Europa

English: Map of Europe as a queen, printed by ...

English: Map of Europe as a queen, printed by Sebastian Munster in Basel in 1570. (Photo credit: Wikipedia)

Als ich das erste Mal in den USA war, wurde mir auch zum ersten
Mal wirklich bewusst, dass ich Europäerin bin.
Damals konnte man noch überall auf unserem Kontinent uneingeschränkt
rauchen.
In Kalifornien hingegen durfte man das schon lange nicht
mehr.
Ich besuchte einen Freund, der in Palo Alto, unweit von San
Francisco, an der Uni arbeitete.
Zusammen gingen wir in eine Art Biergarten und tranken am helllichten Tag, in der Nachmittagshitze Margaritas. Wir waren ja schließlich an der Westküste.
Bald lechzten meine, von Alkohol und Sonnenglut geweiteten Gefäße
danach, durch Nikotin wieder in Form gebracht zu werden.
Rauchen!
Ich zündete mir eine Zigarette an und fragte nach einem Ascher.
Unser sportlicher Kellner starrte mich entgeistert an. Ganz so, als hätte
ich ihm etwas sehr Unflätiges, ja geradezu Widerwärtiges mitten ins
Gesicht gerülpst.
Vorbei war es mit dem trinkgeldheischenden Lächeln aus kiefernorthopädischer Werkstatt.
WE ARE NOT IN EUROPE, MA´M!
sagte er mit kühlem Nachdruck, und wies mit seinem gebräunten, blond beflaumten Surferarm Richtung Ausgang.
Konkret bedeutete dies, dass ich mich zum Rauchen auf eine Bank zu
begeben hatte, die 30 Fuß vor dem Eingang des Gartens aufgestellt
war. Daneben stand ein randvoller Aschkübel. Stinkend und
abstoßend.
Verachtete man uns unkultivierte Europäer so sehr?
Und wenn schon.
Ich musste an den Song Safe European Home von The Clash denken
und bekam Heimweh nach Europa.

4 Kommentare zu “Europa

  1. Tja, und mittlerweile wird man im guten alten Europa gerne schon mal angepöbelt, wenn man sich als Raucher nicht an die Quarantäneverordnungen hält. Aber eine Margarita in der kalifornischen Nachmittagshitze ist trotzdem was Feines, oder etwa nicht?

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    • Europa ist für viele Menschen kein sicheres Zuhause mehr. Alles wird immer rigider, enger, reglementierter. Raucher, bis auf Helmut Schmidt, sind Aussatz.
      Die Margarita waren toll. Allerdings hab ich merkwürdigerweise Nasenbluten davon bekommen.
      Sah bestimmt gut aus, die rauchende, blutbesudelte Europäerin.

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  2. Aus der Vielzahl der Regeln, die ein gedeihliches Zusammenleben gewährleisten sollen (und die meistens ein Kompromiss sind, weswegen einige mir auch nicht schmecken), kann ich nicht schlussfolgern, dass Europe kein „sicheres Zuhause“ mehr sein soll. Und es gibt sicher eine Menge anderer Eigenschaften und Erfahrungen als gerade der Umgang mit Rauchern, die „Europäer“ auszeichnen.

    Ich finde es bemerkenswert, dass gerade „Kampfraucherländer“ wie Italien und Irland recht früh einen rigiden Nichtraucherschutz eingeführt haben und auch durchsetzen, derweil das schlappe Deutschland mit einigen Ausnahmen nur halbherzige Regelungen eingeführt hat, die dazu – wie z.B. hier in Berlin – kaum auf Einhaltung kontrolliert werden (ebenso wie Falschparken auf Gehwegen und Radstreifen, Radfahren auf dem Fußweg, Hundekot liegen lassen, Leinenpflicht in Parks usw.) und Verstöße deshalb überwiegend auch nicht geahndet werden.

    Ich bin durchaus dafür, das Regeln, die im allgemeinen Interesse erlassen werden, ein wenig stärker auf Einhaltung kontrolliert werden, damit sie auch ernst genommen werden. Sonst kann man es gleich lassen, Regeln zu verabschieden, und sich auf Appelle und freiwillige Selbstverpflichtungen beschränken, die i.a. wenig Wirkung zeigen.

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    • Europa ist für Viele überhaupt kein sicheres Zuhause mehr, weil sie (unverschuldet) an der Armutsgrenze leben müssen.
      Mein Kommentar war insofern irreführend, denn das Rauchverbot an sich finde ich zum Schutz der Nichtraucher gut. Ich habe z.B. nie verstanden, warum Menschen in Speiselokalen qualmen müssen.
      Während ich ein Rauchverbot im Freien, wie in meinem Text beschrieben, einfach lächerlich finde.
      In Carmel, ebenso an der Westküste gelegen, darf man im ganzen Ort nicht rauchen. Aber jeder fette Truck darf durch fahren.
      Übrigens rauche ich seit fast 5 Jahren nicht mehr, habe aber immer noch ein bisschen Verständnis für Raucher.
      Der Text ist eher eine Anekdote, als eine soziologische Studie. Mir wurde durch die Reaktion des Kellners, der mich durch meinen Wunsch nach einem Ascher eindeutig als Europäerin identifizierte einfach erstmalig bewusst, wie sehr ich das bin. Natürlich aus sehr viel mehr Gründen, als dem Rauchen.
      Zu den Regeln im Allgemeinen: nicht alle Regeln werden von einer Mehrheit getragen. Die zunehmende Überwachung sorgt bei den Bürgern nicht zwingend für ein größeres Sicherheitsgefühl. Vielmehr muss jeder das Gefühl haben irgendwie unter Verdacht zu stehen.
      Ein Polizist, der uns in Bayern mitten in der Nacht auf einem Feldweg kontrollierte, wo wir unseren Bus geparkt hatten, hat es mal so zusammengefasst: In Schweden ist das Parken überall erlaubt, außer es steht da, das es verboten ist. In Deutschland ist erstmal alles grundsätzlich verboten, es sei denn es steht da, dass es ausdrücklich erlaubt ist.
      Wenn ich eine Regel unsinnig finde, dann halte ich mich nicht daran. So lasse ich meinen Hund in jedem Park frei laufen, obwohl das verboten ist. Auf dem Gehweg ist sie an der Leine, obwohl sie da frei laufen dürfte. Und warum? Weil sie ein sehr folgsamer Hund ist, die immer auf den ersten Ruf kommt, die mit nichts und niemandem Ärger macht. Ich mache ihren Kot weg etc. Auf dem Gehweg allerdings, der räumlich beengt ist, möchte ich, dass sich jeder Passant sicher fühlt, und sich nicht auf engem Raum an meinem Hund vorbeidrücken muss, der kreuz und quer läuft.
      Reglen sind nicht nur da, um sie zu befolgen, sondern auch um sie in Frage zu stellen, und gegebenenfalls neue Regeln auszuhandeln.
      Das Ziel kann doch nicht die Einhaltug einer Regel sein, sondern ein friedliches Zusammenleben mit gegenseitiger Rücksichtnahme.

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