienen müssen. Eine bestimmte Form von Public Private Partnership (PPP). Worin sollen also die Kosten für eine Haltestelle liegen? Das ist ein lächerlich geringer Teil der Kosten beim Betreiben einer Buslinie. Ein Bus hält an, Leute steigen ein und aus, und der Bus fährt weiter. So what? Hier geht es hintergründig doch um etwas anderes, das sich nur in der Kritik an den weißen Bussen äußert, will heißen, die weißen Busse und die Nutzung der Haltestellen sind doch gar nicht das Problem. Geht es also gegen die „Techs“, die besser verdienen, oder geht es darum, dass die Ureinwohner mit den Luxusbussen nicht fahren dürfen? Wer Steine auf Busse schmeißt, erntet von mir sicher keine Sympathie. Was ist also der Grund für den Aufschrei?

    Apropos weiße Busse: weil es in Dubai so teuer zu wohnen ist, müssen die Angestellten der zahllosen Hotels der Stadt außerhalb in Vororten wohnen. Kolonnen von weißen Bussen fahren die schlechtbezahlten Angestellten und Arbeiter zwischen den Vororten und der Stadt zwischen den Schichten hin und her. Da stehen die weißen Busse (die alles andere als eine Luxusversion sind) für genau das Gegenteil. Daran musste ich zuerst denken, als ich von weißen Bussen las. Verkehrte Welt sozusagen ;-).

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    • Hallo Raul,
      danke für deinen ausführlichen Kommentar.
      Leider ist mir eine lange Antwort an dich abgeschmiert.
      Darum jetzt noch einmal:
      Es gibt viel mehr, als nur die beiden Möglichkeiten Verdrängung und Mietwucher, oder Verwahrlosung der Immobilien. Die Probateste dabei erscheint mir die zu sein, die sich über Jahrzehnte bewährt hat, und die erst durch den zügellosen und ungebremsten Zugriff des Kapitals aus dem Gleichgewicht geraten ist: die angemessene Erhebung eines kostendeckenden Mietzinses nämlich, die dem Vermieter Rücklagen zur Instandsetzung gestattet (Hausgeld genannt), und ihm darüber hinaus eine angemessene Entschädigung/ Rendite für die Überlassung der Mietsache gewährt. Der Mieter beheizt, belüftet und bewacht im Gegenzug die Immobilie, und sichert so, zusätzlich zum Mietzins, ihren Erhalt udn ihre Wertsteigerung.
      Da soll mal einer sagen, dass der Vermieter schlecht dastünde.
      Wieso findet sich alle Welt damit ab, dass dieses bewährte System plötzlich über Bord geworfen wird, und sich eine Elite die Taschen vollstopft und andere verdrängt.
      Du schreibst ganz rchtig, dass die Firmen nicht böse sind. Stimmt. Manche sind gieriger und skrupelloser als andere, aber es ist letzten Endes der Staat, der in der Pflicht ist ihnen Grenzen zu setzen und die Einhaltung derselben zu überwachen. Aber das passiert nicht. Und so macht sich der Gentry (niederer Adel, gehobenes Bürgertum) in den Innenstädten breit, während der Plebs an den Stadtrand ziehen soll um dort von Hartz IV zu leben, oder zu arbeiten, um das Kapital zu bedienen.
      Wir leben aber (theoretisch) in einer Demokratie, und da ist nicht einzusehen, warum Einzelne wie Monarchen residieren dürfen, während die Mehrheit schwer arbeiten muss.
      Die Google Busse, und das schrieb ich ja auch, sind das Symbol dieser Ungerechtigkeit.
      Milliardenschwere Unternehmen leisten sich für ihre Arbeitsbienen eine Luxuxflotte, sind aber (explizit) nicht bereit sich an den Kosten für das öffentliche Verkehrsnetz, das sie nutzen zu beteiligen.
      Immerhin sorgen die weissen Busse, die zu Stoßzeiten die Haltestellen benutzen, dafür, dass die orange-farbenen Busse warten müssen, und der Verkehr sich staut.
      Die Entwicklung, die du in Dubai beschreibst, gleicht der in San Francisco. dass man dort weisse Busse für die schlecht bezahlten Angestellten einsetzt, erscheint in diesem Zusammenhang lustig.

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      • Ich bin in vielen Punkten bei Dir, denke aber, dass die Diskussion schwierig ist. Der Wert einer Immobilie bemisst sich nicht alleine am Zustand der Immobilie, sondern insbesondere an der Attraktivität der Wohngegend. Alleine durch „Bewohnen“ steigt der Wert der Immobilie definitiv nicht – vielleicht sinkt der Wert sogar durch Abnutzung. Der Preis ist in den wenigsten Fällen objektiv bestimmbar, sondern er richtet sich danach aus, was jemand bereit ist, dafür zu bezahlen.

        Insgesamt sind die Immobilienpreise in München explodiert, weil die Stadt wächst und die Nachfrage nach wie vor hoch ist. Wir haben auch das Problem, dass Menschen in die Randbezirke fliehen, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen wollen / können. Am Ende entscheidet aber der Eigentümer, ob der Kaufpreis, den ihm ein Investor anbietet, akzeptabel ist. Das ist freie Marktwirtschaft. Ganz anders sieht es aus bei Wohnungen, die Genossenschaften gehören oder Grundstücken, die der Stadt gehören. Hier muss die Verwaltung ganz klare Regeln aufstellen, um eine soziale Ausgewogenheit zu gewährleisten, und das tut sie m. E. auch.

        Ich habe in einem Blog-Artikel darüber spekuliert, dass durch die Vergrößerung des Flughafens München indirekt die Immobilienpreise und damit die Mieten steigen werden. Es liegt nach meiner Auffassung daran, dass die Attraktivität des Standorts (Arbeitsplätze) steigen würde, die Wohnungsknappheit zunimmt und die Nachfrage auf hohem Niveau bleibt. Davon bin ich nach wie vor überzeugt. Die eigentliche Ursache dafür liegt jedoch im Wettbewerb der Regionen, der dafür sorgt, dass sich Ballungszentren bilden.

        Und hier beginnt das Versagen unserer Politiker. Die glauben, Metropolregionen befördern zu müssen, anstatt sie privatwirtschaftlich sich selbst zu überlassen. Da werden Anreize durch die Politik geschaffen, ohne die die Privatwirtschaft gar nicht ansässig werden würde. Sehr gut war das am Beispiel Nokia, Holzmann, aber auch bei AEG und zuletzt auch beim Nürburgringdesaster zu sehen. Sobald die Mittel abgeschöpft sind, verpisst sich der Konzern und baut ein Werk im billigeren Osten auf oder der Laden geht Pleite. D. h. wenn es keine regionale Förderung gäbe, würde sich ein Konzern oder großes Unternehmen da niederlassen, wo die Preise noch akzeptabel sind – d. h. sie würden sich in der Fläche verteilen! Durch Förderungen wird nämlich der hohe Preis in einer erschlossenen Region künstlich gedrückt, und damit werden letztlich preissteigernde Effekte provoziert.

        Was bedeutet das für das aktuelle Problem mit der Vertreibung aus den Stadtzentren oder bestimmten Stadtvierteln? Eine Stadt muss Attraktivität (Arbeitsplätze, Kultur, Shopping, Erholung, etc.) in der Fläche verteilen! Dadurch werden Ballungen vermieden, die zum Ziel von Spekulationen führen. Mag sein, dass meine These nicht ganz rund ist, aber ich gehöre nicht zu den Sozialisten, die glauben man könne das menschliche Wesen dadurch zähmen, indem man den wesentlichen Motor für Wohlstand aushebelt. Ich bin überzeugt, dass die Strategien, Fehlentwicklungen vorzubeugen, bis dato nicht mit der rasanten Entwicklung der Spekulationswut Schritt halten konnten. Man kann extremen Entwicklungen nur durch vorausschauendes langfristig angelegtes Planen und geschicktem Definieren von Rahmenbedingen sanft entgegensteuern. Politiker wollen wieder gewählt werden, d. h. sie müssen in vier oder fünf Jahren möglichst viel erreichen. Das ist der Grund für kurzfristige Strohfeuer und schnelle Geschäfte auf Kosten der nachfolgenden Generationen. Leider.

        Noch kurz abschließend: Unternehmen zahlen Steuern (indirekt auch die Steuern, die die Angestellten durch ihr Einkommen abführen) – das ist der Beitrag, den sie zum Unterhalt der Infrastruktur beitragen. Insbesondere die Gewerbesteuer. Und wie gesagt: USA und Europa sind schwer vergleichbar, ich weiß zu wenig über die Steuersituation dort, aber bei uns ist das schon richtig geregelt.

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        • Hallo Raul,
          langer Kommentar- lange Antwort :-)

          „…durch “Bewohnen” steigt der Wert der Immobilie definitiv nicht – vielleicht sinkt der Wert sogar durch Abnutzung. Der Preis ist in den wenigsten Fällen objektiv bestimmbar, sondern er richtet sich danach aus, was jemand bereit ist, dafür zu bezahlen.“

          Der Wert einer Immobilie wird durch Vermietung erhalten, denn Wohnungen wollen beheizt werden, um nicht von Schimmel befallen zu werden.
          Er steigt, wenn durch den eingenommenen Mietzins Modernisierungen vorgenommen werden können.
          Immobilienpreise explodieren, weil eine Stadt wächst UND weil die Politik darauf nicht angemessen reagiert. Die Kommunen müssen selbst bauen, statt das Investoren zu überlassen, und sie müssen den Mietpreis deckeln, um die Alteingesessenen und Familien zu schützen. Dem Immobilienbesitzer bleibt eine ausreichende Rendite, wenn er die Mietpreise regelmäßig an die allgemeine Teuerungsrate anpasst. Keiner verlangt, dass Vermieter nichts verdienen sollen.

          „ Am Ende entscheidet aber der Eigentümer, ob der Kaufpreis, den ihm ein Investor anbietet, akzeptabel ist. Das ist freie Marktwirtschaft.“

          Und das eben prangere ich an. Wieso nimmst du das als gegeben hin? Es muss nicht so sein, wie wir wissen. Ich jedenfalls finde die ungebremste Profitgier nicht akzeptabel. Sie erschwert der Mehrheit der Bevölkerung das Leben, und das kann nur falsch sein.
          Auf Wohnen, Essen und Wasser darf nicht spekuliert werden. Das sind aus meiner Sicht Grundrechte.

          „Ganz anders sieht es aus bei Wohnungen, die Genossenschaften gehören oder Grundstücken, die der Stadt gehören. Hier muss die Verwaltung ganz klare Regeln aufstellen, um eine soziale Ausgewogenheit zu gewährleisten, und das tut sie m. E. Auch.“

          Das tut sie leider nicht immer. Die Mietpreise für die Wohnungen der GeWoBe in Berlin erreichen schwindelnde Höhen, und wie man kleines Gewerbe vertreibt, das beschreibt genova hier sehr schön. Auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft will ein Stück vom Kuchen, und vertreibt kleine Gewerbetreibende durch horrende Mietsteigerungen (400 %)

          „ich gehöre nicht zu den Sozialisten, die glauben man könne das menschliche Wesen dadurch zähmen, indem man den wesentlichen Motor für Wohlstand aushebelt. Ich bin überzeugt, dass die Strategien, Fehlentwicklungen vorzubeugen, bis dato nicht mit der rasanten Entwicklung der Spekulationswut Schritt halten konnten.“

          Wie kommst du im Zusammenhang mit dieser Diskussion jetzt darauf, dass irgendwelche Sozialisten Wohlstand aushebeln wollten?
          Wohlstand für Viele ist allemal erstrebenswerter, als Reichtum für nur wenige, die mit Immobilien spekulieren.
          Leider muss ich dir schon wieder widersprechen. Die Entwicklungen, z.B. in Berlin (aber in München und Frankfurt doch auch), haben sich schon länger abgezeichnet, und es gab, trotz großer Proteste aus der Bevölkerung, aber auch der Sozailverbände usw. keinerlei Anstrengungen die Entwicklung zu stoppen. Im Gegenteil. Berlin wurde und wird gezielt verhökert, und wie ich weiter oben erwähnt habe, verdient die Stadt daran, hat also auch ein Interesse an der Entwicklung.
          Schwierig wird es, wenn keine kleinen Dienstleister mehr in der Stadt leben. Wer soll dann noch die Rohre reinigen, oder das Auto reparieren?

          „Politiker wollen wieder gewählt werden, d. h. sie müssen in vier oder fünf Jahren möglichst viel erreichen. Das ist der Grund für kurzfristige Strohfeuer und schnelle Geschäfte auf Kosten der nachfolgenden Generationen. Leider.“

          So isses. Wer dann nicht wieder gewählt wird, hat einen schönen Job in der Wirtschaft sicher. So macht man das.

          „Unternehmen zahlen Steuern (indirekt auch die Steuern, die die Angestellten durch ihr Einkommen abführen) – das ist der Beitrag, den sie zum Unterhalt der Infrastruktur beitragen.“

          Ja, und die Bürger zahlen (über die Miete) Grundsteuer, sie zahlen Einkommens- und Mehrwertsteuer, und sie müssen für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel Geld bezahlen, von dem dann alle entstehenden Kosten (idealerweise) gedeckt werden. Dazu gehört auch der Erhalt einer Bushaltestelle.

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      • Sorry, ich habe Deinen Kommentarbereich so zugemüllt, dass die eigentliche Botschaft – nämlich was getan werden kann, um der Entwicklung eine vernünftige ausgewogene Richtung zu geben – vielleicht untergegangen ist (zu lesen im vorletzten Absatz in den ersten Sätzen).
        Deshalb meine Frage: was wäre nach Deiner Meinung ein probates Mittel, der negativen Entwicklung Einhalt zu gebieten? Steine auf Busse schmeißen kann es ja nicht sein, aber was denn?

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      • Ups, ich hatte das überlesen:

        „Die Kommunen müssen selbst bauen, statt das Investoren zu überlassen, “
        Ich bin nicht sicher, dass das ein probates Mittel wäre – mit dem Bau von Immobilien haben sich die Kommunen in der Vergangenheit Verpflichtungen ans Bein gebunden, von denen sie sich doch heute genau aus Kostengründen gerne verabschieden. Den selben Fehler wollen und werden sie nicht wiederholen. Bedenke, die Kommunen sind verschuldet, woher soll das Geld kommen?

        „und sie müssen den Mietpreis deckeln, um die Alteingesessenen und Familien zu schützen. Dem Immobilienbesitzer bleibt eine ausreichende Rendite, wenn er die Mietpreise regelmäßig an die allgemeine Teuerungsrate anpasst.“
        Reicht das wirklich um notwendige Sanierungen durchzuführen?

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  5. Das machen wir gerade in Frankfurt durch. Das ganze Ostend wird mit sündteuren Wohnklos für die EZB-Pendler zugepflastert. Gleichzeitig werden Wohntürme mit Hundewaschanlage hochgezogen (http://www.fr-online.de/stadtentwicklung/frankfurt-wettlauf-um-superteures-wohnen,26042926,25973660.html)
    Dieser dumme August von den Grünen namens Cunnix will jetzt noch Wohnräume verdichten. Will sagen: Die Stadt wird sommers unbewohnbar.
    Hoffentlich fallen sie auf die Nase und die Welle schwappt wieder gen „Land“

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  6. Jetzt weißt du warum ich Schiss habe, dass Berlin genauso werden wird, wenn ich mal alt bin. Die Anfänge gibt es auch hier schon: Gated Communities mit Pförtner und englischem Rasen.

    Richtig fies wird es werden, wenn sie damit anfangen, die Platten in Zentrumsnähe abzureißen. Noch sind die Abfindungen zu teuer dafür weil die Immobilienpreise noch nicht hoch genug gestiegen sind, aber haben wir erstmal das Niveau von London erreicht, ist es kein Problem mehr, die Gegend um den Alexanderplatz zu entmieten und etwas neues (wahrscheinlich umzäunte Townhäuser) dort hinzustellen. Mit den Altbauten sind sie ja bald durch.

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    • Deine Angst ist berechtigt. Und irgendwann werden sich die in der Innenstadt Verbliebenen fragen, wo denn ihr Klempner und all die anderen Handwerksbetriebe, Werkstätten, die hübschen kleinen Trödelläden usw. hin sind.
      In Frankfurt hat man gesehen, wie leicht sich selbst Hochhäuser in der Innenstadt wegsprengen lassen, um mehr Platz zu schaffen für Eigentum, Hotels, Büros.
      Warum sollte das rund um die Leipziger anders sein.
      Die Randbebauung des Alexanderplatzes mit Hochhäusern steht bevor, und ringsum ist noch einiges, was man entmieten kann.
      Es ist einfach traurig.
      Vorhin erzählte mir die Betreiberin einer kleinen Autowerkstatt in Kreuzberg, dass selbst die Maklerin, die ihr helfen soll Platz für eine neue Werkstatt zu finden, wenn ihr Mietvertrag ausläuft, anmerkte, dass die Preise hier explodieren. Sie, die Maklerin, habe im vergangenen Jahr das 4fache verdient, von dem, was noch vor 3 Jahren zu holen war.
      Nichts neues, ich weiß. Aber immer wieder eine neue Empörung.

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  7. Ein toller Beitrag… puuh, mir bleibt da auch so manches im Hals stecken. Dieses Thema der „Veränderung“ beschäftigt mich auch sehr, weil es zwischenzeitlich überall zum Greifen nah ist, Man muss nicht nach San Franzisco jetten, um das festzustellen. Andererseits gehört die Veränderung zum Leben. Muss nicht immer zum Guten sein. Jeder Wohlstandsspeck sucht sich seinen Höhepunkt, bevor er von der Zeit aufgefressen wird. So wird es uns auch ergehen.
    Ich lebe (unter anderem) in einem Dorf, in dem der Verfall auch deutlich sichtbar ist und die Unterschiede zwischen „arm“ und „reich“ immer stärker hervortreten. Es kann einem übel werden.
    Lg,
    Werner

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    • Hallo Werner,

      ich habe kein Problem mit Veränderung, denn Leben ist nunmal Wandel.
      Es geht auch nicht um Wohlstandsspeck, oder irgendein natürliches Phänomen.
      Es geht, und das schreibst du ja ganz richtig, darum, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter aufgeht, weil es politisch so gewollt oder zumindest geduldet ist, und die Minderheit der Reichen sich alles kauft, und sei es das Hause der weniger Begünstigten.
      In der Zukunft wird es um noch viel mehr gehen, und wir sollten uns alle empören und wehren, denn das, was da passiert ist nicht akzeptabel.
      ja, es kann einem übel werden.

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  8. Pingback: Fremde Federn: Schlimmer als ein Erdbeben | sunflower22a

  9. @ Raul Katos- wenn man eine Immobilie erwirbt, dann zahlt man monatlich das sogen. Hausgeld. Daraus wird ein Instandsetzungsrücklage gebildet, und die laufenden Kosten werden davon bezahlt. Die eingenommene Miete übersteigt das Hausgeld deutlich, so dass ggenug Geld auch für außergewöhnlichen Renovierungsbedarf bleibt, un der Vermieter sich auch noch eine dicke Scheibe abschneiden kann. Das hat Jahrzehnte lang funktioniert. Bis man gierig wurde. Jetzt will man eben noch mehr Geld mit Wohnungen verdienen.
    Zum sozialen Wohnungsbau- da ist in der Vergangenheit viel schief gelaufen. Wenn Berlin heute das Tempelhofer Feld mit Sozailwohnungen bebauen würde, die man sich gegenfinanzieren würde, indem man einen festgelegten Anteil an Grundstücken für Luxuswohnungen verkaufen würde, dann wäre das problemlos zu wuppen.
    Oder sollen meinetwegen Genossenschaften entstehen, und sich selbst kümmern.
    ansosnetn bleibt: Miete deckeln, und für Steuergerechtigkeit sorgen. Dann wären wir unsere Sorgen los.

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    • Wir sehen, dass die Hauptschuldigen die Politiker sind, oder diejenigen, die sie gewählt haben ;-)
      „Die eingenommene Miete“ wird dazu verwendet, entweder Restschulden zu tilgen, oder ist gezielt als Altersvorsorge eingeplant gewesen (mit allen Risiken, die man zuvor bereit war, zu tragen, um da hin zu gelangen). In beiden Fällen kann man wohl dem Eigentümer nicht vorschreiben, was er mit seinem Eigentum zu tun hat, oder?
      „Bis man gierig wurde“ – ich vermute, Du meinst den Verkäufer der Immobilie. Stell Dir vor, Du erbst unverhofft so ein Haus. Würdest Du es verschenken, oder meistbietend verkaufen? Oder würdest Du Dir vorschreiben lassen, zu welchem Wert Du es verkaufen darfst? Und wenn ja, von wem? Das meine ich mit Sozialismus – und ich wiederhole mich abermals: entscheidend ist, was jemand bereit ist, zu bezahlen [sic!]. Das ist ein Grundprinzip unseres Wirtschaftssystems, das Du genauso anwendest, sobald Du Geld ausgibst. Du entscheidest, ob es notwendig ist und ob es das wert ist, was es kosten soll.
      „Miete deckeln“: passiert doch schon: dafür gibt es den Mietspiegel. Von dem kann nicht beliebig abgewichen werden.
      Ich meine, in München läuft das schon vernünftig. Auch wenn die Mieten hoch sind und noch steigen. Aber die Stadt versucht ein ausgewogenes soziales Verhältnis aufrecht zu erhalten.

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      • Hallo Raul, ich glaube, wir vertreten einfach unterschiedliche Standpunkte, und irgendwie kommt das, was ich sagen möchte nicht durch.
        Ich habe mich nie beschwert über Vermieter, die kostendeckend vermieten und Restschulden tilgen müssen. Es geht mir um das Spekulieren mit Wohnraum, ob im kleinen oder im großen Stile.
        Unsere verfassung formuliert in GG Art. !4 Absatz 2: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Schon in der Antike und in der christlichen Soziallehre kannte man diese Verpflichtung. Dieser Gedanke ist also keine Erfindung der Sozialisten.
        Insofern finde ich es völlig in Ordnung, wenn der Staat ein Auge darauf hat, dass Wohnungseigentümer keinen Wucher betreiben (Wucher ist übrigens auch laut Bürgerlichem Gesetzbuch verboten). What´s the problem?
        Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der nicht nur die Starken und Reichen versorgt sind, sondern auch die, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hat, in einer Solidargemeinschaft nämlich.
        Nein, es ist nicht in Ordnung, wenn unser Wirtschaftssystem eben so ist, und Wohnungen wegen der starken Nachfrage wie Gold gehandelt werden. Denn Wohnen ist ein Grundrecht, und Eigentum verpflichtet (s.o.)
        Wenn ich im Privaten zwischen zwei verschiedenen Klopapiersorten wähle, ist das natürlich meine Sache, wenn ich als Wohnungseigentümer Leute vor die Tür setze, die die hohen Mieten nicht mehr zahlen können, dann hängen da ganze Schicksale und Familien dran. Verstehst du den Unterschied, von dem ich rede?

        Dass der Staat nicht genug tut, und der Mietspiegel nicht reicht als Instrument, sieht man an den rasant steigenden Mieten. Schau dich einfach mal in den Links auf meinem Blog um. Zum Thema Gentrifizierung habe ich eine ganze Rubrik. Das Gentrification Blog des Stadtsoziologen Andrej Holm kann ich sehr empfehlen. Gerade der aktuelle Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema.
        Und leider noch einmal ein Nein: so, wie es in München läuft ist es überhaupt nicht in Ordnung. Frag da mal auf der Straße die Leute, die werden dir sicher einiges zu erzählen haben.
        Wenn die Stadt versucht ein ausgewogenes soziales Verhältnis zu schaffen, und das dann so aussieht, dann müssen neue Instrumente her, um das Ziel zu erreichen. Bitte lies das bei Holm nach, er erklärt das sehr gut.
        Schönen Abend noch!

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      • So weit sind wir gar nicht auseinander. Ich habe selbst ungute Gefühle, die sich durch Spekulationstätigkeiten (Lebensmittel, Immobilien, Rohstoffe, etc.) auftun. Ich habe Mitgefühl für die Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben werden – sei es durch Tagebau, Startbahnen oder durch Immobilienspekulanten.
        Der Grund, warum ich Dir in manchen Dingen widerspreche oder kritische Fragen stelle, ist, dass ich in Deiner Argumentation bis jetzt noch keinen Lösungsansatz sehe (das gilt aber für mich gleichermaßen). Aber eines ist klar, nämlich dass ein Unrecht nicht durch ein anderes Unrecht behoben werden kann. Dabei müssen die grundsätzlichen Prinzipien unseres Sozial- und Wirtschaftsraums berücksichtigt werden.
        „Eigentum verpflichtet“ ist ein spannender Ansatz. Die Frage ist, wie weit diese Verpflichtung reichen kann? Im konkreten Fall würden wir die Verantwortung auf das „Weggeben“ des Eigentums ausdehnen (jemand der sein Mietshaus an einen spekulativ handelnden Investor veräußert, setzt die Mieter dem Handeln des Investors aus, indem erhöhte Mieten nicht mehr gezahlt werden können und zur Vertreibung der Alteingesessenen führen). Den Investor können wir nicht packen, denn es ist sein gutes Recht, ein Angebot zu machen, „das man nicht ablehnen kann“. Nun gibt es aber zahlreiche Strategien, wie man das Spekulationsobjekt „vergiften“ kann, so dass es an Attraktivität verliert. Eine könnte sein, dass man als Verwaltung darauf achtet, dass „die Reichen“ nicht unter sich bleiben, sondern, dass die Diversität in den Vierteln erhalten bleibt – d. h. alle sozialen Schichten müssten dort leben können. Damit einher geht, dass es nur sehr begrenzt „Reiche“ in den Vierteln geben sollte. Denn sonst wird es schwierig, wenn die Läden nur noch für den großen Geldbeutel sind und Geringverdiener weite Wege fahren müssten, um ihre Grundversorgung zu sichern. Hier braucht es eine vorausschauende Politik, was auch die Ansiedlung von Handel und Gewerbe betrifft.
        Aber merkst Du etwas: die Stadtverwaltungen haben es in der Hand! Es sind die Lokalpolitiker, die dafür sorgen müssen, dass die Stadtplanung dazu beiträgt, blinder Investorenwut vorzubeugen. Leider ist oftmals das Gegenteil der Fall. Politiker möchten sich durch groß angelegte Projekte brüsten, und achten nicht auf die Ausgewogenheit. Das ist der Fehler.
        Aber es sind wir, die diese Politiker wählen. Also müssen wir es ihnen sagen, und vielleicht auch durch „bestimmte Maßnahmen“ zeigen, dass wir einseitiges Verhalten für Investoren nicht mit unseren Wahlstimmen unterstützen.

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        • Hallo Raul, entschuldige, aber ich habe gerade wenig Energie.
          Wenn du nach Handlungsansätzen suchst, bitte ich dich im Gentrification Blog nachzusehen. Wie gesagt: der neueste Artikle befasst sich damit.
          Wenn du sehen willst, wie Berlin verhökert wird, empfehle ich dies:
          Die Stadtverwaltungen haben es in der Hand. da hast du Recht.
          Und wenn die Grenzen setzen, sowohl bei der Sanierung, als auch bei der Miete, und ebenso bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, dann macht das keinem Investor mehr Spaß.
          Ich bedanke mich bei dir für dein Interesse und die Diskussion, und würde mich sehr freuen, wenn du dich im Gentrification Blog (sehr seriöses Blog) mal ein bisschen umsehen würdest.
          Schöne Grüße!

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  10. Sehr interessanter Artikel. So weit muss man leider gar nicht schauen. Sylt ist wohl das beste Beispiel für Deutschland. Die Einheimischen können es sich nicht mehr leisten, dort zu wohnen und ziehen auf´s Festland, weil sich wohlhabende Urlauber einen Großteil der Insel Stück für Stück angeeignet haben. Sylt´s Politik hat das Dilemma zu spät erkannt, zu groß war die Gier nach dem Geld, das ja auch in den Gemeindekassen klingelt. Jetzt versucht man Wege zu finden, das Gleichgewicht wieder herzustellen, abwarten, ob es gelingt. LG, Conny

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    • Auf Sylt war ich tatsächlich noch nie, lese aber, dass dort jede Menge Prominente leben.
      Wie will man das Gleichgewicht wieder herstellen, wenn alle Grundstücke verkauft sind?

      Reine Villenviertel ohne Infrastruktur sind ein Alptraum. Und außerdem: macht Reichtum ohne bweunderndes Fußvolk überhaupt noch Spaß?

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