Mattress Mistress

Nach der letzten Hunderunde, es ist  fast zwei Uhr nachts, kehren wir nach Hause zurück.
Vor der Haustüre steht eine jener spanischen Dreadlock-Hippiepunk-Mädchen, die mit Bussen, Wohnwagen und Hunden angereist sind, und vor dem Rauchhaus auf dem Bethaniendamm in größeren Gruppen herumlungern. Sie trägt ein kurzes Röckchen, abgetragene Springerstiefel, jede Menge Armreifen, Nieten hier und da, und traumfängerartige Deko in ihren knotigen Dreads. Die Schläfen sind stoppelig ausrasiert, ihre Stimme, wie erwartet heiser und rauchig. Ob wir vor etwa 2 Wochen eine Matratze auf den Gehweg deponiert hätten, versehen mit einem Zettel. „Mattress for one night“, fragt sie auf englisch.

matratze no. 13

matratze no. 13 (Photo credit: dev null)

Das kann ich klar verneinen.
Sie insistiert. Irgend jemand müsse die Matratze aber vor die Tür gelegt haben. Sie wolle diese Person finden. und mit ihr sprechen. Ob ich eine Idee habe?
Nein, hab ich nicht. Ich meine mich zu erinnern, dass zwei Häuser weiter eine Matratze, zusammen mit anderem Gerümpel  lag, aber sicher weiss ich es nicht. Inzwischen schmeissen alle ihren Müll vor die Tür, dem sie großspurig einen Zettel „zu verschenken“ beilegen, weil sie keine Lust haben ihn zum BSR-Hof zu schleppen. Erstaunlicherweise findet oft selbst siffiges  Zeug  in kürzester Zeit neue Besitzer.
Sehr merkwürdig finde ich allerdings, dass sie um diese Uhrzeit so dringend das Gespräch darüber sucht.
Sie wohne in einer Gruppe mit 10 Menschen, erklärt sie schließlich, und jeder habe in der letzten Zeit einmal eine Nacht auf der Matratze geschlafen.
Prima. Schön habt ihr´s, denke ich, und weiter?  Ich bin müde und möchte in mein Bett.
„Everybody of the group has flees now“, erklärt sie mit rollendem r und vrowurfsvollem Gesichtsausdruck.

Oh.

(Ich tippe auf Wanzen. Die sollen wieder groß im Kommen sein)

24 Kommentare zu “Mattress Mistress

  1. Das mit dem als Geschenk gekennzeichneten Müll kann unser Nachbardorf noch locker toppen: in Böel leben mehrere Menschen in mehreren Häusern, die ihren Müll am Straßenrand VERKAUFEN. Da steht dann schonmal wochenlang ein rostiges Fahrrad aus den 80ern- für 80 Euro. Oder eine alte Neon- Deckenlampe, abgesplitterter Lack, so eine mit den häßlichen Gittern unten- für 50 Tacken…bei Sonnenschein und Regen, egal. Fleckige Matratzen gibt’s zum Vorzugspreis von 20 Euro, wahrscheinlich sind die Flöhe sogar kostenlos…. irgenwann ist das Zeugs dann jeweils wieder weg- ich kann allerdings einfach nicht glauben, daß es VERKAUFT ist! Aber da das seit Jahren so geht, bin ich doch verunsichert. Vielleicht ist der Markt da und ich verbaue mir mit meinen Skrupeln den Weg zur ersten Million!?

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      • Nein, nicht etwa Nachbarschaftspflege, sondern ganz einfach ganz große Wirtschaftslehre: Damit steigt die „Binnennachfrage“, das Geld kommt wieder in Umlauf und Europa (und damit die Welt) ist gerettet! (PS: ich tippe auch auf Wanzen. Flöhe gibts immer nur zwei oder drei /erstmal…)

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        • Wirtschaftswissenschaften sind mir immer böhmische Dörfer geblieben.
          Vielleicht wird das kleine Böel, hoch im Norden, Ausgangspunkt der Weltrettung durch Binnemarktankurbelung. Ich hoffe es.

          Flöhe leben gerne den ganzen Tag auf ihrem Wirt. Wanzen kommen nachts.

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    • Das stimmt. Falls es so rüberkam: ich schätze sie nicht gering. Gar nicht. Wir haben hier inzwischen sehr viele Spanier in der Stadt, die vor der Arbeitslosigkeit und Armut in ihrer Heimat geflohen sind. Kreuzberg ist voll mit ihnen. Die Leute beim Rauchhaus sind ein spezieller Fall. Da ist das hippieske Leben in alten Bussen, zwischen Feuerspucken und Jonglieren, mit Hund und Katz, im Sommer hier, im Winter da eine gewählte Lebensform. In aller Bescheidenheit zwar, aber dafür sehr frei.
      Ich habe seit Jahren viel mit ihnen zu tun.
      Nachts um 2 allerdings zieht es mich nur noch ins Bet.

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  2. Nur der Vollständigkeit halber: Flöhe können in Scharen kommen und wochenlang bleiben. Ich weiß es aus Erfahrung. Damals allerdings (nur daß das klar ist) wohnte ich noch in der Stadt, nicht auf dem Land.

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    • Ja, sie können in Scharen kommen. kenne das übrigens auch nur aus Berlin, und nicht vom Land.
      Aber normalerweise sitzen sie auf ihrem Wirt, und nicht auf der blanken Matratze. Oder? So genau weiß ich es eigentlich nicht.

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      • KATZENflöhe zumindest sitzen zu über 80% in Möbeln/ Ritzen/ Winkeln. Deshalb nützt Umgebungsbehandlung wesentlich mehr als Wäsche und Menschen zu waschen. Hundeflöhe halten’s ähnlich. Bei Menschenflöhen weiß ichs nicht

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  3. Wenn es eine kreuzbergsüdostige Matraze ist, aus der man eine Suppe kochen könnte (weil noch Überreste von 294 verfilzten Wirten drin sind), dann dürfte das auch passen. Die lieben Tierchen sind ja sooo anspruchsvoll dann auch nicht. Im Gegensatz zu der jungen Dame, die sich da nächstens als Hygienepolizei geoutet hat, offenbar.

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  4. Aus meinem alten Kiez kannte diese Art des Dingekreislaufes auch: die Dinge verschwanden schon aus dem Hausflur. Was zwei Stunden nach dem „Freisetzen“ noch im Flur lag, wurde (Stufe 2) auf die Fensterbank am Bürgersteig gelegt und *schwupps* war es weg…
    Beschwerden gab’s nie, oder Rückfragen..

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  5. Dieses Prinzip funktioniert, man glaubt es kaum, sogar in Freiburg. Was immer ich auf den Bürgersteig gestellt habe (alte Spiegel,, Bilder, Kommoden, Teppiche), war hochstens innerhalb einer Stunde weggeräumt. Praktisch! Das war allerdings kein „Müll“, den entsorge ich auf dem Wertstoffhof.

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    • Eben. Hätte mich sehr gewundert, wenn du Müll auf dem Gehweg entsorgst. Und da du Ästhetin bist, gehe ich schwer davon aus, dass die von dir aussortierten Stücke immer noch sehr schön waren, so dass man sie gerne mitnimmt.
      Aber wer nimmt bitteschön eine fleckige, benutzte Matratze mit, wenn er nicht bettelarm ist?

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  6. Bei uns steht auch ab und zu etwas auf dem Gehweg… Im Herbst Kisten mit Fallobst wie Pflaumen und Äpfel zum kostenlosen Mitnehmen z.B. Manche bieten auch selbstgemachte Marmelade, Honig oder Ableger von Stauden an, möchten dann aber natürlich Geld dafür sehen. Dann steht eine Kasse, eine Dose oder so daneben.
    Verwanzte Matratzen habe ich allerdings noch nicht gesehen :-)

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    • Kisten mit Fallobst! Davon träume ich nachts, wenn ich auf meiner wunderbar sauberen Matratze liege!
      So stelle ich mir das Landleben im Norden vor. Friedlich, köstlich, freundlich.
      Fjonkas Nachbardorf scheint da aus der Reihe zu fallen.

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      • Ja. Böel ist da wirklich „ungut anders“- aber für Fallobst etc. wollen hier auch in anderen Dörfern die Leute Geld haben. „Einfach zum mitnehmen“ verwirrt hier eher ;-)

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  7. Uuups – vielleicht fallen wir damit aus der Reihe ?! ;-) Hoffentlich liest das keiner der Obstverschenker und kommt womöglich auf den (Geld)-Geschmack…
    Nun spreche ich aber nur für „meine Ecke hier“, habe ehrlich gesagt noch nicht drauf geachtet, ob in den Nachbardörfern cash verlangt wird :-)

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